ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: AG Gesundheit
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- From: "Tobias Unbekannt" <tobias.unbekannt AT piratenbrandenburg.de>
- To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-Gesundheit] Vorstellung und Ideen
- Date: Sun, 08 Apr 2012 18:57:14 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
Es ist schön, wenn sich "Fachleute" über das Gesundheitswesen Gedanken machen.
Je mehr ich allerdings hier lese, je mehr ich sehe, welche Themen überhaupt angesprochen werden, desto mehr wird mir klar, diese AG ist inhaltlich nicht mehr als ein Sammelbecken von Leuten, die sich profilieren möchten, die zeigen wollen, was sie alles können, welche Ideen sie haben und... was den eigenen Interessen dienlich ist.
Wenn ich hier lese ... junge Hausärzte.... ortsgebunden....
zeigt es einmal mehr, dass die geltenden Grundlagen nicht bekannt sind oder weitestgehend ignoriert werden. Jeder Mensch, der irgendwann einen Beruf erlernt hat, wird nicht genau die Firma vor seiner Haustür finden, bei der er sein Erlerntes einbringen kann. Gleiches gilt für Ärzte. Egal ob in eigener Praxis, ob als angestellter Arzt in Praxis oder MVZ oder als Krankenhausarzt, der Arbeitsplatz kommt selten nach Hause!
Flexibilität wird in der heutigen Zeit von allen Erwerbstätigen verlangt.
Nicht zuletzt gibt es auch sog. Bedarfsplanungen der KVen. Ich hoffe, diese sind in euren Kreisen bekannt.
Z.B. über der Rettungsdienst, als ein Themengebiet, welches hier dieskutiert wird, heißt es zu wissen, dass die Organisation des Rettungsdienstes Ländersache ist. So lange dies so bleibt, kann jeder LV für sich kämpfen... Ziel sollte es sein, den Rettungsdienst beim Bund anzusiedeln.
Glaubt mir, ich weiss von ich spreche. Neben einer technischen Ausbildung zum Dipl.chem. bin ich auch Versicherungskaufmann, habe eine medizinische Ausbildung, bin Netzwerkadmin., Berater für Brandschutz und Arbeitssicherheit und außerdem Leiter des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes einer KV, bei der ich über 17 Jahre arbeite.
Eure Ideen in allen Ehren.
Werdet erwachsen, wenn ihr ein Gesundheitssystem reformieren oder neu erfinden wollt. Wozu beschäftigen sich Bundes- und Landesministerien, Universitäten und Hochschulen, Krankenkassen und KVen mit diesem System, weil es hier in der AG Gesundheit eine handvoll Leute besser können?
Gebt mir bescheid, wenn die AG "bereit zum Ändern" ist.
So lange dies hier eine Plattform zu therapeutischen Zwecken ist, so lange hier vor allem ureigene Interessen in den Vordergrund gestellt werden, ist mir meine Lebenszeit zu wichtig.
Viel Spass beim Spiel.
Tobias
Dr. Christian Haffner schrieb:
Hallo Hendrik,
auch von mir willkommen! Du hast ja schon viele wichtige Themen
angeschnitten, auf einige ist bereits eingegangen worden. Als junger
Hausarzt und Mitbegründer der Jungen Allgemeinmedizin Deutschlands (JADE,
www.jungeallgemeinmedizin.de) möchte ich etwas zu Deiner Idee "-
Sicherstellung hausärztlicher Versorgung (z.B. auch Pflicht-Hausarzt-Jahr
nach dem Studium in unterversorgten Regionen)" sagen.
Das hört sich theoretisch erst einmal gut an. Aus den verschiedenen
Sozialministerien der Bundesländer kamen im Rahmen von Projekten zur
Behebung des Hausärztemangels ähnliche Ideen, die Krankenkassen wollen die
Ärzte gar von den Städten aufs platte Land umverteilen. Hier diskutieren
wir als JADE seit vier Jahren auf verschiedensten Ebenen. Dabei hat sich
deutlich herauskristallisiert, dass die meisten jungen Ärzte in der
Allgemeinmedizin-Weiterbildung und erst recht die jungen Fachärzte für
Allgemeinmedizin ortsgebunden sind, weil sie zum Beispiel Familie haben.
Das wird noch dadurch verschärft, dass gerade Frauen zunehmend in die
Allgemeinmedizin gehen, da dort Familie und Beruf am ehesten unter einen
Hut zu bekommen scheint, so dass wir bis zu 70% Frauenanteil in der
Allgemeinmediziin haben. Dabei ist auch die Altersspanne sehr groß von 25
Jahren bis über 50 Jahre. Die Partner sind dabei oft selbst Akademiker und
können und wollen nicht mal eben so für ein Jahr umziehen.
