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ag-meinungsfindungstool - [Ag Meinungsfindungstool] Ist qKonsens zu starr?

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Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

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[Ag Meinungsfindungstool] Ist qKonsens zu starr?


Chronologisch Thread 
  • From: WSchallehn <WSchallehn AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Ist qKonsens zu starr?
  • Date: Fri, 10 Aug 2012 20:04:14 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Hallo Alex, Dinu und alle,
seid bitte nicht zu ungeduldig.
Wir, Alex und ich, diskutieren deshalb so intensiv miteinander, weil wir beide eigentlich dasselbe wollen.
Wir gehen freilich von ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Selbstverständlichkeiten aus. Und so nerven wir uns halt gegenseitig. Alex nervt mich, weil er den qKonsens für zu starr erklärt und deshalb einfach nicht akzeptiert. Und ich nerve Alex, weil ich für seine Hoffnungen keine Realisierungschance sehe. Immerhin haben beide Positionen für sich gesehen beachtenswerte Begründungen. Und die Diskussion ist gewiss für viele Mitleser relevant...
/
Zur Strukturierung der Meinungen/Standpunkte/
Alex zieht es vor, dass jeder Teilnehmer in einem zur Diskussion gestellten Entwurf beliebige "Passagen" markieren und dann diskutieren kann.

Nach meiner Erfahrung (oftmals! zuletzt mit dem "einhaken" von TommyBee) läuft das darauf hinaus, dass der ursprüngliche Sinn mehr oder weniger "missverstanden" und dann darauf eingedroschen wird. Dies ist wohlgemerkt kein Vorwurf an Alex. Aber es ist eine in heutigen politischen Diskussionen gar zu häufige Erscheinung. Diese muss mMn unbedingt berücksichtigt werden. Denn sie würde natürlich in den Diskussionswolken eine große Rolle spielen - mMn schon eine tödliche...

Deshalb halte ich es für entscheidend(!), dass der primäre Autor klar herausstellt, was seiner Kompetenz nach die bewertungsrelevanten Kernaussagen sind. Wer wirklich andere Kernaussagen für relevant ansieht, kann diese ja in der Diskussion der Kritik stellen - oder eine eigene Debatte eröffnen.

Außerdem soll im qKonsens jede Kernaussage von jedem Teilnehmer einzeln bewertet werden (können). Das "Einsammeln" der Zustimmungen zu den Kernaussagen ist eine Grundfunktion des qKonsens.

Zum Prozess "Debatte"
Alex schrieb:

"In deinem Vorschlag stehen KERNAUSSAGEN am Anfang. Das ist verkehrt. KERNAUSSAGEN sind das Ergebnis bzw. sie entstehen erst im Laufe des Prozesses."

Das ist nun schlicht falsch gesehen. Am Anfang steht beim qKonsens ein Entwurf (first draw) der Kernaussagen. Diese Kernaussagen sind primärer Gegenstand der Debatte (als working draft). Und zum Schluss wird der aktuelle Stand zum Ergebnis (final draft) - nach Zeitablauf oder anderen Kriterien.

Und das Problem der Dimension der Debatten sehe ich genau umgekehrt: schon bei weniger als 10 Diskutanten zerläuft die "freie Diskussion" von Alex in einer undurchsichtigen Wolke - dafür liefert z.B. das Sync-Forum unzählige Beispiele! Demgegenüber wäre durchaus relevant, wenn die Kernaussagen des qKonsens millionenfach graduiert Zustimmung oder Ablehnung erhielten...

/Zum Ergebnis der Debatten/
Alex erwartet, dass die besten Argumente von den meisten Teilnehmern übernommen werden. Und dass dann ein MFT die meistübernommenen Argumente herausfindet, die schließlich durch ein separates Entscheidungstool in Kraft gesetzt werden.

Nach meinen Erfahrungen ist es schon schwer, Leser zur Eintragung einer Bewertung zu bewegen. Deshalb halte ich für so sehr wichtig, dass das Tool ein "lesebegleitendes Bewerten" ermöglicht.

Das "Bewerten durch Übernehmen" hat viele Grenzen.

* Die meisten Leser, die einer Aussage zustimmen,* übernehmen diese nicht. *
"Kannste glauben!" Oder etwa nicht?
Und Aussagen werden meist übernommen, weil sie "interessant" sind, was durchaus nicht immer Zustimmung bedeutet.

* Die frei ausgewählt übernommenen "Passagen" sind kaum eindeutig zuordenbar. Ein Tool könnte allenfalls zählen, wie oft eine "Originalpassage" in den übernommenen Passagen vorkommt. Das macht aber nur Sinn, wenn es auf die substanziell relevanten Aussagen bezogen ist. Und das sind dann die "Kernaussagen"...

Aber selbst dann, wenn sich nach Alex Vorstellung eine Menge "durch übernehmen hochgevoteter Passagen" herauskristallisiert hat, hätte man ja noch längst *kein entscheidungsreifes Ergebnis. *
*
Die Piratenpartei braucht aber gerade Debatten mit politisch wirksamen Ergebnissen. *
Das stammt nicht von mir, ist aber auch meine Meinung.

/
Zum Problem Starrheit vs. Flexibilität/
Alex lehnt qKonsens vordergründig wegen zu großer "Starrheit" ab. Er propagiert maximale Freiheit und Flexibilität für alle Diskutanten - und das hat natürlich viel für sich. Ich verstehe auch seine Hoffnung, dass solche Freiheit und Flexibilität durch optimale Toolunterstützung zu einer positiven Entwicklung der Gesellschaft führen könnte.

