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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Studienregister

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Studienregister


Chronologisch Thread 
  • From: "Jörg H" <joergdr24 AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Studienregister
  • Date: Thu, 24 Mar 2011 23:38:50 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 16.03.2011 08:37, schrieb mb:
> Hallo,
>
> ein großes Problem liegt meiner Ansicht nach auch darin, dass viele Studien
> ohne statistischen Sachverstand konzipiert werden (absichtlich?). Ich habe
> mal eine Weile beim damaligen Bundesgesundheitsamt gearbeitet. Dort sollte
> eine Kommission aus hochdotierten Professoren anhand wissenschaftlicher
> Studien erarbeiten, welche Medikamente wirksam sind.
Das BGA wurde 1994 aufgelöst. Ich war mal danach in dem entsprechenden
Institut. Ich vermutet es handelt sich um die Kommissionen, die die
Aufbereitung Monographien erstellen wollten oder aus der frühen Phase
der Nachzulassung. Dann wären das Studien von vor 1985. Das waren andere
Zeiten. Statistik lag den Ärzten da nicht so. So etwa Ende der 80 ziger
bis ca. 95-98 wurdne die Grundlegenden Guidelines auf EU /EMA /MRFG=CMDh
Ebene erstellte. Danach kamen vor allem Detaiverbesserungen und
natürlich der overkill an Anforderungen.
> Die Sitzungen waren häufig nur sehr kurz, da praktisch alle Studien von
> einem anwesenden Statistiker regelrecht zerrissen wurden, da selbst
> einfachste Grundregeln nicht eingehalten wurden.
Wundert mich nicht.
> Wenn ich mir heutige Studien anschaue, hat sich da überwiegend nicht viel
> geändert. Selbst bei Themen, die fernab der eigenen Erfahrungen liegen,
> fallen oft massive Fehler auf.
> Bezüglich dieser Problematik wird in letzter Zeit übrigens auch immer
> wieder im Deutschen Ärzteblatt berichtet.
> z.B.
> http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&p=statistik&id=81171
> (auch für den Laien ganz gut verständlich).
>
In der Presse für die normalen Fachkreise (Ärzte und Apotheker) wird
nach meinem Eindruck überwiegend von einfachen Marketing Studien
berichtet. Auch bei den großen Studien wird wenig ins Detail gegangen,
so scheint mir.
> Meiner Ansicht nach sollte vor Beginn einer Studie und natürlich auch nach
> der Auswertung zwingend die Überprüfung des Studiendesigns durch
> statistische Wissenschaftlicher erfolgen. Das ist bisher wohl noch nicht
> der Fall?
Nach dem was ich so mitbekomme sind Statistiker immer dabei, aber jeder
Proband kostet viel Geld. Die Verlockung Anzunehmen, die Population sei
so homogen wie in der kleineren Phase II Studie ist doch groß. Man darf
das Rekrutierungsproblem nicht vergessen.
In der Fachpresse wird dann versucht die Ergebnisse schön zureden.
> Gruß Michaela
>
>> ----Ursprüngliche Nachricht-----
>> Von: ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:ag-
>> gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von privacy
>> Gesendet: Mittwoch, 16. März 2011 08:15
>> An: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
>> Betreff: Re: [AG-Gesundheit] Studienregister
>>
>> Jens Müller <ich AT tessarakt.de> schrieb hier (evtl. zitierend) am
>> 14.03.2011 08:53:
>>> Bekanntlich wird in der Arzneimittelwirksamkeitsforschung getrickst ohne
>>> Ende. Einfach mal diverse Studien mit leicht unterschiedlichen
>>> Parametern in Auftrag geben, mit etwas Glück und genügend kleinen
>>> Fallzahlen wird eine schon das gewünschte Ergebnis produzieren.
Zu diesem Horax hatte ich schon was gesagt.

>> M.E. sind nicht die zunächst die zu kleinen Fallzahlen das Problem,
>> sondern:
>>
>> 1. Die "publication bias" - d.h. es werden nur die genehmen Studien
>> veröffentlicht - ich selbst habe auch schon einen Maulkorb von der
>> Industrie erhalten und durfte eine Studie nicht publizieren ("H15" z.B.)
>>
>> 2. Die Datenauswertung wird so lange gedreht, bis die Ergebnisse passen,
>> d.h. es wird im nach hinein gefiltert:
>>
>> Beispiel: Fast alle Studien zu Antidementiva:
>> Ausgewertet wird in der "verum"-Gruppe nur, wer die Therapie auch 6
>> Monate "durchgehalten" hat. Da in der Verum-Gruppe der Abbruch wegen
>> unerwünschter Ereignisse mehr als doppelt so groß wie in der
>> Placebo-Gruppe ist, und die "labilen" Patienten betrifft, ist es keine
>> Wunder, dass die "Nebenwirkungs-toleranten" Patienten, die in der Verum
>> Gruppe übrigbleiben einen "Hauch" besser scheinen als die
>> Placebo-Gruppe, bei denen auch viele "labile" die 6 Monate überstehen.
>>
>> d.h. es muss _immer_ eine sog. inted to treat Analyse dargestellt werden.
Na ja hier scheint doch das Problem darin zu liegen, das man die
Krankheit nicht klar messen kann. Alzheimer läst sich doch immer noch
sicher nur nach dem Tod feststellen. Es verdichten sich ja auch die
Anzeichen, das die ganze Forschungshypothese falsch ist. -- Ich las mal
in Telepolis das jedes Jahr 50 MRD. Euro für die Alzheimerforschung aus
gegeben werden.
>> 3. Es werden x-Parameter "durchprobiert" und genehem signifikante
>> publiziert - bei 20 Parametern zeigt im Durchschnitt bei gleicher
>> Grundgesamtheit einer ein signifikantes (5% Niveau) Ergebnis an. Deshalb
>> muss bei multiplem Testen dieser Fehler korrigiert werden
>> (Bonferroni-Holm etc.) - was idR nicht geschieht.
>>
>> d.h. Hauptzielpunkte müssen _detailliert_ vorab festgelegt werden
>>
>> Eine Möglichkeit wäre, dass die Ethikkommissionen den Studienfortgang
>> prüfen und insbesondere Abweichungen/Abbruch von Studien publzieren
>> dürfen - denn dann besteht ja kein schutzwürdiges Interesse mehr an der
>> laufenden Forschungsabrbeit.
>> Privacy
Die Publikation und Publizierbarkeit von erfolglosen Studien müsste
erhört werden. Aber das löst nicht, das Zentrale Problem, das es keine
Finanzierung für Studien gibt, die aus dem Patent laufen, oder
Bandlungsmethoden, für die sich keine kommerzielle Verwertung ergibt.

Das Niveau der klinischen Arzneimittelforschung ist in den letzen 30
Jahren deutlich gestiegen.

Grüsse
Jörg




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