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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Vorstellung und Ideen

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Vorstellung und Ideen


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Christian Haffner" <christian AT drhaffner.com>
  • To: 'AG Gesundheit' <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Vorstellung und Ideen
  • Date: Sun, 08 Apr 2012 19:59:35 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Tobias,

Ich höre Deine emotionalen Angriffe jetzt einfach mal mit dem
Selbstoffenbahrungsohr, dass das mehr über Dich, Deine Innenwelt,
Glaubenssätze und Motivationen aussagt als über die Anderen hier auf der
Mailingliste der AG-Gesundheit.

Zu ein paar Sachpunkten möchte ich dennoch Stellung nehmen:

Wenn wir Probleme, wie den Hausärztemangel auf dem Land wirklich lösen
wollen, müssen wir hier die Realität nüchtern betrachten.
1) Ärzte, die mit dem etwa 7-jährigen Medizinstudium fertig sind, meist
noch promoviert haben, habe eine Spezialisierungsphase zu Fachärzten vor
sich, die in der Allgemeinmedizin in Vollzeit bei optimalen Bedingungen 5
Jahre dauert. Der Durchschnitt liegt in Deutschland bei 8 Jahren
Weiterbildung, was an organisatorischen Gründen liegt und an Frauen und
(weniger) Männern, die aus familiären Gründen ihre Spezialisierungszeit
("Weiterbildung") nur in Teilzeit absolvieren können. Bei 50% in Teilzeit
verdoppelt sich die Zeit bis zum Facharzt und dauert dann 10 Jahre.
Babypausen sind hier noch nicht eingerechnet.

2) Es gibt in der Allgemeinmedizin viele Quereinsteiger, d.h. Ärzte in
Weiterbildung anderer Fachgebiete und Fachärzte anderer Fachgebiete
schwenken auf die Allgemeinmedizin um.

Aus beiden Gründen sind Ärzte in der Weiterbildung Allgemeinmedizin, wie
auch die Fachärzte für Allgemeinmedizin im Schnitt in etwa 10 Jahre älter
als in zum Beispiel den Niederlanden oder Großbritannien. Im Alter von
über 30-40 haben die meisten naturgemäß schon Familie, Partner mit Jobs
vor Ort und Kinder, die in Kindergärten und Schulen gehen. Daher hinkt
Dein Vergleich mit jemandem, der nach der Schule egal welchen Zweigs eine
Ausbildung macht, da man hier etwa 18 bis vielleicht 25 Jahre alt ist.

Was die Bedarfsplanung der Kven angeht, so kannst Du davon ausgehen, dass
das Ärzten bekannt ist. Es funktioniert aber nicht, Ärzte einfach nach
Bedarfsplan umzuverteilen, weil sie glücklicherweise die Freiheit haben,
selbst zu entscheiden, welche Facharztrichtung sie einschlagen, ob sie
auswandern (, dann mit Sack und Pack an den Ort, der ihnen gefällt) oder
ob sie alternativ nicht vielleicht doch in einer Klinik vor Ort, wie zum
Beispiel einer Rehaklinik arbeiten. Wenn wir wirklich etwas bewegen
wollen, bleibt es uns nichts anderes übrig als mit den Betroffenen zu
sprechen. Ich finde es schade, dass Du mit Deinen Angriffen einen Dialog
leider eher verhinderst als förderst und würde mir hier eine sachlichere
und wertschätzende Ebene wünschen. Wenn Du an das bestehende System der
Kven, Kammern, Hochschulen glaubst und nicht bereit bist das ernsthaft zu
hinterfragen, frage ich mich, weshalb Du hier mitdiskutierst. Ich denke,
hier gibt es, wie bei anderen Beiträgen bereits angeklungen, eine Menge
Veränderungsbedarf. Allerdings ist die Geschichte voll von agents
provocateurs, die uns von der KV auch bei der Jungen Allgemeinmedizin
Deutschlands geschickt wurden - aus reinen machtpolitischen Gründen. Mich
würde das nicht wundern, wenn hier interessengesteuert auch versucht wird
über diesen Weg die Piraten zu schwächen, ohne hier etwas unterstellen zu
wollen.

Laßt uns zur Sachdiskussion zurückkehren, sonst finde ich die Zeit zu
schade, sich hier zu engagieren.

Viele Grüße und frohe Ostern!

