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ag-landwirtschaft - Re: [Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)

ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

Listenarchiv

Re: [Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)


Chronologisch Thread 
  • From: Thomas <Thomas AT hansealligator.de>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)
  • Date: Tue, 20 Mar 2012 19:43:52 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Am 20.03.2012 12:08, schrieb Stephan Verbücheln:
Bitte hört auf, jede Behauptung des Bioladen eures Vertrauens kritiklos
zu übernehmen, solange ihr keinen Beleg dafür findet. Die AG hier soll
sachlich mit Themen umgehen, damit die Piratenpartei sich dazu
positionieren kann.

Um dies zu erreichen, muss man sich kritisch mit Behauptungen aller Art
auseinander setzen. Das gilt für Bioland und Demeter genauso wie für
Wiesenhof und Monsanto.


Die Bio-Lobby versucht gezielt, das Image zu verbreiten, dass der
Bio-Bauer der alte Kleinbauer von früher ist, während konventionelle
Landwirtschaft mit Großkonzernen und auf bäuerlicher Ebene höchstens mit
Abhängigkeit gleichzusetzen ist.

Wenn man sich die Zahlen anguckt, sieht man schnell, dass hier was nicht
stimmen kann.

<https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Landwirtschaftszaehlung2010/Tabellen/4_1_LandwirtschaftlicheBetriebeOekologischerLandbauend.html?nn=50902>

Wenn man sich ausrechnet, wie der Unterschied tatsächlich aussieht,
kommt man darauf, dass Bio-Betriebe im Schnitt 8,4 % größer sind.



Deutschland 8.4%
Mecklenburg-Vorpommern -41.5%
Sachsen-Anhalt -41.0%
Brandenburg -14.9%
Thüringen -8.8%
Sachsen -32.9%
Schleswig-Holstein 1.7%
Niedersachen 15.5%
Saarland 41.7%
Hessen 5.6%
Nordrhein-Westfalen -2.3%
Rheinland-Pfalz 38.1%
Bayern 8.2%
Baden-Württemberg 15.6%

Es fällt aber noch was anderes auf: In allen alten Ländern außer NRW
sind Bio-Betriebe größer, während sie in allen neuen Ländern kleiner sind.

Wer sich ein bisschen auf dem Gebiet auskennt, weiß, woran das liegt: In
der DDR wurde die bäuerliche Landwirtschaft zu großen Teilen enteignet
und als sozialistische LPGs organisiert. Nach der Wende wurden diese
LPGs zwar wieder privat, aber die regionalen Unterschiede bleiben enorm.

Hektar pro Betrieb (konventionell und Bio) nach Ländern:

Deutschland 55.8
Mecklenburg-Vorpommern 287.8
Sachsen-Anhalt 278.7
Brandenburg 236.9
Thüringen 212.6
Sachsen 144.9
Schleswig-Holstein 70.6
Niedersachen 61.5
Saarland 60.0
Hessen 43.2
Nordrhein-Westfalen 41.0
Rheinland-Pfalz 34.3
Bayern 32.1
Baden-Württemberg 31.7
Stadtstaaten 25.0



Aber es bringt natürlich eine viel bessere Schlagzeilen, wenn Medien und
Bio-Lobby weiterhin behaupten, die heutige EU-Politik und der
Kapitalismus würde die bäuerliche Landwirtschaft zerstören, statt
einfach festzustellen, dass das kein Ergebnis der Marktwirtschaft
sondern ein Erbe der sozialistischen Planwirtschaft ist.


Man kann das auch mit anderen Daten abgleichen, zum Beispiel Milchkühe.
(In dem Gebiet kenne ich mich etwas aus, da ich auf einem Milchhof
aufgewachsen bin.)



Höfe Kühe m.W. K/Hof % m. W.
------in Tausend------

Insgesamt 90.2 4199.9 1756.5 46.6 41.8%

nach Ländern
Stadtstaaten 0.1 4.8 4 48 83.3%
Nordrhein-Westfalen 8.3 389.2 322.2 46.9 82.8%
Schleswig-Holstein 5 370.4 285.8 74.1 77.2%
Niedersachsen 13.4 782.2 536.8 58.4 68.6%
Saarland 0.3 14.3 9.6 47.7 67.1%
Rheinland-Pfalz 2.5 117.3 72.6 46.9 61.9%
Hessen 4 154.6 74.2 38.7 48.0%
Mecklenburg-Vorpommern 0.8 172.4 59.3 215.5 34.4%
Baden-Württemberg 11.1 358.2 101.9 32.3 28.4%
Sachsen-Anhalt 0.6 123.7 21.6 206.2 17.5%
Bayern 41.7 1253.8 202.4 30.1 16.1%
Brandenburg 0.7 160.9 24.2 229.9 15.0%
Sachsen 1.1 186.8 27.3 169.8 14.6%
Thüringen 0.6 111.5 14.7 185.8 13.2%

("m.W." bedeutet "mit Weidegang")


Auch hier sind die regionalen Unterschiede enorm. Die neuen Länder haben
im Schnitt 200 Kühe pro Bauernhof, während es in den alten Ländern 40 sind.
Will man bei 40 Kühen wirklich schon von industrieller Massentierhaltung
sprechen? Natürlich gibt es auch große Höfe mit hunderten Kühen im
Westen, aber um so einen Durchschnitt zu erreichen, müssen diese
wirklich selten sein.

