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ag-landwirtschaft - [Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)

ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

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[Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)


Chronologisch Thread 
  • From: Stephan Verbücheln <erlenmayr AT gmail.com>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag-landwirtschaft] Bäuerliche Landwirtschaft (und Bio)
  • Date: Tue, 20 Mar 2012 12:08:09 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Bitte hört auf, jede Behauptung des Bioladen eures Vertrauens kritiklos
zu übernehmen, solange ihr keinen Beleg dafür findet. Die AG hier soll
sachlich mit Themen umgehen, damit die Piratenpartei sich dazu
positionieren kann.

Um dies zu erreichen, muss man sich kritisch mit Behauptungen aller Art
auseinander setzen. Das gilt für Bioland und Demeter genauso wie für
Wiesenhof und Monsanto.


Die Bio-Lobby versucht gezielt, das Image zu verbreiten, dass der
Bio-Bauer der alte Kleinbauer von früher ist, während konventionelle
Landwirtschaft mit Großkonzernen und auf bäuerlicher Ebene höchstens mit
Abhängigkeit gleichzusetzen ist.

Wenn man sich die Zahlen anguckt, sieht man schnell, dass hier was nicht
stimmen kann.

<https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Landwirtschaftszaehlung2010/Tabellen/4_1_LandwirtschaftlicheBetriebeOekologischerLandbauend.html?nn=50902>

Wenn man sich ausrechnet, wie der Unterschied tatsächlich aussieht,
kommt man darauf, dass Bio-Betriebe im Schnitt 8,4 % größer sind.



Deutschland 8.4%
Mecklenburg-Vorpommern -41.5%
Sachsen-Anhalt -41.0%
Brandenburg -14.9%
Thüringen -8.8%
Sachsen -32.9%
Schleswig-Holstein 1.7%
Niedersachen 15.5%
Saarland 41.7%
Hessen 5.6%
Nordrhein-Westfalen -2.3%
Rheinland-Pfalz 38.1%
Bayern 8.2%
Baden-Württemberg 15.6%

Es fällt aber noch was anderes auf: In allen alten Ländern außer NRW
sind Bio-Betriebe größer, während sie in allen neuen Ländern kleiner sind.

Wer sich ein bisschen auf dem Gebiet auskennt, weiß, woran das liegt: In
der DDR wurde die bäuerliche Landwirtschaft zu großen Teilen enteignet
und als sozialistische LPGs organisiert. Nach der Wende wurden diese
LPGs zwar wieder privat, aber die regionalen Unterschiede bleiben enorm.

Hektar pro Betrieb (konventionell und Bio) nach Ländern:

Deutschland 55.8
Mecklenburg-Vorpommern 287.8
Sachsen-Anhalt 278.7
Brandenburg 236.9
Thüringen 212.6
Sachsen 144.9
Schleswig-Holstein 70.6
Niedersachen 61.5
Saarland 60.0
Hessen 43.2
Nordrhein-Westfalen 41.0
Rheinland-Pfalz 34.3
Bayern 32.1
Baden-Württemberg 31.7
Stadtstaaten 25.0



Aber es bringt natürlich eine viel bessere Schlagzeilen, wenn Medien und
Bio-Lobby weiterhin behaupten, die heutige EU-Politik und der
Kapitalismus würde die bäuerliche Landwirtschaft zerstören, statt
einfach festzustellen, dass das kein Ergebnis der Marktwirtschaft
sondern ein Erbe der sozialistischen Planwirtschaft ist.


Man kann das auch mit anderen Daten abgleichen, zum Beispiel Milchkühe.
(In dem Gebiet kenne ich mich etwas aus, da ich auf einem Milchhof
aufgewachsen bin.)



Höfe Kühe m.W. K/Hof % m. W.
------in Tausend------

Insgesamt 90.2 4199.9 1756.5 46.6 41.8%

nach Ländern
Stadtstaaten 0.1 4.8 4 48 83.3%
Nordrhein-Westfalen 8.3 389.2 322.2 46.9 82.8%
Schleswig-Holstein 5 370.4 285.8 74.1 77.2%
Niedersachsen 13.4 782.2 536.8 58.4 68.6%
Saarland 0.3 14.3 9.6 47.7 67.1%
Rheinland-Pfalz 2.5 117.3 72.6 46.9 61.9%
Hessen 4 154.6 74.2 38.7 48.0%
Mecklenburg-Vorpommern 0.8 172.4 59.3 215.5 34.4%
Baden-Württemberg 11.1 358.2 101.9 32.3 28.4%
Sachsen-Anhalt 0.6 123.7 21.6 206.2 17.5%
Bayern 41.7 1253.8 202.4 30.1 16.1%
Brandenburg 0.7 160.9 24.2 229.9 15.0%
Sachsen 1.1 186.8 27.3 169.8 14.6%
Thüringen 0.6 111.5 14.7 185.8 13.2%

("m.W." bedeutet "mit Weidegang")


Auch hier sind die regionalen Unterschiede enorm. Die neuen Länder haben
im Schnitt 200 Kühe pro Bauernhof, während es in den alten Ländern 40 sind.
Will man bei 40 Kühen wirklich schon von industrieller Massentierhaltung
sprechen? Natürlich gibt es auch große Höfe mit hunderten Kühen im
Westen, aber um so einen Durchschnitt zu erreichen, müssen diese
wirklich selten sein.

Was den Weidegang angeht, stimmt das allgemeine Image jedoch teilweise.
Nur noch 41,8 % der Kühe grasen auf einer Weide. Doch auch hier gibt es
bemerkenswertes. Dass der Weidegang in den neuen Ländern am niedrigsten
ist, sollte nach den vorigen Zahlen niemanden überraschen.
Im Westen ergibt sich jedoch ein erstaunliches Bild: Ausgerechnet Bayern
und BaWü -- die Länder, die das Image der Almwiesen groß vor sich
hertragen, haben am wenigsten Weidegang. In Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und NRW -- die in den Medien als Region der industriellen
Landwirtschaft dargestellt werden -- ist hingegen der Weidegang am höchsten.
Auch sind im Westen ausgerechnet die Länder mit den kleinsten
Betriebsgrößen diejenigen, die ihre Kühe am wenigsten auf die Weide lassen.



Ich hoffe, diese Mail regt den ein oder anderen mal dazu an, verbreitete
Vorurteile zu überdenken.


Gruß,
Stephan




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