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ag-gesundheitswesen - [AG-Gesundheit] Sterbehilfe

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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[AG-Gesundheit] Sterbehilfe


Chronologisch Thread 
  • From: JürgenJu <junghaenel-hannover AT gmx.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe
  • Date: Fri, 28 Nov 2014 18:18:54 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ahoi,

obwohl das Thema ja keines der Gesundheit ist, vermute ich hier Piraten, die sich mit der Problematik auskennen. Der Bundestag hat die Diskussion um die Sterbehilfe aufgemacht in einer langen Aussprache am 13.11., in der die Mehrheit die Situation der Hilfesuchenden eher verschlechtern will.

Im Laufe des nächsten Jahres wird die Diskussion zu Ende geführt und sicher in ein Gesetz münden. Da meine ich, dass eine liberale Partei dazu auch eine liberale Haltung vertreten sollte und habe vor diesen Antrag in das BEO-Verfahren einzuspeisen, wenn ich noch 5 Unterstützer finde, die verifiziert und stimmberechtigt sein müssen.

Antrag an den Basisentscheid-Online als Positionspapier


Titel: Freie Selbstbestimmung auch am Lebensende


Vorsatz:


Die Partei sollte in der laufenden Diskussion einen Standpunkt vertreten können, der neue Wege aufzeigt, und darstellt, dass Liberalität nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben gilt. Es kann nur darum gehen wie - und nicht ob - der Staat dem Bürger die freie Selbstbestimmung am Lebensende ermöglicht.


Antragstext:


Die Piratenpartei setzt sich für ein zweigleisiges System der Sterbehilfe ein: eine Indikationslösung über Ärzte bei tödlich verlaufender Krankheit und ein freie Lösung über Notare.

Bei der Indikationslösung stellen mindestens zwei Ärzte unabhängig von einander fest, dass eine tödlich verlaufenden Krankheit vorliegt und dass eine psychischen Erkrankung, die den freien Willen beeinträchtigt, nicht vorliegt. Bei schriftlich geäußertem Wunsch des Patienten ist dann eine ärztliche Assistenz zur Sterbehilfe ohne weitere Formalitäten gestattet.

Bei der freien Lösung über einen Notar lässt sein Mandant seinen Wunsch beurkunden. Ein Psychiater schließt aus, dass eine den freien Willen einschränkende psychiatrische Erkrankung vorliegt. Analog dem Vorgehen beim Schwangerschaftsabbruch erfolgt eine Sozialberatung. Erscheint der Mandant nach einer Karenzzeit von 6 Wochen wieder beim Notar und bestätigt seinen Wunsch, muss er eine Person seines Vertrauens für die Hilfe bei seinem Freitod vorschlagen. Diese Person, das kann ein Pastor, Arzt, Angehöriger eines Sterbehilfevereines oder sonstiger Laie sein, muss gegenüber dem Notar glaubhaft machen können, dass sie im Sinne des Mandanten handeln kann, dafür kein Geld nimmt und über den Verbleib des Mittels Rechenschaft legen wird. Diese Person erhält dann ein notarielles Dokument mit dem sie in der Apotheke das Mittel für den Freitod des Mandanten erhält.


Begründung:

In der aktuellen politischen Diskussion spielt das Thema der Sterbehilfe wieder eine größere Rolle. Es ist zu erwarten, dass innerhalb dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Regelung dazu gefasst wird, die die gegenwärtige Situation eher stärker einschränkt, als Sterbehilfe erleichtert. Die Partei sollte daher einen Standpunkt vertreten können, der einerseits neue Wege aufzeigt, andererseits auch darstellt, dass das Streben nach Liberalität nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben gilt. Es kann hier also nur darum gehen, wie - und nicht ob - der Staat dem Bürger die freie Selbstbestimmung am Lebensende ermöglicht.

Nun zum Inhalt:

Als der Bundestag am 13.11.2014 über die Sterbehilfe diskutierte, waren die Ähnlichkeiten zu den Debatten um den Schwangerschaftsabbruch der 70ger Jahre unverkennbar. “Indikationslösung”, “Fristenlösung” oder “überhaupt nicht” waren damals die Möglichkeiten.
Angetrieben wurde die damalige Diskussion auch oder gerade von einem Schwangerschaftsabbruchstourismus besonders in die Niederlande. Frauen entzogen sich einfach einem Rechtsraum, der nach ihrer Ansicht von überkommenen moralischen Normen bestimmt war.
Und jetzt: wieder fahren Leute aus Deutschland weg diesmal in die Schweiz, um dort ein tödliches Mittel zu bekommen, ohne dass jemand fragt, warum sie es haben wollen. Und das, obwohl sowohl der Suizid als auch und auch die Hilfe dazu in Deutschland straffrei sind. Aber solche Hilfe, die im wesentlichen im Beschaffen des richtigen todbringenden Stoffes besteht, braucht natürlich Kompetenz und Erfahrung. Dafür haben sich Sterbehilfevereine gegründet, die das Geschäft teilweise mit Gebühren betreiben. Das stinkt den Politikern um Peter Hintze. Sterbehilfevereine sollen verboten werden.
Bei der Diskussion un den Schwangerschaftsabbruch wurde der Ausbau jeglicher Hilfen wurde als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch gepriesen. Jetzt wird von der Mehrheit der Ausbau der Palliativmedizin beschworen. Das war und ist richtig. Aber solche Hilfen konnten damals für den Schwangerschaftsabbruch und können heute für den Freitod als Angebot aber nicht als verpflichtende Alternative gelten.

