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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <comte_de_tenebres AT arcor.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe
  • Date: Sat, 29 Nov 2014 12:20:49 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

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Moin Jürgen,

so, ich hab jetzt alles gelesen und erlaube mir Kommentare als Denk-
bzw. Diskussionsanreize:

Am 28.11.2014 um 18:18 schrieb JürgenJu:


> Die Piratenpartei setzt sich für ein zweigleisiges System der
> Sterbehilfe ein: eine Indikationslösung über Ärzte bei tödlich
> verlaufender Krankheit und ein freie Lösung über Notare.
>
> Bei der Indikationslösung stellen mindestens zwei Ärzte unabhängig
> von einander fest, dass eine tödlich verlaufenden Krankheit
> vorliegt und dass eine psychischen Erkrankung, die den freien
> Willen beeinträchtigt, nicht vorliegt. Bei schriftlich geäußertem
> Wunsch des Patienten ist dann eine ärztliche Assistenz zur
> Sterbehilfe ohne weitere Formalitäten gestattet.

Dazu habe ich bereits meine Meinung kundgetan.

>
> Bei der freien Lösung über einen Notar lässt sein Mandant seinen
> Wunsch beurkunden. Ein Psychiater schließt aus, dass eine den
> freien Willen einschränkende psychiatrische Erkrankung vorliegt.
> Analog dem Vorgehen beim Schwangerschaftsabbruch erfolgt eine
> Sozialberatung. Erscheint der Mandant nach einer Karenzzeit von 6
> Wochen wieder beim Notar und bestätigt seinen Wunsch, muss er eine
> Person seines Vertrauens für die Hilfe bei seinem Freitod
> vorschlagen. Diese Person, das kann ein Pastor, Arzt, Angehöriger
> eines Sterbehilfevereines oder sonstiger Laie sein, muss gegenüber
> dem Notar glaubhaft machen können, dass sie im Sinne des Mandanten
> handeln kann, dafür kein Geld nimmt und über den Verbleib des
> Mittels Rechenschaft legen wird. Diese Person erhält dann ein
> notarielles Dokument mit dem sie in der Apotheke das Mittel für
> den Freitod des Mandanten erhält.

Das kann man zwar fordern, dürfte aber kaum mehrheitsfähig sein. Man
stelle sich den Druck vor, den man da den Angehörigen in den Wochen
vor der geplanten "Hinrichtung" zumutet. Und für wen soll es diese
Lösung geben? Ich denke, wer - ohne erkrankt zu sein - aus welchen
Gründen auch immer derart verzweifelt ist, dass er lieber sterben als
leben möchte, macht nicht einen Termin beim Notar aus und sucht diesen
nach 6 Wochen nochmals auf... er wirft sich vor einen Zug oder springt
vom Dach.


> *Begründung*:
>
> ....Es kann hier also nur darum gehen, wie - und nicht ob - der
> Staat dem Bürger die freie Selbstbestimmung am Lebensende
> ermöglicht.

Volle Zustimmung!


> Nun zum Inhalt: ...
>
> Wenn es dann aber doch zum assistierten Suizid kommt, will die
> Politik als Problemlöser die Ärzte.

Es geht im Krankheitsfalle nicht ohne Ärzte. Es muss ja eine
unheilbare, unausweichlich zeitnah tödliche Erkrankung diagnostiziert
werden und i.a.R. findet für die Betroffenen palliative Betreuung in
Kliniken oder Hospizen statt.

>
> Diese wollen aber nicht so wie die Mehrheit der Abgeordneten. Die
> Ärztekammern bedrohen teilweise ihre Mitglieder mit
> standesrechtlichen Verfahren, sollten sie sich an einem
> assistierten Suizid beteiligen. Und dabei können sie großes
> Geschütz auffahren, denn Hippokrates hat in seinem Eid ausgerechnet
> dieses eingefügt: "/Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift
> geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch
> niemanden dabei beraten." /

...was der Ärztlichen Berufsordnung (zumindest in BaWü) widerspricht!!
Da mag Hippokrates gesagt haben, was immer er möchte.
Im Medizinforum habe ich dazu entsprechende Passagen zitiert und
kommentiert.
Es sei hier an dieser Stelle nur §16 erwähnt, wo es explizit heißt:

"Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und
unter Achtung ihres Willens beizustehen."


