ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Jürgen Niccum <j.niccum AT me.com>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] "Wirtschaftswachstum", was: George Soros: Europas Zukunft ...
- Date: Sat, 10 May 2014 17:49:22 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
+1
Gruß
Jürgen Niccum
Am 10.05.2014 um 14:17 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
> Hi Axel,
>
>> Wirtschaftswachstum.
>> Die aktuelle Wirtschaftsleistung produziert schon Überfluss. Wird diese
>> Leistung beibehalten = Nullwachstum, dann wird sich der Bestand mehr als
>> verdoppeln (Schätzung).
>> Nullwachstum ist weder Stillstand noch Rückschritt. Es bedeutet nur, dass
>> jedes Jahr die selbe Leistungsmenge erbracht wird. Dabei werden sich die
>> Produkte innovativ verändern als auch Neue Produke bisherige ersetzen
>> werden.
>
> Hab grade wenig Zeit, aber auf das Wachstums-Thema würde ich nochmal gern
> zurückkommen - das ist ein ideologisch besetztes, theoretisch schwammiges,
> aber absolut entscheidendes Kernthema.
>
> Ich meine, hier muß man klar die Ebene der (immateriellen) Vermögenswerte
> der Güter und Dienstleistungen (die sozial konstruierte Zuschreibungen,
> "soziale Gedankendinge" sind, die eingebettet sind in ein Netz von
> (nominalen) vertraglichen Verpflichtungen – „credit relations“ - und darauf
> bezogenen Zukunftserwartungen) von den (materiellen) Gütern und
> Dienstleistungen und ihren "Mengen" auseinanderhalten.
>
> Ich meine auch, das "Wachstumsziel" im magischen Viereck bezieht sich nur
> auf Vermögenswerte der Güter und Dienstleistungen (=forderungslose, daher
> nominal variable Vermögenswerte), und NICHT auf irgendwelche „Mengen“ –
> weder auf Güter- noch auf Geldmengen. Und für dieses Ziel gibt es gute
> Gründe, die mit der stofflichen Ebene der Produktion nichts zu tun haben,
> sondern ausschließlich mit der (immateriellen) Vermögensebene.
>
> Ein Kernmißverständnis des "Öko"-Diskurses, und die Öko-Wachstumskritik mit
> ihrem diesbezüglichen begrifflichen "Muddle" ließ sich deshalb bestens für
> neoliberale Wachstumsdämpfungspolitik verwenden, die natürlich im Namen der
> „Geldwertstabilität“ gemacht wurde. Den Grünen fiel deshalb nicht auf, was
> das makroökonomisch bedeutet, weil sie überhaupt kein Verständnis dafür
> hatten, was „Wachstum“ makroökonomisch bedeutet und WARUM dies ein
> makroökonomisches Ziel ist und ein solches Verständnis fatalerweise auch
> gar nicht angestrebt haben.
>
> Dazu trug natürlich bei, daß die Ökonomen hier nichts schlüssiges und
> sinnvolles anzubieten hatten. Die „Wachstumstheorie“ innerhalb der
> Neoklassik ist so realitätsfremd wie die Neoklassik insgesamt, weil sie
> schon auf der Ebene der Werttheorie vollkommen scheitert, dies aber
> systematisch leugnet bzw. für irrelevant erklärt. Wissenschaftstheoretisch
> bescheuert, aber Wissenschaftstheorie, Epistemologie und sinnvolle
> sozialwissenschaftliche Modellbildungsstrategien spielen keine Rolle in der
> Ökonomenausbildung (oder sonst irgendeiner Ausbildung). Seinen Weg ins
> magische Viereck fand das Wachstumsziel vermutlich noch über keynesianische
> Wachstumstheorien (denen das werttheoretische Fundament ebenfalls fehlt und
> die deshalb ebenso wie die Neoklassiker mit Größen herumrechnen, von denen
> begrifflich sie gar nicht wissen, worauf sie sich eigentlich beziehen,
> worauf auch Rolf hier ja kürzlich hingewiesen hat).
