Re: [AG-GOuFP] Helikoptergeld: Die Ansicht von Norbert Häring und Lord Turner teile ich voll

[moneymind <moneymind AT gmx.de>]

Hi Thomas,

> Ich bin skeptisch. Letztendlich glaube ich schon, dass es viele Probleme 
> lösen wird, kurz- und mittelfristig. Es erzeugt die Nachfrage, die 
> derzeit fehlt.
>
> Allerdings sehe ich keinen Vorteil gegenüber einer ordentlichen 
> Fiskalpolitik. 

Sehe ich auch so. Es gibt einen "kurzfristigen" "Vorteil" (in 
Anführungszeichen): es wäre eine Maßnahme, die die unabhängige ZB 
theoretisch unabhängig von Parlamenten umsetzen könnte. Damit ließe 
sich der langwierige politische Prozess parlamentarischer Diskussion und 
Beschlußfassung umgehen.

Letztendlich müßte allerdings der Staat die ZB bei Bedarf 
rekapitalisieren. Damit würden die Kosten der Maßnahme (die zu Lasten 
des EK der ZB ginge), auf das Konto der Steuerzahler umgebucht. Bei 
gleichbleibender Steuer- und Sozialpolitik wären das wiederum die unteren 
90%, sodaß wiederum ein Scheinkreislauf von Geld ohne wirklichen 
politischen Kurswechsel erzielt worden wäre - wiederum hätte man nur 
Zeit gekauft, aber nicht wirklich umgedacht.

Zu mehr taugt m.E. Heligeld auch nicht.
> Helikoptergeld geht das Problem der Ungleichverteilung von Vermögen und 
> Einkommen nicht an. 

Jedenfalls nicht nachhaltig, s.o. Die Maßnahme treibt nur die 
Unabhängigkeit der ZB auf die Spitze und verdeutlicht ganz offen ihre 
grenzenlose Macht über das Parlament: was die ZB entscheidet, auszugeben, 
muß das Parlament nachträglich finanzieren - ob es will oder nicht.

Allerdings auch über diejenigen Bürger, über die es entscheidet, daß 
dies finanziert wird - wer das gegenwärtig ist, ist bekannt.

> Die machtpolitischen Effekte der Ungleichverteilung sehe ich bereits 
> manifestiert z.B. auch in der Angst vor Kapitalflucht. Letztlich ist 
> Helikoptergeld für mich eine temporäres Zusammenflicken eines Systems, 
> das früher oder später in Form von monetärem Feudalismus gegen die 
> Wand fährt.

Genau. Heligeld ist einfach nur die ultima ratio - die letztmögliche 
Ausflucht - der geldfetischistischen Monetaristen und verdeutlicht damit, 
daß die neoliberale Ideologie (in Gestalt des auf den Irrlehren 
Neoklassik und Quantitätstheorie fußenden Monetarismus) auf dem 
allerletzten Loch pfeift. Dem neoliberalen Establishment wird es zu heiß 
unter dem Hosenboden, und es klammert sich an den letzten Strohalm, bevor 
es verjagt und entsorgt wird.

> Ich stimme dir voll zu, dass die ZB dazu eingesetzt werden sollte, dass 
> es einer Mehrheit von Menschen besser und nicht immer schlechter geht. 
> Das wird sie im Moment nicht. Aber gegen Vermögenskonzentration kann sie 
> nicht viel tun außer die Finanzrenditen gering zu halten (was schonmal 
> ein guter Anfang wäre). Letztlich halte ich ordentliche progressive 
> Einkommensteuer und Vermögens-/Erbschaftssteuer für ein unabdingbares 
> Element.

So ist es. Und dafür braucht es ein Umdenken in den Köpfen der Politik, 
sodaß fiskalpolitisch und ordnungspolitisch umgesteuert werden kann: zu 
einer anderen "Spielanordnung".