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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?
  • Date: Thu, 27 Feb 2014 10:10:59 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

noch was kurzes zu H/S von Gerald Braunberger:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wirtschaft/rezension-sachbuch-die-vision-der-eigentumsgesellschaft-11301108.html

/"Da (bei H/S) *Geld- und Finanzpolitik als machtlose Instrumente gelten*,
holen die Autoren einen ganz großen Knüppel aus dem Sack: "Der Staat
muß wie ein Romulus handeln, also durch die radikale Verteilung von
Eigentum die Verschuldungsfähigkeit wiederherstellen."/

Wie schon gesagt, der Eigentumsessentialismus bei H/S lebt m.E. von
derselben Fehlvorstellung wie die Quantitätstheorie: H/S berücksichtigen
nicht systematisch nicht, wie Eigentum (Vermögensrechte, nominell
variabel) und Schulden (nominell fixiert) über den subjektiven
Bewertungsprozess der Gläubiger zusammenhängen, in other words: man
steht ohne den entscheidenden Kern jeglicher Wirtschaftstheorie da:
ohne eine die praktische Realität erfassende Werttheorie.

H/S versuchen zwar, eine zu entwerfen. Aber dann diskutieren sie nur,
wie verschuldete Produzenten Warenpreise machen, ignorieren aber
völlig den für "credit bubbles" und "credit crunches" entscheidende
Tatsache, daß Kreditgeber bei der Kreditvergabe die haftenden
Sicherheiten des Schuldners bewerten, und zwar in Bezug auf
dessen Ertragsaussichten.

Daß nun bei einer Kreditexpansion auch die Sicherheiten aufgewertet
werden, was auch das Kreditvergabepotential erhöht, während in einer
Kontraktion die haftenden Sicherheiten abgewertet werden und damit
auch "faule Forderungen" entstehen können, erwähnen H/S zwar in ein
paar Sätzen, es spielt aber keine Rolle für ihre Theorie. Denn sonst
könnten sie nicht behaupten, daß "vorhandenes Eigentum" die
Kreditvergabe begrenze. Sie reden nicht mal davon, daß es nicht "das
Eigentum", sondern sein Vermögenswert ist, der den begrenzenden Faktor
liefert, denken also implizit dabei an Eigentums-Mengen (Gütermengen)
derselbe Fehler, den die Quantitätstheorie begeht (man kann nicht
Gütermengen mit Schuldensummen vergleichen, sondern nur den
Vermögenswert von Gütern, der eben variabel ist und in Abhängigkeit von
Ertragsaussichten geschätzt wird.

Darauf, dies zu ignorieren, beruht auch ihre Keynes-Kritik in der
"Schulökonomik" (Stadermann/Steiger).

Sie sind von Monetärkeynesianern wie Riese oder Spahn und anderen
wie Läufer (verlinkt im anderen Posting von mir) darauf oft hingewiesen
worden.

Jemand, der dies deutlich sieht und (völlig zu recht) zum Kern seiner
Theorie gemacht hat, ist George Soros ("Alchemy of Finance", das Kapitel
"The Credit and Regulatory Cycle http://books.google.de/books?id=qxkiYul2wgoC&printsec=frontcover&dq=alchemy+of+finance&hl=de&sa=X&ei=9woPU46MIYiGswanqYH4Aw&ved=0CEUQuwUwAA#v=onepage&q=alchemy%20of%20finance&f=false";).

Soros sieht auch, daß es einen Zyklus von Credit Bubble, Credit Crunch
und nachfolgender staatlicher Regulation gibt, die dann nach und nach
wieder unterlaufen wird und zur nächsten Bubble führt (ein Prozess, der
sich m.E. auch auf der Ebene der Schulmeister'schen "langen Wellen"
abspielt).

Letztendlich liefern H/S also gerade keine realistische Werttheorie, die
aber die Basis fürs Verständnis von Credit Bubbles und -crunches und
damit Konjunktur liefert. Eine solche aber ist der Kern aller Ökonomie.

Zwar haben auch die Arbeitswerttheorie (Klassik + Marx) und die
Neoklassik da nur Schrott zu bieten. Die keynesianische Tradition
aber weit mehr, das H/S nicht nutzen, sondern gerade ignorieren.

Zum Beispiel findet sich eine detaillierte Schilderung des Prozesses der
Kreditexpansion mit Aufwertung der Sicherheiten im Lehrbuch von
Heine/Herr (VWL, eine paradigmenorientierte Einführung http://books.google.de/books?id=ub52wuWf1zoC&pg=PR2&dq=heine+herr+vwl&hl=de&sa=X&ei=SwsPU8juCMWVswaoloHADw&ved=0CDsQ6AEwAA#v=onepage&q=heine%20herr%20vwl&f=false),
S. 455-461.

Zwar nur für Finanzmarktkrisen, aber die Konjunkturzyklen in der
Realwirtschaft funktionieren genauso, nur ist da eben reale Produktion
"dazwischengeschaltet", mit zusätzlichen Variablen, wie der Lohnquote,
der Sparquote der Haushalte, etc.

Auch bei Minsky findet sich Beschreibung des Prozesses, die klar und
einfach zeigt, daß Marktteilnehmer eben prozyklisch handeln müssen.

H/S ignorieren all das - kein Wunder, wenn man - wie Stadermann und
Heinsohn (nicht Steiger, denke ich) "alle Keynesianer tot"-schlagen
möchte (so der Titel von Stadermanns Rezension von Minsky's
"Instabilität und Kapitalismus"). Das war zur Zeit der Entwicklung der
"Eigentumsökonomik" - ab Ende der 70er - eben Mode (und damals
noch nicht als ideologischer Mainstream durchgesetzt).

Es hängt eben nicht der Geldwert vom Eigentum ab, sondern der Wert des
Eigentums "schwankt" mit Kreditexpansion und -Kontraktion in
Abhängigkeit von Ertragserwartungen - er "schwankt" aber nicht von
alleine, sondern, weil Kreditgeber die Sicherheiten zu unterschiedlichen
Zeitpunkten unterschiedlich bewerten.

Hinzu kommt die falsche Einschätzung von Staatssschulden, die ebenfalls
(bewußt oder unbewußt) ideologisch motiviert sein dürfte. Über die
Funktion der Zentralbank gar nicht zu reden.

Sorry für die "many words", aber hier sind wir wirklich am
Kernpunkt aller "Kreditwirtschaft", meine ich - nur so kann
man eben Konjunktur und Finanzmarktkrisen verstehen.

Das war aber für H/S nicht das Ziel und das Problem, da sie ihrer Theorie
in einer ganz anderen gesellschaftlichen Situation entwickelten: nämlich
zur Zeit einer Übermacht der Gewerkschaften, als sich ganz andere
Probleme stellten als heute nach der Finanzkrise 2007ff. Auch so was
beeinflußt die Wahrnehmung von Theoretikern.

Deswegen werden wir hier m.E. auch diesen Schaltpunkt der
Ökonomiegeschichte diskutieren müssen ("Ende der keynesianischen
Nachkriegsära"). Flaßbeck hatte dazu aus seiner Sicht gerade einige
Beiträge auf seiner Seite geschrieben (leider nur im Aboforum). Auch von
Schulmeister gibt es dazu einen Aufsatz.

http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/ZurKriseDerWeltwirtschaft70er80er.PDF

So, aber ich muß Schluß machen, muss weg.




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