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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden! Kostenerstattung

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden! Kostenerstattung


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden! Kostenerstattung
  • Date: Fri, 19 Aug 2011 22:33:38 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver



Jörg schrieb:
>
> 'syna' schrieb:
>> ... Diese Geringverdiener - und eigentlich alle Normalverdiener in der
>> GKV

>> - sind aber heute schon von den Leistungen der Spezialisten, die in
>> einem ernsten Fall überlebenswichtig sind - ausgeschlossen.
> Ich sehe das Problem im streichen von notwenigen diagnostischen
> Maßnahmen, weil das Buget erschöpft ist.


Die Budget-Deckelung ist eine (hilflose) Maßnahme, um die Kosten
irgendwie in den Griff zu bekommen ... sicher ein Problem. Aber hier geht


es ja um die PKV-Problematik, und da ist ein großes Problem:

-- Der Nichtzugang der GKV-ler zu Spezialisten --

was gleichbedeutend bzw. direkt zusammenhängt mit der

-- Fehlallokation --

Da ich offenbar nicht gut erklärt habe, was darunter zu verstehen ist,
will

ich es noch einmal - auch mit einem Beispiel - erläutern:

------------------------------------------------------
*Fehlallokation von Speziallisten*
------------------------------------------------------
Unter "Allokation" - das wissen wir ja alle - versteht man allgemein die
Zuordnung von beschränkten Ressourcen zu potentiellen Verwendern. Im
Krankenhaus sind die "beschränkten Ressourcen" die Spezialisten, die bei


vielen ernsten Erkrankungen lebensentscheidend sind. Die "potentielle
Verwender" sind die ernsthaft erkrankten Patienten. Und da gibt es
PKV-Patienten und GKV-Patienten.


----------------------------------------------------------------------------------------------------------

*Nichtzugang von GKV-lern zu Spezialisten*

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Im Detail: In den USA wurde schon früh durch wissenschaftliche Studien
bewiesen, dass durch Spezialisierungen die Überlebensraten von Patienten


erheblich gesteigert werden können. Dieser Zusammenhang zwischen
Anzahl der Eingriffe (= Spezialisierung) und Mortalität konnte
mittlerweile

auch in Deutschland nachgewiesen werden. Bei schwerwiegenden
Krankenheiten (also Krebsarten, Herzoperation usw.) ist die
Überlebensrate

entscheidend davon abhängig, ob ein Spezialist die Operation durchführt


oder ein Chirurg vom nächsten Dorfkrankenhaus.

Im Ernstfall kommt es daher in jedem Lebensalter darauf an, Zugang zu
einem Experten (= Spezialisten) zu haben. Um an einen guten Arzt oder
eine gute Klinik zu gelangen, muss man "shoppen" gehen. Das kann man
aber in der Regel nur als privat Versicherter, weil der Spezialist, wenn
man

ihn bei der mangelhaften Transparenz des Systems überhaupt findet, sonst


kein Interesse zeigt.

Wer glaubt, man könne auch als gesetzlich Versicherter persönlich bei
den

renommierten Chefärzten einer Universitätsklinik vorsprechen, möge
einfach mal den Selbstversuch starten. Die erste und für neunzig Prozent


der Anrufer auch letzte Frage des Sekretariats wird lauten, ob man privat


versichert sei. Muss man das verneinen, ist es in der Regel aus.


----------------------------------------------------------------------------------------------------------


Dazu ein aktuelles Mitglied des Bundestages (O-Ton): "Es vergeht kaum
eine Woche, in der ich nicht den Verwandten oder die Lebenspartnerin
eines Politikers - sehr häufig auch aus Fraktionen des Bundestags, die
der

Zweiklassenmedizin nicht kritisch gegenüberstehen - an einen
Spezialisten

vermitteln soll, weil der oder die Betreffende "nur" gesetzlich
versichert ist.