Wenn es dann aber doch zum assistierten Suizid kommt, will die Politik als Problemlöser die Ärzte.

Diese wollen aber nicht so wie die Mehrheit der Abgeordneten. Die Ärztekammern bedrohen teilweise ihre Mitglieder mit standesrechtlichen Verfahren, sollten sie sich an einem assistierten Suizid beteiligen. Und dabei können sie großes Geschütz auffahren, denn Hippokrates hat in seinem Eid ausgerechnet dieses eingefügt:
Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten.“
Und entsprechend haben sich die Ärzte überwiegend immer schon gegen den assistierten Suizid ausgesprochen und in offiziellen Regeln der Kammern auf Bundes- und Landesebene festgelegt. Schönes Beiwerk des Föderalismus ist, dass sich die Ärzte in einigen Bundesländern am assistierten Suizid nicht beteiligen sollen, in anderen nicht beteiligen dürfen - ein wichtiger Unterschied, der darüber entscheiden kann, ob ein Arzt in den Strudel der Standesgerichtsbarkeit gerät oder nicht. Das zu ändern ist nicht leicht. Der Gesetzgeber kann Ärzte zwar vor Strafverfolgung aber nicht vor der Standesgerichtsbarkeit schützen, wenn er nicht das Grundgesetz gleich ändert. Straffrei ist die Sache aber ohnehin.

 Aber selbst, wenn die Ärztekammern ihre Ansicht ändern würden, geeignet sind Ärzte für den assistierten Suizid nur im Falle einer zum Tode führenden  Krankheit. Hier muss eine rasch umsetzbare unbürokratische Lösung greifen, wobei die Ärzte  die richtigen Ansprechpartner sind. In diesem Fall bestehen auch berechtigte Hoffnungen, dass die Ärztekammern  ihre restriktiven Regeln lockern. Für alle anderen  Fälle sind Ärzte nicht geeignet. Sie werden nämlich darauf trainiert, nur Dinge zu tun, die sie auch für richtig halten, kurz, wofür sie eine Indikation sehen.
Indikation bedeutet aber nicht freier Patientenwille sondern objektive nachprüfbare und nachvollziehbare Tatsachen. Allein Schönheitschirurgen sind hier wohl eine Ausnahme. Obwohl sie von ihrer Einstellung zum Patientenwillen wohl noch die geeignetste Ärztegruppe sind, scheiden sie aus anderen Gründen aus.

Will man aber die Selbstbestimmung den Menschen auch am Lebensende ermöglichen, sollte man daher tunlichst die Ärzte aus dem Spiel lassen. Der Suizid ist straffrei auch ohne Indikation. Hat sich die öffentliche oder veröffentliche Meinung über den Freitod von Prominenten wie Gunter Sachs mokiert? Nein, eine Angst, an Alzheimer zu erkranken, wird als hinreichende Erklärung für diesen Akt der Selbstbestimmung akzeptiert und teilweise sogar bewundert. Und solange das so ist, werden Leute in die Schweiz fahren, wo sie sich vor niemanden rechtfertigen müssen und sie Kompetenz und Erfahrung vorfinden.

Wir haben neben den Ärzten noch einen anderen Beruf, dem es an Ansehen und sogar staatlicher Aufsicht sowie Verschwiegenheitspflicht nicht mangelt. Notare beglaubigen die wirklich wichtigen Dinge des Lebens und wer wollte zweifeln, dass ein Freitod in diese Kategorie gehört. Notare sind gewohnt zu überprüfen, ob ein von ihnen beurkundeter Vertrag den freien Willen des Mandanten ausdrückt. Aber sie sind eben auf der anderen Seite auch gewohnt, diesen Willen zu akzeptieren. Warum sollte beim assistierten Suizid nicht ein Notar Herr des Verfahrens sein wie bei einem Hauskauf. So wichtig wie ein Hauskauf ist der Freitod allemal.





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