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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen
- Date: Tue, 29 Apr 2014 22:21:10 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hi Axel,
moneymind schrieb:
Sehr schön sieht man dort anhand der Daten, daß auch in der Weltwirtschaftskrise der Unternehmenssektor, der üblicherweise verschuldet ist, zum Nettosparer wird und demgegenüber die Staatsschulden ansteigen.
Der Zusammenhang Geld(vermögen) = Schulden gilt.
Wenn sich Unternehmen entschulden und nach der Entschuldung Geldvermögen aufbauen UND im Bürgersektor Geldvermögen existieren, dann muss ein Dritter den Counterpart stellen.
Saldenmechanische Basics hatte ich vorausgesetzt.
Wenn die Vollgeldsysteme ohne Staatsverschuldung kommen sollten,
Warum sollen sie das immer und überall? Woher kommt und was genau steckt hinter dieser impliziten Norm, daß Staatsschulden immer (unabhängig von der konkreten Situation) immer schlecht seien?
Ich sehe das nicht so und begründe es auch gerne. Fiskalpolitik, die die Möglichkeit staatlicher Verschuldung ebenso einschließt wie die Möglichkeit bedingungsloser Staatskonsolidierung oder sogar das Anstreben von Staatsüberschüssen, ist das potenteste geld- und wirtschaftspolitische Mittel überhaupt. Es ist daher auch am anfälligsten für politischen Mißbrauch seitens JEGLICHER Interessengruppen (sowohl seitens der Gewerkschaften - siehe Ende der 60er Jahre - oder seitens der Großbanken und Großunternehmen - siehe heute).
Die Nutzung dieses Mittels muß daher Restriktionen unterworfen werden, und diese Restriktionen können nur in schlüssig begründeten makroökonomischen, gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen bestehen. Solche Zielsetzungen wurden sogar formuliert (magisches Viereck, Stabilitätsgesetz). Allerdings pragmatisch, ohne insgesamt auf einem schlüssigen Paradigma beruhende theoretische Begründung, weswegen sie auch wieder an den Rand gedrängt wurden.
Essentiell wäre daher eine solche schlüssige Begründung durch ein solides politökonomisches Paradigma. Dies wäre eine Restriktion, die den Einfluß von Interessengruppen auf Fiskalpolitik zwar nicht eliminieren, aber doch einschränken und kontextualisieren würde.
dann müssen sowohl Firmen als auch Personen die Verschuldung
als auch die Geldvermögen haben.
So sahen die Verschuldungssalden der 50er/60er Jahre aus: der Unternehmenssektor war verschuldet, die privaten Haushalte Nettosparer, der Staatshaushalt ausgeglichen. Auch die Außenhandelsbilanz war im wesentlichen ausgeglichen, da dies explizit Ziel war (war Teil des Systems von Bretton Woods).
Warum war das so? Weil die realkapitalistische Spielanordnung und ihre geldpolitische Konstellation es für die Unternehmen sinnvoll erscheinen ließ, sich zu verschulden, wie Schulmeister ausführlich zeigt. Die Zinsrate lag unter der Wachstumsrate, die Inflationsrate lag höher. Inflation begünstigt Schuldner und benachteiligt Gläubiger (Sparer), Deflation begünstigt Sparer und benachteiligt Schuldner. Heute ist es sogar für die Unternehmen funktional, zu sparen - sich zwecks Investition zu verschulden, erscheint nicht lohnend.
Die Verteilung der Geldvermögen und die Verteilung der Schulden ist dann ganz einfach --> Wenige haben Vermögen und ganz viele die Schulden.
Wie kommst Du zu diesem Schluß? Schau doch einfach empirisch in die 50er und 60er Jahre.
Der Zusammenhang Sparvolumen = Schuldenvolumen, Neusparvolumen führt zur Neurverschuldung ist momentan gar nicht vermittelbar. Einer der Gründe: Es wird nur von Schulden gesprochen aber nicht bis nie gleichzeitig von dem Counterpart = den Geldvermögen --> Es existiert eine Schuldenkrise aber komischerweise keine Guthabenkrise. Dabei gehört das zusammen.
Das sind saldenmechanische Basics (und die finden sich mittlerweile auch im Grundbestand der "Modern Monetary Theory" - siehe z.B. Randall Wray: "Modern Money Theory - A Primer" (2012), im "Stock-Flow-Consistent Modelling" oder bei Bruun/Heyn-Johnsen).
"Guthabenkrise" ist aus meiner Sicht ein genauso verkürzter Begriff wie "Guthabenkrise". Weder Schulden noch Guthaben sind per se irgendein Problem, auch nicht die absolute Höhe der Schulden = Guthaben. Die Frage ist, wer sich bei wem verschuldet, und wofür und mit welchen Erwartungen/Plänen; und welche Handlungen und gesamtwirtschaftlichen Ergebnisse daraus folgen.
Schön ist, wenn zukünftig sowohl der Personensektor als auch der Firmensektor geringe Verschuldungsvolumen im Gesamten als auch individuell aufweisen,
?!? Warum? Welchem Ziel soll das dienen?
doch genau das soll durch die "Vollgeldinitiativen (exogen)" verhindert werden. Deshalb habe ich ein Problem mit diesen Ansätzen.
Aus meiner Sicht ist der Blick der "Vollgeldler" zu eingeschränkt auf EIN verfügbares geldpolitisches Instrument (Mindestreserve) - das potenteste Instrument (Fiskalpolitik) wird gar nicht zum Thema gemacht, stattdessen werden Staatsschulden per se für unerwünscht erklärt. Zudem fehlt ein politökonomisches Modell der GESAMTwirtschaft, das m.E. zur Planung einer wirtschaftspolitischen Strategie - und genau das brauchen wir - unverzichtbar ist, aber leider von den bestehenden Paradigmen (Klassik, Neoklassik, Keynesianismus) entweder komplett falsch (Klassik, Neoklassik) oder unvollständig und ohne Fundamente (Keynesianismus) geliefert wird und deswegen erst geschaffen werden muß.
Beim Vortrag von H.Felber hat eben dieser mal konkretere Angaben gemacht: Die Personenverschuldung als auch die Firmenverschuldung soll bei ca. 120% +/- 20% BIP liegen, bei Null Staatsschulden.
Wie werden sich diese ca. 250% BIP Verschuldungsvolumen wohl aufteilen innerhalb der Bevölkerung und bei den Firmen, wenn gleichzeitig auch noch ca. 250% BIP Sparvermögen aufgeteilt werden müssen?
Für mich hat diese Frage eine ganz einfache Antwort.
Und für mich stellen sich ganz andere Fragen.
Gruß am Abend.
- [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, moneymind, 28.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, Axel Grimm, 29.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, Rudi, 29.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, moneymind, 30.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, Axel Grimm, 30.04.2014
- [AG-GOuFP] Schöne ML-Beiträge für Blog (Vorschläge), thomas, 30.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, Axel Grimm, 30.04.2014
- Re: [AG-GOuFP] Sektorale Verschuldungssalden 30er Jahre und heute: Parallelen, Axel Grimm, 29.04.2014
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