>
> Stattdessen verstanden die grünen Alternativi-Spät68er mangels präziser
> Definition und Einordnung in eine makroökonomische Theorie (die wiederum
> darin wurzelt, daß die bestehenden Theorien eben keinen Platz für den
> Wachstumsbegriff haben und er im magischen Viereck aus pragmatischen
> Gründen vorkommt, die theoretisch nicht untermauert sind) allerlei
> Beliebiges unter „Wirtschaftswachstum“: Bevölkerungswachstum (hier ließ
> sich das olle Malthus-Lied weiterpfeifen), Wachstum des
> Ressourcenverbrauchs, technischen Fortschritt usw. usf. – der Begriff blieb
> beliebig und damit auch beliebig ideologisch funktionalisierbar. Daß der
> grüne Diskurs auch deshalb wunderbar in die lange „Abschwungphase“
> (Schulmeister) seit den 70ern paßt, weil es ein apokalyptischer Diskurs
> ist, der alte weltweit verbreitete religiöse Denkmuster (z.B. biblische
> Apokalypse des Johannes) unbewußt in säkularer Form weitertransportiert und
> Untergangsängste deshalb rhetorisch sehr effektiv evoziert, kommt noch
> hinzu. Dies paßt wunderbar zur neoklassischen und österreichischen Sicht
> von der deflationären Depression als „notwendige Reinigungskrise“: die
> Menschen haben gesündigt, und jetzt bestraft sie der liebe Gott, indem er
> die Ozeane überschwappen läßt und die sündige Menschheit elend ersäuft. Bei
> den neoklassischen und österreichischen Marktfundamentalisten spielt
> natürlich der als quasi-Subjekt dargestellte „Markt“ die Rolle Gottes. Sehr
> effektive Rhetorik also, die auf ganz alte, sehr wirksame und weit
> verbreitete Untergangsänste zurückgreift, aber gleichzeitig die
> Zerstörung/“Strafe“ nicht nur als unausweichlich hinstellt, sondern sogar
> legitimiert und unhinterfragbar macht.
>
> Das erklärt vielleicht zu einem guten Teil mit, warum der
> marktfundamentalistische Diskurs und die dazugehörige Vorstellung, man
> müsse Krisen „ausbrennen lassen“, trotz seiner wirklichkeitsfremden
> axiomatischen Grundlagen und logischen Inkonsistenz bei der breiten Masse
> so „überzeugend“ wirkt. Der marktfundamentalistische Krisendiskurs ist
> ebenso wie der Ökodiskurs auf unerkannte Weise eingebettet in ganz alte
> religiöse Denkmuster (apokalyptisches Denken), die in säkularer Form
> strukturanalog weitergetragen werden.
>
> Soviel also zur neoreligiösen Rhetorik des „grünen“ Verwendung des
> „Wachstums“-Begriffs, die ich ganz einfach ablehne - obwohl ich auf diese
> Ideologie selber jahrzehntelang reingefallen bin. Mein Umdenken wurde ganz
> wesentlich von Gunnar Heinsohn angeregt, den ich als Makroökonomen
> überhaupt nicht schätze. Er mich hat dazu angeregt, den grünen
> apokalyptischen Diskurs als solchen zu erkennen und historisch einzuordnen,
> und gleichzeitig empirisch lächerlich einfach und überzeugend gegen den
> Wahn vom anthropogenen Klimawandel argumentiert (der IPCC-Schwindel ist ja
> mittlerweile längst aufgeflogen).
>
> Die AG hat Wachstumskritik in ihrem Programm bzw. das Ziel von Nullwachstum
> für sich formuliert, wenn ich das richtig verstehe. Daher nochmal meine
> Frage: was genau soll da nicht „wachsen“, und wie genau – in welcher
> Maßeinheit - läßt sich messen, ob dieses „etwas“ wächst oder nicht.