Christian


Am 08.04.12 18:57 schrieb "Tobias Unbekannt" unter
<tobias.unbekannt AT piratenbrandenburg.de>:

>Es ist schön, wenn sich "Fachleute" über das Gesundheitswesen Gedanken
>machen.
>Je mehr ich allerdings hier lese, je mehr ich sehe, welche Themen
>überhaupt
>angesprochen werden, desto mehr wird mir klar, diese AG ist inhaltlich
>nicht mehr als ein Sammelbecken von Leuten, die sich profilieren möchten,
>die zeigen wollen, was sie alles können, welche Ideen sie haben und...
>was
>den eigenen Interessen dienlich ist.
>
>Wenn ich hier lese ... junge Hausärzte.... ortsgebunden....
>zeigt es einmal mehr, dass die geltenden Grundlagen nicht bekannt sind
>oder
>weitestgehend ignoriert werden. Jeder Mensch, der irgendwann einen Beruf
>erlernt hat, wird nicht genau die Firma vor seiner Haustür finden, bei
>der
>er sein Erlerntes einbringen kann. Gleiches gilt für Ärzte. Egal ob in
>eigener Praxis, ob als angestellter Arzt in Praxis oder MVZ oder als
>Krankenhausarzt, der Arbeitsplatz kommt selten nach Hause!
>Flexibilität wird in der heutigen Zeit von allen Erwerbstätigen verlangt.
>Nicht zuletzt gibt es auch sog. Bedarfsplanungen der KVen. Ich hoffe,
>diese
>sind in euren Kreisen bekannt.
>
>Z.B. über der Rettungsdienst, als ein Themengebiet, welches hier
>dieskutiert wird, heißt es zu wissen, dass die Organisation des
>Rettungsdienstes Ländersache ist. So lange dies so bleibt, kann jeder LV
>für sich kämpfen... Ziel sollte es sein, den Rettungsdienst beim Bund
>anzusiedeln.
>
>Glaubt mir, ich weiss von ich spreche. Neben einer technischen Ausbildung
>zum Dipl.chem. bin ich auch Versicherungskaufmann, habe eine medizinische
>Ausbildung, bin Netzwerkadmin., Berater für Brandschutz und
>Arbeitssicherheit und außerdem Leiter des Ärztlichen
>Bereitschaftsdienstes
>einer KV, bei der ich über 17 Jahre arbeite.
>
>Eure Ideen in allen Ehren.
>Werdet erwachsen, wenn ihr ein Gesundheitssystem reformieren oder neu
>erfinden wollt. Wozu beschäftigen sich Bundes- und Landesministerien,
>Universitäten und Hochschulen, Krankenkassen und KVen mit diesem System,
>weil es hier in der AG Gesundheit eine handvoll Leute besser können?
>
>Gebt mir bescheid, wenn die AG "bereit zum Ändern" ist.
>So lange dies hier eine Plattform zu therapeutischen Zwecken ist, so
>lange
>hier vor allem ureigene Interessen in den Vordergrund gestellt werden,
>ist
>mir meine Lebenszeit zu wichtig.
>
>Viel Spass beim Spiel.
>Tobias
>
>
>
>
>
>
>Dr. Christian Haffner schrieb:
>
>> Hallo Hendrik,
>>
>> auch von mir willkommen! Du hast ja schon viele wichtige Themen
>> angeschnitten, auf einige ist bereits eingegangen worden. Als junger
>> Hausarzt und Mitbegründer der Jungen Allgemeinmedizin Deutschlands
>>(JADE,
>> www.jungeallgemeinmedizin.de) möchte ich etwas zu Deiner Idee "-
>> Sicherstellung hausärztlicher Versorgung (z.B. auch
>>Pflicht-Hausarzt-Jahr
>> nach dem Studium in unterversorgten Regionen)" sagen.
>>
>> Das hört sich theoretisch erst einmal gut an. Aus den verschiedenen
>> Sozialministerien der Bundesländer kamen im Rahmen von Projekten zur
>> Behebung des Hausärztemangels ähnliche Ideen, die Krankenkassen wollen
>>die
>> Ärzte gar von den Städten aufs platte Land umverteilen. Hier diskutieren
>> wir als JADE seit vier Jahren auf verschiedensten Ebenen. Dabei hat sich
>> deutlich herauskristallisiert, dass die meisten jungen Ärzte in der
>> Allgemeinmedizin-Weiterbildung und erst recht die jungen Fachärzte für
>> Allgemeinmedizin ortsgebunden sind, weil sie zum Beispiel Familie haben.
>> Das wird noch dadurch verschärft, dass gerade Frauen zunehmend in die
>> Allgemeinmedizin gehen, da dort Familie und Beruf am ehesten unter einen
>> Hut zu bekommen scheint, so dass wir bis zu 70% Frauenanteil in der
>> Allgemeinmediziin haben. Dabei ist auch die Altersspanne sehr groß von
>>25
>> Jahren bis über 50 Jahre. Die Partner sind dabei oft selbst Akademiker
>>und
>> können und wollen nicht mal eben so für ein Jahr umziehen.
>>
>> Mit einem Pflichtlandjahr nach dem Studium würde man vermutlich
>>erreichen,
>> dass noch weniger junge Ärzte sich für eine
