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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Zugang zum Medizinstudium

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Zugang zum Medizinstudium


Chronologisch Thread 
  • From: "Ch. B." <christian AT brodowski.info>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Zugang zum Medizinstudium
  • Date: Fri, 13 Apr 2012 21:24:30 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>



Am 13.04.12 16:42, schrieb Michaela Becker:

Ich fordere:

*- Aufhebung der Zulassungsbeschränkung und Erhöhung der
Studienplatzzahl in der Humanmedizin.*
Dagegen, Siehe unten und im Pad.

Es kann nicht sein, dass 12 Jahre Ausbildung im Idealfall bis zum
Facharzt notwendig sind. 6 Jahre und drei Monate Studium und noch einmal
6 Jahre Facharztausbildung hinten dran, wenn nichts wie z.B. ein Kind
„dazwischen“ kommt oder Arbeitgeberwechsel. Der Ärztemangel ist
selbstgemacht!
Die Ausbildungsdauer ist auch nicht das Problem, die Leute gehen danach nur einfach nicht in die kurative Medizin.
"Arzt light" will keiner! Deshalb sind auch Initiativen wie der Bologna-Prozess (Bachelor/Master) und das verkürzte Studium für zukünftige Landärzte bisher abgeprallt. Zum Glück wie ich meine. Die Inhalte des Studiums, die Prüfungsformen und auch viele Lehrende sind aber durchaus Reformbedürftig.

Zur Verbesserung der ärztlichen Ausbildung fordere ich grundsätzlich:

*- Neue Weiterbildungsordnungen für Ärzte, welcher Konzeption auch
immer. Diese müssen realistisch und realisierbar sein.
Die Weiterbildungsordnungen werden regelmäßig aktualisiert und sind (zumindest dort wo ich es einschätzen kann) gar nicht so schlecht.
Wenn wir sie an die Realität anpassen würden müssten wir 3/4 der Inhalte durch Hilfstätigkeiten und Gehorsamsdienste ersetzen.
Anders gesagt: Nicht die Verordnungen sind das Problem sondern die Realität!

Die Ärztekammern
haben dies sicherzustellen.*
Zuständig sind (zum Glück) nicht die Ärztekammern sondern die Universitäten bzw. die Bildungsministerien der Länder.

*- Die reale Dauer der Weiterbildung zum Facharzt muss von
durchschnittlich 6 auf 3 Jahre gekürzt werden. Nicht die Dauer ist hier
das bestimmende Maß, sondern*
*die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Viel kürzer als 6 Jahre geht es meiner Erfahrung nach nicht. Die nötige Erfahrung bekommt man erst durch eine bestimmte Anzahl Patienten. Der erste "Klick" kommt nach ca. 1000 Pat., dann kann man grob einschätzen welche Krank sind und welche nicht. Bei Internisten und Anästhesisten sind das 1,5 Jahre Vollzeitarbeit, früher war man so lange Arzt im Praktikum. Nach weniger als 6 Jahren bzw. fast 5000 Patienten hätte ich die volle alleinige Verantwortung noch nicht übernehmen wollen.


Was das im Detail für die Weiterbildung von Medizinern bedeutet hat Dr.
med. Oliver J. Muensterer in dem Artikel „Facharztweiterbildung: Vorbild
Amerika“, der im deutschen Ärzteblatte veröffentlicht wurde, sinnvoll
zusammengetragen. Leider sind diese Forderungen völlig untergegangen.
Ja, schade, da stimme ich Dir zu.

- die klare Teilung der Assistenzzeit in eine Basisweiterbildung, eine
Subspezialisierung und einen eventuellen Forschungsabschnitt;
wäre denkbar.

- die Verteilung der Weiterbildungsplätze nach objektiven,
nachvollziehbaren Kriterien;
Im Moment sind genügend Stellen da, es findet nur keine Weiterbildung statt.