Zunächst etwas zur "Starrheit" von Tools. Eine Axt als plausibelstes Beispiel besteht aus einer starren Verbindung von Klinge, Kopf und Griff. Ein Zimmermann kann mit diesem Tool unglaublich viele verschiedene Probleme lösen. Oder die Beispiele technischer Standards: jede M8 - Mutter passt auf jede(!) M8 - Schraube, und jede E14 - Glühbirne passt in jede E14 - Fassung. Das ist höchst hilfreich und durchaus nicht von allein gekommen. Flexibilität wird in allen derartigen Fällen starrer Standards durch zwei Prinzipien erreicht: Skalierung der Standards und "Geschick" der Benutzer.

Einige Erscheinungen vermeintlicher Starrheit des qKonsens sind durch Skalierung sehr leicht zu lösen. Die "harten Grenzen" das qKonsens für Textlängen würde ich z.B. bei der Anwendung für Schülerarbeiten etwa halbieren, für naturwissenschaftliche Diskussionen verdoppeln, und für philosophische vielleicht sogar verdreifachen. Ich sehe da kein Problem.

Aber für politische Diskussionen halte ich die vorgeschlagenen Grenzen (zumindest in der Größenordnung!) für substanziell wichtig! So wird jeder Autor mit sanfter Stringenz veranlasst, das Wesentliche herauszustellen. Schon dadurch wird uns hoffentlich manches Gelaber erspart, weil der Schreiber selber aus Mangel an Substanz hängen bleibt. Populistische Mogelpackungen werden viel leichter erkennbar, wenn ihre Kernaussagen vorgestellt werden. Zumal ja im qKonsens kompetente Diskussionsbeiträge direkt Einfluß auf die folgenden Bewertungen nehmen können, indem sie hohle Kernaussagen entlarven.

Noch wichtiger aber ist die *Handhabbarkeit *der kurzen Kernaussagen. Vergleichen, bewerten, diskutieren, vereinigen (mergen) von Aussagen sind viel besser oder überhaupt erst möglich, wenn klar herausgestellt ist, was die Knackpunkte sind. Wobei der qKonsens davon ausgeht, dass jedes Politikfeld eine ganze Menge Knackpunkte enthält, die im Zusammenhang gesehen werden müssen. Auch deshalb müssen die Einzelpunkte knackig (KISS!) gehalten werden...

Falls wirklich mal ein längerer Text als Kernaussage notwendig ist, bietet der qKonsens zwei Möglichkeiten. Erstens kann dieser Text in den Kontext gepackt werden. Die Kernaussage lautet dann: "Die im Kontext stehende Aussage über xyz ist unstrittig." - und kann normal bewertet werden. Und zweitens kann jede Kernaussage in eine detailliertere Konsenskiste aufgegliedert werden - das wäre der systemgemäße Weg.

Es mag ja sein, dass ich darin irre. Aber nach meiner Beobachtung steigt, je "freier" eine Diskussion ist, nur der Anteil der Energievernichtung. Und der Anteil politisch zielführender Ergebnisse geht gegen NULL - wenn man die Abläufe in Tunesien/Libyen/Ägypten einbezieht wohl sogar ins NEGATIVE. Deshalb sehe ich meine Irrtumswahrscheinlichkeit in dieser Frage unter 5% - und in solchen Fällen bin ich dann ziemlich hartnäckig bis stur...
/
Zu Begriffen und Diskussionskultur/
Mit Begriffen geht Alex leider gar zu großzügig um. Es macht mir wirklich keinen Spaß, hier den Oberlehrer zu spielen. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Alex definierte zum Beispiel:
"Ein FORKING bedeutet einfach einen neuen Standpunkt anlegen den ich nicht kopiert habe.
Ein MERGING bedeutet einen Standpunkt eines anderen zu übernehmen."
Damit erhebt Alex Sonderfälle zur Definition - das ist nicht hinnehmbar. Dazu ganz kurz:
Das FORKEN schließt natürlich den Fall ein, dass man zunächst mehr oder weniger kopiert.
MERGEN heißt "verschmelzen" - da ist "übernehmen" nur der Anfang, und "vereinigen der Inhalte" der eigentliche Prozess.
Das habe ich hier aufgeführt, um auf die Notwendigkeit eines Glossars hinzuweisen.

Betreffs Diskussionskultur kann ich Alex nur nochmals bitten, nicht gleich alles in das Forum zu hämmern. Ich bin sicher, dass es ihm beim Lesen eigener Texte geht wie mir: manche findet man toll, und manchmal wundert man sich, was man da geschrieben hat. Und das sollte man seinen Lesern nicht zumuten... Und so manche Frage sollte man zuerst oder nur sich selber stellen...

Zusammenfassend nochmal meine Grundposition: Pluralität der individuellen Meinungen ist Grundlage jeglicher Entwicklung. Aber die heutige Situation unserer Zivilisation erfordert eine zielführende "Zusammenfindung" dieser individuellen Meinungen.
Ich denke, der qualifizierte Konsens ist dafür der bislang aussichtsreichste Ansatz. Wie das halt so ist - mit dem Denken...

Soviel für heute!
Gruß!
Wolfgang




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