Was den Weidegang angeht, stimmt das allgemeine Image jedoch teilweise.
Nur noch 41,8 % der Kühe grasen auf einer Weide. Doch auch hier gibt es
bemerkenswertes. Dass der Weidegang in den neuen Ländern am niedrigsten
ist, sollte nach den vorigen Zahlen niemanden überraschen.
Im Westen ergibt sich jedoch ein erstaunliches Bild: Ausgerechnet Bayern
und BaWü -- die Länder, die das Image der Almwiesen groß vor sich
hertragen, haben am wenigsten Weidegang. In Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und NRW -- die in den Medien als Region der industriellen
Landwirtschaft dargestellt werden -- ist hingegen der Weidegang am höchsten.
Auch sind im Westen ausgerechnet die Länder mit den kleinsten
Betriebsgrößen diejenigen, die ihre Kühe am wenigsten auf die Weide lassen.



Ich hoffe, diese Mail regt den ein oder anderen mal dazu an, verbreitete
Vorurteile zu überdenken.


Gruß,
Stephan

Hm, ich möchte Deine Zahlen keinesfalls anzweifeln. Aber ich komme noch nicht so ganz dahinter, was Du damit sagen möchtest.
Ist die Hofgröße eine Wertigkeit, die mehr über gut oder schlecht aussagt, als die Art der Bewirtschaftung?
Oder ist nur ein kleiner Biohof gut? Oder bist Du einfach ein Gegner von Biolandwirtschaft? Das erschließt sich nicht.

Bezüglich der Zahlen der Milchkühe pro Hof: Sind das Argumente pro oder contra Bio oder für große oder kleine Höfe, oder für/gegen weidegang, unabhängig von der Bewirtschaftungsart? Ich kann in den von Dir angeführten Zahlen nicht erkennen, ob die Kühe auf Biohöfen mehr Weidegang haben als auf konventionellen Höfen. Was ist aus den Zahlen abzuleiten?

Dein Argument, daß der DDR-Sozialismus für die kleineren Höfe im Osten verantwortlich ist, will ich gelten lassen. Deine Argumentation haut aber nicht mehr hin, wenn Du den DDR-Sozialismus ebenfalls Schuld an der industriellen Landwirtschaft im Westen gibst, und die EU-Subventionen dagegen aus der Verantwortung nimmst - das ist doch wohl deutlich zu kurz gesprungen.

Geht es Dir also nur darum, das Vorurteil, in der Biolandwirtschaft herrsche heile Welt, zu entlarven? Nun, ich denke, daß es das auch dort nicht gibt, ebensowenig wie die heile Welt aus der CMA-Werbung, der Waschmittel-, Zigaretten - und sonstiger Werbung, dürfte doch eigentlich offensichtlich sein.

Belegbar ist, und zwar so umfangreich, daß ich nicht denke, hier Links dazu zu liefern zu müssen, doch -nur als ein kleiner Ausschnitt - Folgendes:
Allein aufgrund des Einsatzes von Stickstoffdünger tragen die konventionellen Bauern in erheblichen Maße zur Klimakatastrophe bei, die Quellen liegen so bei 10-20% der weltweit entstehenden klimaschädlichen Gase nur durch die konventionelle Landwirtschaft.. Die Biobauern hingegen binden in der Humusschicht auf ihren Feldern CO². Durch diese Schicht wird auch der Bodenerosion vorgebeugt. Auf Feldern in Ostdeutschland, die konventionell bewirtschaftet werden, liegt der Humusanteil lt. eines Artikels in der aktuellen NABU-Mitgliederzeitung bei unter zwei Prozent, und es sollen in Deutschland pro Ha Ackerfläche sieben Tonnen fruchtbarer Boden/Jahr verloren gehen.
Immer wieder wird den Biobauern ihre Verwendung von Kupferpräparaten vorgeworfen. Jedoch wird durch Auswahlzucht versucht, Pflanzen zu züchten, die gegen Pflanzenkrankheiten besser gewappnet sind. DAs dauert natürlich seine Zeit. Aktuell sind aber die ersten Biorebensorten im Anbau, die keine Kupferpräparate mehr benötigen. Der Einsatz von Pestiziden nimmt jedoch im konventionellen Bereich immer mehr zu, und die Auswirkungen z.B. auf die Insektenwelt ist ebenfalls belegt.

So ist also ein Biohof, egal wie groß er ist, für die Umwelt erheblich weniger belastend als ein konventioneller Betrieb.

Ist das nicht Argument genug?

Und deshalb war hinsichtlich der deutlichen Positionierung pro ökologischen Landbaus das SH-Wahlprogramm für mich der entscheidende Auslöser, in die Piratenpartei einzutreten.

Möchtest Du davon gern wieder zurück?

Grüße
thomas




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