- verbindliche Weiterbildungszeiten, deren Einhaltung in die
Verantwortung der Kliniken fällt;
Ein etwas schwierigerer Punkt. Zu Garantien siehe unten.
Die Klinik hat in der Regel wenig Interesse, einen Arzt länger im Weiterbildungsverhältnis zu halten als nötig. Der Gehaltsunterschied zum Facharzt ist nicht so hoch, die besseren Einsatzmöglichkeiten machen ihn anscheinend produktiver. Das bedeutet aber nicht dass man in ihn investiert sondern stellt ihm einfach die Bescheinigungen aus die er braucht.

- eine klare Ausbildungshierarchie, bei der die Assistenten Jahr für
Jahr unter Aufsicht mehr Verantwortung übernehmen;
Wäre schön, wenn es jemanden gäbe der die Zeit und die Hingabe hätte, so zu lehren. Wird aber der Klinik nicht vergütet, bleibt also Privatvergnügen des einzelnen Arztes.
Ansonsten geht es ab ins kalte Wasser, und zwar meist ohne Bademeister (bildlich gesprochen).

- Assistenzarztverträge, deren Laufzeiten der Weiterbildungszeit
entsprechen;
Bekommt man fast überall, evtl. sogar unbefristet.

- ein praxisbezogenes Ausbildungscurriculum mit regelmäßigen,
obligatorischen Fortbildungsveranstaltungen;

Weiterbildungsnachweise gibt es auf dem Papier auch jetzt schon, nennt sich "Logbuch", wird von den Ärztekammern heraus gegeben und von den Ärzten zur FA-Prüfung vorgelegt.
Die Verpflichtung zum Sammeln von Fortbildungspunkten gilt erst für Fachärzte, wäre aber auch kein wesentlicher Fortschritt, da sie leicht umgangen werden kann.

- in operativen Fächern die verbindliche Möglichkeit, ein vorgegebenes
Spektrum von Eingriffen unter kompetenter Anleitung durchzuführen;
Ist auch jetzt schon vorgeschrieben, zwischen Realität und Zeugnis klafft aber oft eine gigantische Lücke. Garantien über OPs lassen sich nicht treffen, weil man kaum steuern kann wie viele Patienten sich an was operieren lassen.

- keine ausbildungsfremde Arbeit, wie beispielsweise das Kodieren von
Diagnosen
Entbürokratisierung!
und Interventionen;
Genau die stehen aber oft im Leistungskatalog, den der Assistenzarzt zu erfüllen hat.

- jährliche fachspezifische Zwischenprüfungen zur Selbstkontrolle der
Assistenten und der Weiterbildungsprogramme sowie die
Jährliche Weiterbildungsgespräche sind mittlerweile verpflichtend, müssen auch dokumentiert und zur FA-Prüfung vorgelegt werden.

- regelmäßige gegenseitige Evaluation von Weiterbildern und
Weiterzubildenden.
Damit beginnen die Ärztekammern gerade, auch die zweite Evaluation zeigt aber methodische Mängel. Die ÄK wissen nicht einmal ansatzweise, wer sich wo in welcher Weiterbildung befindet.


Quelle: Facharztweiterbildung: Vorbild Amerika
Ich habe auch ein PJ-Tertial in den USA verbracht. Die Ausbildungs-Kultur ist dort eine ganz andere. Da sind wir hier Lichtjahre von entfernt. Habe zwar 80+x Stunden gearbeitet, aber in dieser Zeit war ständig jemand dabei, mir etwas bei zu bringen. Täglich mindestens 1h Fortbildung für alle Ärzte, Studenten und Interns (Ärzte im 1. Jahr) zusätzlich noch mindestens 1h Kleingruppenunterricht.
Habe noch nie in so kurzer Zeit so viel gelernt.
Die gesamte Leitung des Ausbildungskrankenhauses hat sich übrigens geschämt, wenn ein Absolvent von dort wo anders mal schlecht abschnitt.

Die andere Seite der Medaille: Die jungen Ärzte haben sich für die universitäre Ausbildung im 6-Stelligen Bereich verschulden müssen.

cbro
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