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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Zu viele OPs?

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Zu viele OPs?


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Zu viele OPs?
  • Date: Fri, 04 Apr 2014 04:25:22 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Reinhard,

danke für Deine Gedanken hier im Forum! Ich will kurz antworten:

Reisch schrieb:
Schönen guten Tag allerseits,
es tut mir leid, Syna, aber dein Beitrag besteht für mich aus reinen Schubladen:
Der böse ökonomisch denkende Geschäftsführer und der gute, dem Patienten verpflichtete Arzt.

Ich war in beiden Welten tätig und so schwarz-weiß ist es nicht!
Einerseits geht es in der Gesundheitspolitik darum, begrenzte Ressourcen zu verteilen. Deshalb ist es weder auf der makroökonomischen Ebene noch auf der mikroökonomischen Ebene beispielsweise der Krankenhäuser verwerflich, wirtschaftlich zu denken. Denn bei begrenzten Ressourcen, die es nun mal unabhängig von der Höhe der Beiträge oder der Finanzierung zwingend gibt, dient das ökonomische Denken dem Erhalt des Systems! Und es gibt auch nicht nur die bösen privaten Klinikketten.

Oh, da fühle ich mich mißverstanden. Kommt mein Beitrag wirklich so
"schubladenartig" 'rüber?

Natürlich ist das betriebswirtschaftliche Denken der Unternehmensführung
oder des kaufmännischen Direktors essenziell wichtig! Eine wirtschaftliche
Führung eines Krankenhauses ist im Sinne der Gesellschaft, damit Kosten im
Gesundheitssystem nicht aus dem Ruder laufen. Auch müssen - wie in allen
Bereichen der Wirtschaft sonst auch - Rationalisierungspotenziale gehoben
werden, ganz klar.

Und ja: Nicht nur die privaten Krankenhäuser sehen sich ökonomischen
Zwängen gegenüber, auch die städtischen Kliniken stehen unter großem
Druck, wenn sie ihre Schließung verhindern wollen .... und ja: Das ist im Sinne
einer Kosteneffizienz leider auch notwendig.

Reisch schrieb:
Das Problem der privaten Krankenhausträger ist nicht das wirtschaftliche Denken, ...

Da stimme ich voll überein - siehe oben.

Reisch schrieb:
sondern dass sie für das Gesundheitssystem über Zwangsabgaben der Versicherten aufgebrachte Finanzmittel dem System als Rendite entziehen. Diese Renditen kommen nicht mehr den Patienten zu Gute.

Mmmh. Das habe ich jetzt nicht verstanden. Natürlich entzieht das
Gesundheitssystem insgesamt finanzielle Mittel, denn es muss irgendwie
finanziert werden. Diese finanziellen Mittel können dann nicht mehr
anderweitig renditebringend investiert werden. Dieser Zusammenhang ist aber
eher trivial, es sei denn, Du meinst noch etwas anderes?

Reisch schrieb:
Und die Ärzte sind selbst oft genug die treibende Kraft hinter den wirtschaftlichen Überlegungen und zwar nicht nur, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Ärzte lassen sich leider nicht selten sehr leicht mindestens funktionalisieren, oft genug auch korrumpieren. Dafür gibt es ausreichend Beispiele und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern in der gesamten Geschichte auch in sehr viel tragischeren Zusammenhängen.

Die Frage der Anreize eines Vergütungsstems ist hoch komplex und lässt sich leider nicht einfach durch schwarze und weiße Schafe erklären, denn auch die weißen Schafe laufen zum Trog, wenn es Futter gibt.

Also grundsätzlich:

Es geht mir *nicht *darum, irgendjemandem, weder den Ärzten noch der kaufmännischen
Leitung, den Schwarzen Peter zuzuschieben oder womöglich als "schuldig" zu
branntmarken. Beide Gruppen verfolgen "ihre" Ziele - und das sollen sie auch tun.

Es handelt sich bei unserem Problem - siehe das Video oben - um ein
/strukturelles/ Problem: Es werden zuviele OPs durchgeführt. OPs, die nicht aus
medizinischer Sicht dem Patienten zuträglich sind, sondern die vor allem die
Bilanz des Krankenhauses verbessern helfen. Nicht irgendeine Gruppe - Ärzte
oder Betriebswirte - hat "schuld".

Stattdessen handelt es sich um ein /strukturelles /Problem: Die kaufmännische
Leitung greift mit subtilem und nichtsubtilem Druck durch bis auf die Ebene
medizinischer Entscheidungen. Das liegt in der Struktur der Hierarchie
begründet: Alles, was die kaufmännische Leitung darf, das tut sie auch. Wenn
wir uns diese Hierarchiestruktur ansehen, sehen wir eigentlich, wo korrigiert
werden muss.

Mein Vorschlag einer Lösung ist noch nicht zu Ende gedacht, aber der Ansatz
müsste sein: Wir müssen die Einflussnahmen der kaufmännischen Leitung auf
die Ärzteschaft unterbinden. D.h. die kaufmännische Leitung soll alle ihre Ziele
verfolgen, wenn möglich sogar ein positives Ergebnis erzielen, allerdings ohne
Einfluss auf medizinische Entscheidungen zu nehmen.

Wir brauchen an dieser Stelle offenbar eine Trennung. Ähnlich wie im
Aktienhandel, wo ja auch Einflussnahmen von "Insidern" verboten sind.
Genauso dürfen Einflussnahmen auf die medizinische Ebene nicht erlaubt sein.

Die Frage ist natürlich: Wie macht man das konkret? Wenn Du in "beide
Welten" Einblick hast, dann könntest Du doch am besten sagen, wie so eine
Lösung aussehen müsste?




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