>>Allgemeinmedizin-Weiterbildung
>> entscheiden werden. Hier müssen meiner Meinung nach andere Konzepte her,
>> wie ein finanzieller Anreiz sowie das gezielte Ansprechen von jungen
>> Ärzten, die aus ländlichen Regionen kommen, damit dort verwurzelt sind
>>und
>> am ehesten wieder zurückkehren.
>>
>> Was Deine Punkte zu Kassen und Kven angeht, gebe ich Dir 100% recht.
>> Gerade die Intransparenz ist meiner Wahrnehmung nach ein großes Problem.
>> Transparenz im Sinne einer Patienten-Rechnung natürlich auch von der
>> ärztlichen Seite, aber hier ohne Vorgaben. Ich fände es gut, wenn die
>> Patienten sehen würden, was genau ich für meine Behandlung im GKV-System
>> bekomme.
>>
>> Frohe Ostern!
>>
>> Christian
>> (Facharzt für Allgemeinmedizin)
>>
>>
>> Am 07.04.12 13:17 schrieb "Dr. Hendrik Schneider" unter
>> <dr.h.schneider AT anaesthesie24.org>:
>>
>>>Hi .. :-)
>>>Kurz ein Wort zu mir als Newcomer: 44J, freiberuflicher Anästhesist,
>>>verheiratet, 4 Kinder.
>>>Verständlicherweise möchte ich mich sehr gern aktiv in diese AG
>>>einbringen, denn das Thema Gesundheit ist neben der Bildung meiner
>>>Meinung nach das drängendste in unserem Land.
>>>Wie ja schon in einigen Kommentaren angeklungen, ist unser
>>>Gesundheitssystem ein undurchschaubares Konglomerat von Interessen,
>>>Seilschaften und dem täglichen kleinen Betrug. Unterstützt von den hohen
>>>Funktionären in PKV, GKV, KV etc. hat kaum einer Lust auf Transparenz.
>>>Will man jetzt ein neues Modell entwickeln, stellt sich als erstes die
>>>Frage, wie sozial das gestaltet werden soll. Ich gehe aber mal davon
>>>aus,
>>>dass hier die Solidargemeinschaft in Verantwortung des Staates Konsens
>>>ist, oder? Das würde bedeuten, alle zahlen ein und erhalten daraus
>>>Leistungen.
>>>Wenn man das konsequent zu Ende denkt, bedeutet das
>>>- Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV), alle zahlen
>>>gemeinsam ein (Selbständige, Angestellte, Rentner ... und natürlich auch
>>>jeder, der hoffentlich irgendwann ein BGE erhält).
>>>- Wozu brauche ich aber derzeit 145 gesetzliche Krankenkassen (GKV) mit
>>>z. T. unterschiedlichen Leistungen? => Eine Kasse reicht völlig aus
>>>- Immer mehr setzt sich durch, dass die Kassenärztliche Vereinigung
>>>(KV),
>>>die das Geld der Krankenkassen auf die niedergelassenen Ärzte verteilt,
>>>völlig überflüssig ist. Ein reiner Verteiler, der selber noch kostet,
>>>macht keinen Sinn. Und dann noch der Unfug mit dem Punktwert für
>>>Leistungen, was dazu führt, dass die gleiche Leistung in
>>>unterschiedlichen Quartalen unterschiedlich vergütet wird.
>>>- Stichwort "Leistungsbudgetierung": Viele Praxen müssten wirtschaftlich
>>>gesehen bereits im August schließen, weil sie dann für jeden Patienten
>>>bis Dezember nur noch draufzahlen.
>>>
>>>Transparenz muss natürlich auch von Seiten der Ärzte kommen:
>>>- Klare Forderung nach einer Patienten-Rechnung, die der hoffentlich
>>>mündige Patient selber kontrollieren muss (es geht ja schließlich auch
>>>um
>>>sein Geld) und ggf. einer Art Schiedsstelle vorlegen kann.
>>>
>>>Das so mal als Idee, wie das Grundgerüst aussehen könnte.
>>>
>>>Und dann kann man natürlich in die Details mit den vielen Baustellen
>>>gehen:
>>>- Welche Leistungen werden übernommen
>>>- Krankenhausplanung
>>>- Sicherstellung hausärztlicher Versorgung (z.B. auch
>>>Pflicht-Hausarzt-Jahr nach dem Studium in unterversorgten Regionen)
>>>- Sicherstellung des Rettungsdienstes
>>>- Reduzierung von Bürokratie bei mehr Transparenz
>>>- Aktuell: Anerkennung von medizinischem Personal aus EU-Ländern bei
>>>vorhandenem Ärzte- und drohendem Pflegemangel
>>>
>>>Ich fürchte, die Liste lässt sich leicht noch verdreifachen. Soll erst
>>>mal nur eine Gedankenanregung sein.
>>>
>>>Frohes Osterfest,
>>>Hendrik
>>>--
>>>AG-Gesundheitswesen mailing list
>>>AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
>>>https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen
>>
>>
>> --
>> AG-Gesundheitswesen mailing list
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>--
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