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Weshalb ist es nun so, dass der GKV-Patient schon beim Sekretariat
scheitert? Tchaaa, und das liegt natürlich an der Fehlallokation. Dazu
ein Beispiel:



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*Fehlallokationen*

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Ein bekannter Spitzenchirurg einer deutschen Universitätsklinik operiert
vor

allem Leistenbrüche. Und zwar obwohl er sich auf
Bauchspeicheldrüsenkrebs spezialisiert hat. Statt nun alle Fälle mit
Bauchspeicheldrüsenkrebs im Umfeld zu operieren – was zeitlich gut
ginge,

da die Krankheit nur selten ist – übernimmt er nur einen kleinen Teil
davon

und behandelt hauptsächlich Leistenbrüche. Operiert er einen
Bauchspeicheldrüsenkrebspatienten der AOK, dann steigt sein
persönliches

Einkommen nicht um einen einzigen Euro. Operiert er stattdessen in der
gleichen Zeit 5 Privatpatienten mit Leistenbruch, hat er zusätzlichen
3000

Euro verdient.

Dazu muss man wissen: Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine aggressive
Krankheit, 90% überleben das erste Jahr nicht. Bei einem Eingriff durch
einen erfahrenen Operateur ist die Sterbewahrscheinlichkeit direkt nach
dem Eingriff nur halb so groß (5,8%) wie bei Patienten, die von wenig
erfahrenen Ärzten operiert werden (12,9%).

Die knappste Ressource in unserem Gesundheitssystem, die Zeit der
Superspezialisten, wird oft für Trivialeinsätze verschwendet, damit
diese

Leute gut verdienen und die Privilegierten zu jedem Zeitpunkt die
bestmögliche Versorgung genießen. Diese Fehlallokation ist in fast
jedem

Fachbereich. Es ist also kein marginales Problem, das mal auftritt. Nein
es

ist die Regel - und führt zu erheblichen Verzerrungen und Ineffizienzen
des

Gesundheitssystems.

Die Spezialisten verbringen einen überproportional großen Teil ihrer
Arbeitszeit mit den Erkrankungen privat Versicherter, statt sich um die
schweren Fälle aller Versicherten zu bemühen. Die Situation hat sich
noch

verschlechtert, seit die privaten Krankenversicherungen verlangen, dass
der liquidierende Spezialist die Leistung auch selbst erbracht haben
muss,

um abzurechnen, während in der Vergangenheit oft die Arbeit von weniger
qualifizierten Ärzten durchgeführt werden konnte, und der Spezialist
sie nur

abgerechnet hat. Man stelle sich vor, dass die besten Hochschullehrer nur


die Kinder von Beamten oder Einkommensstarken unterrichten würden (eine
Situation, von der wir aus anderen Gründen leider nicht weit entfernt
sind).

Die Spezialisten sollten besser bezahlt werden auf der Grundlage der
Qualität ihrer Arbeit, nicht wegen des Anteils an Privatpatienten.
Dieses

System hat in der Zwischenzeit sogar die Forschungsleistungen der
deutschen medizinischen Fakultäten deutlich reduziert, Spitzenplätze
werden in fast keinem Bereich der klinischen Forschung mehr eingenommen
(siehe dazu: Rothmund, M.: Die Stellung der klinischen Forschung in
Deutschland im internationalen Vergleich, 1997, Dtsch. Med. Wschr. 122,
1358-1362.)


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*Zusammenfassung*

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*Das heißt also:* Die in allen Fachbereichen der Kliniken verbreitete
Fehlallokation bedingt Ressourcenknappheit für GKV-Versicherte - und
bedeutet damit mittelbar den Nicht-Zugang von GKV-lern zu Spezialisten,
wenn es um Leben und Tod geht.

*Wir sehen also: * Die PKVen betreiben nicht nur ein höchst
parasitäres

Geschäftsmodell - nämlich dadurch, dass sie sich in keiner Weise an der


Solidariät beteiligien. Die PKVen sorgen durch Fehlallokationen sogar
für

Ineffizienzen, Ressourcenverschwendung(!) und verwehren GKV-lern, die
ja die Solidarität bezahlen (!), in besonders ernsten Fällen die
adäquate

Behandlung durch Spezialisten.


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