Mit einem Pflichtlandjahr nach dem Studium würde man vermutlich erreichen,
dass noch weniger junge Ärzte sich für eine Allgemeinmedizin-Weiterbildung
entscheiden werden. Hier müssen meiner Meinung nach andere Konzepte her,
wie ein finanzieller Anreiz sowie das gezielte Ansprechen von jungen
Ärzten, die aus ländlichen Regionen kommen, damit dort verwurzelt sind und
am ehesten wieder zurückkehren.
Was Deine Punkte zu Kassen und Kven angeht, gebe ich Dir 100% recht.
Gerade die Intransparenz ist meiner Wahrnehmung nach ein großes Problem.
Transparenz im Sinne einer Patienten-Rechnung natürlich auch von der
ärztlichen Seite, aber hier ohne Vorgaben. Ich fände es gut, wenn die
Patienten sehen würden, was genau ich für meine Behandlung im GKV-System
bekomme.
Frohe Ostern!
Christian
(Facharzt für Allgemeinmedizin)
Am 07.04.12 13:17 schrieb "Dr. Hendrik Schneider" unter
<dr.h.schneider AT anaesthesie24.org>:Hi .. :-)
Kurz ein Wort zu mir als Newcomer: 44J, freiberuflicher Anästhesist,
verheiratet, 4 Kinder.
Verständlicherweise möchte ich mich sehr gern aktiv in diese AG
einbringen, denn das Thema Gesundheit ist neben der Bildung meiner
Meinung nach das drängendste in unserem Land.
Wie ja schon in einigen Kommentaren angeklungen, ist unser
Gesundheitssystem ein undurchschaubares Konglomerat von Interessen,
Seilschaften und dem täglichen kleinen Betrug. Unterstützt von den hohen
Funktionären in PKV, GKV, KV etc. hat kaum einer Lust auf Transparenz.
Will man jetzt ein neues Modell entwickeln, stellt sich als erstes die
Frage, wie sozial das gestaltet werden soll. Ich gehe aber mal davon aus,
dass hier die Solidargemeinschaft in Verantwortung des Staates Konsens
ist, oder? Das würde bedeuten, alle zahlen ein und erhalten daraus
Leistungen.
Wenn man das konsequent zu Ende denkt, bedeutet das
- Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV), alle zahlen
gemeinsam ein (Selbständige, Angestellte, Rentner ... und natürlich auch
jeder, der hoffentlich irgendwann ein BGE erhält).
- Wozu brauche ich aber derzeit 145 gesetzliche Krankenkassen (GKV) mit
z. T. unterschiedlichen Leistungen? => Eine Kasse reicht völlig aus
- Immer mehr setzt sich durch, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV),
die das Geld der Krankenkassen auf die niedergelassenen Ärzte verteilt,
völlig überflüssig ist. Ein reiner Verteiler, der selber noch kostet,
macht keinen Sinn. Und dann noch der Unfug mit dem Punktwert für
Leistungen, was dazu führt, dass die gleiche Leistung in
unterschiedlichen Quartalen unterschiedlich vergütet wird.
- Stichwort "Leistungsbudgetierung": Viele Praxen müssten wirtschaftlich
gesehen bereits im August schließen, weil sie dann für jeden Patienten
bis Dezember nur noch draufzahlen.
Transparenz muss natürlich auch von Seiten der Ärzte kommen:
- Klare Forderung nach einer Patienten-Rechnung, die der hoffentlich
mündige Patient selber kontrollieren muss (es geht ja schließlich auch um
sein Geld) und ggf. einer Art Schiedsstelle vorlegen kann.
Das so mal als Idee, wie das Grundgerüst aussehen könnte.
Und dann kann man natürlich in die Details mit den vielen Baustellen
gehen:
- Welche Leistungen werden übernommen
- Krankenhausplanung
- Sicherstellung hausärztlicher Versorgung (z.B. auch
Pflicht-Hausarzt-Jahr nach dem Studium in unterversorgten Regionen)
- Sicherstellung des Rettungsdienstes
- Reduzierung von Bürokratie bei mehr Transparenz
- Aktuell: Anerkennung von medizinischem Personal aus EU-Ländern bei
vorhandenem Ärzte- und drohendem Pflegemangel
Ich fürchte, die Liste lässt sich leicht noch verdreifachen. Soll erst
mal nur eine Gedankenanregung sein.
Frohes Osterfest,
Hendrik
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- Re: [AG-Gesundheit] Vorstellung und Ideen, (fortgesetzt)
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