> Und entsprechend haben sich die Ärzte überwiegend immer schon gegen
> den assistierten Suizid ausgesprochen und in offiziellen Regeln der
> Kammern auf Bundes- und Landesebene festgelegt. Schönes Beiwerk des
> Föderalismus ist, dass sich die Ärzte in einigen Bundesländern am
> assistierten Suizid nicht beteiligen sollen, in anderen nicht
> beteiligen dürfen - ein wichtiger Unterschied, der darüber
> entscheiden kann, ob ein Arzt in den Strudel der
> Standesgerichtsbarkeit gerät oder nicht. Das zu ändern ist nicht
> leicht. Der Gesetzgeber kann Ärzte zwar vor Strafverfolgung aber
> nicht vor der Standesgerichtsbarkeit schützen, wenn er nicht das
> Grundgesetz gleich ändert. Straffrei ist die Sache aber ohnehin.

Meine persönliche Ansicht dazu: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Ich will die berufs- und standesrechtliche Verantwortung nicht
kleinreden (bei uns Optikern gibt es ähnliches), aber ich arbeite mit
einem Arzt zusammen, der trotz Verbot unentgeltlich in D behandelt, es
gibt Ärzte, die Medikamente off-label verwenden und verschreiben und
es gibt Ärzte, die verbotswidrig für ihre Dienste in Zeitungen werben
u.v.m.


Sie werden nämlich darauf trainiert, nur Dinge zu tun,
> die sie auch für richtig halten, kurz, wofür sie eine Indikation
> sehen. Indikation bedeutet aber nicht freier Patientenwille sondern
> objektive nachprüfbare und nachvollziehbare Tatsachen. Allein
> Schönheitschirurgen sind hier wohl eine Ausnahme. Obwohl sie von
> ihrer Einstellung zum Patientenwillen wohl noch die geeignetste
> Ärztegruppe sind, scheiden sie aus anderen Gründen aus.

Das sind nicht nur Schönheitschirurgen. Lifestyle-Korrekturen wie
LASIK-Manipulationen am Auge oder Brustamputationen, Entfernungen der
Tonsilien usw. ohne akute Notwendigkeit muss man da auch hinzuzählen.

>
> Will man aber die Selbstbestimmung den Menschen auch am Lebensende
> ermöglichen, sollte man daher tunlichst die Ärzte aus dem Spiel
> lassen.

Und das halte ich für unmöglich, da sich das nahe Lebensende aufgrund
unheilbarer Erkrankung i.a.R. in Kliniken abspielt. Die Verabreichung
von Opioiden wird man kaum Laien überlassen können und wollen.

>
> Wir haben neben den Ärzten noch einen anderen Beruf, dem es an
> Ansehen und sogar staatlicher Aufsicht sowie
> Verschwiegenheitspflicht nicht mangelt. Notare beglaubigen die
> wirklich wichtigen Dinge des Lebens und wer wollte zweifeln, dass
> ein Freitod in diese Kategorie gehört. Notare sind gewohnt zu
> überprüfen, ob ein von ihnen beurkundeter Vertrag den freien Willen
> des Mandanten ausdrückt. Aber sie sind eben auf der anderen Seite
> auch gewohnt, diesen Willen zu akzeptieren. Warum sollte beim
> assistierten Suizid nicht ein Notar Herr des Verfahrens sein wie
> bei einem Hauskauf. So wichtig wie ein Hauskauf ist der Freitod
> allemal.

Da kann man nur hoffen, dass die Notare sich nicht ebenso hinter
berufsrechtlichen Vorschriften verstecken dürfen!


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