>
> Ich werde mal bei Gelegenheit mein eigenes Verständnis ökonomischen
> „Wachstums“ beschreiben. Daraus ergibt sich u.a., daß dieses im magischen
> Viereck formulierte Ziel (das sich rein auf die immaterielle Vermögenseben
> und nicht auf Gütermengen bezieht) makroökonomisch absolut sinnvoll ist.
>
> Denn hier haben wir es mit einem Kernbegriff zu tun, dessen rhetorische
> Verwendung eingebettet in neoreligiöse säkulare Apokalyptik - in ihrer
> religiösen Originalfassung übrigens die älteste Herrschaftsstrategie der
> Welt - nur durch präzise ökonomische Begriffsarbeit zu überwinden ist.
>
> Wir kämpfen immer noch mit den Ideologien und Sichtweisen, die unserer
> Generation seit Mitte der 70er von der Elterngeneration eingetrichtert
> wurden: verwässerter Marxismus, neoreligiöse grüne
> Club-of-Doom-Öko-Apokalyptik (nicht zufällig verbunden mit Neo-Esoterik)
> und einem in diese Soße nach und nach unbemerkt eingesickerten bzw.
> eingeträufelten, sich immer weiter radikalisierenden neoliberalen
> Marktfundamentalismus als finale Realisation der unverstandenen 68er
> Freiheitsträume.
>
> Und heute dürfen Millionen prekär arbeitender neoesoterischer
> "Heilpraktiker" und selbsternannter "Psychoberater" ihren alternativen
> geistigen und sonstigen Schrott "for a nominal service fee" (Zappa) einer
> mal wieder wegen marktfundamentalistisch begründeter deflationärer
> Totsparpolitik Krieg vorbereitenden Menschheit anzudrehen versuchen, von
> deren ökonomischer Entwicklung sie vor lauter Bachblüten und was weiß ich
> nicht noch alles nicht auch nur den blassessten Schimmer haben.
>
> Unsere ganze Generation ist von der nach 44 geborenen bequemen
> Babyboomergeneration, die die Erfahrungen ihrer Eltern während der 30er gar
> nicht mehr nachempfinden konnten und wollten, mit dieser gequirlten
> Scheisse indoktriniert ("erzogen") worden, und sich davon zu befreien, ist
> eine Heidenarbeit.
>
> Und weil ich darüber so wütend bin, hier mal Frank Zappas
> "Heilpraktiker-Song", mit dem ich gerne meine Wut auf grüne Neoesoterik und
> Untergangsideologie auslebe - daß er der Meinung war, daß "Flowerpower
> sucks" dürfte bekannt sein:
>
> http://www.youtube.com/watch?v=1gfXsbm8CnY
>
> Sorry. Aber das wollte ich mal gesagt haben - nothing personal. Es gab auch
> eine andere Seite der Flowerpower! Aber was ist das Gesamtergebnis? Die
> fucking situation, in der wir uns heute befinden und die offensichtlich
> kein Schwein versteht, geschweige denn, daß auch nur ein paar
> Nachkriegsgeborene auch nur ansatzweise verstehen würden, was die Stunde
> eigentlich geschlagen hat.
>
> Lieber mal Egon Bahr (Jahrgang 1922 - unsere Großelterngeneration!) fragen:
>
> /"Hitler bedeutet Krieg", habe sein Vater 1933 zu ihm gesagt. Als
> Heranwachsender habe er das nicht geglaubt. Und so sei das jetzt wieder:
> "Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben." "
> /
>
> http://www.rnz.de/heidelberg/00_20131204060000_109801352-Egon_Bahr_schockt_die_Schueler_Es_kann_Krieg_g.html
>
> --
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- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, thomas, 18.05.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Systemvergleich, wasGeorge Soros: Europas Zukunft ..., Marco Schmidt, 18.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Systemvergleich, wasGeorge Soros: Europas Zukunft ..., Ex-SystemPirat, 19.05.2014
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- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 10.05.2014
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