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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Pot. Blog-Artikel: Löhne, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitslosigkeit

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Pot. Blog-Artikel: Löhne, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitslosigkeit


Chronologisch Thread 
  • From: Thomas Weiß <Weiss-Tom AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Pot. Blog-Artikel: Löhne, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitslosigkeit
  • Date: Tue, 03 Dec 2013 12:52:31 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Am 03.12.2013 11:58, schrieb Amos Comenius:

Am 03.12.2013 00:08, schrieb Thomas Weiß:
...
und vermindert folglich die Motivation für Unternehmer in Deutschland zu investieren, also Arbeitsplätze zu schaffen.
Das gilt nur dann, wenn sich anderswo bei gleichem Risiko(!) höhere Profite erwirtschaften lassen. Das wird z.B. schwerer, wenn auch im Ausland die Arbeitslosigkeit sinkt und damit die Löhne steigen. (s.u.)
Sieht man sich die Auslandsinvestitionen der letzten zehn Jahre an, kann man wohl eher sagen, dass das Risiko den Unternehmen ziemlich egal ist. -> http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutsche-investoren-verlieren-600-milliarden-euro-im-ausland-verzockt/8523022.html
Soweit so gut.

Viel zu wenig wird jedoch in der deutschen Öffentlichkeit die andere Seite der Medaille angesprochen: die Nachfrage. Steigende Löhne bedeuten auch steigenden Konsum bzw., aus Unternehmerseite betrachtet, steigende Umsätze und Profite.

Kompensiert also nun der Nachfrageeffekt die höheren Lohnkosten, sodass die Profite der Unternehmen unterm Strich stabil bleiben? Leider nur teilweise. Hier kommt nämlich der Außenhandel ins Spiel. Man darf selbstverständlich nicht annehmen, dass die höhere Nachfrage vollständig in *inländische* Produkte fließt. Der Teil, mit dem ausländische Produkte gekauft, also zusätzliche Importe finanziert werden, schlägt sich letztendlich negativ auf die Profite deutscher Unternehmen nieder.
Hier springst du zu kurz. Piratige Wirtschaftspolitik sollte immer global denken. Und global betrachtet wird die Arbeitslosigkeit auf jeden Fall sinken
Das finde ich nicht so klar.
- das ist schon mal gut, hat aber eben auch Rückwirkungen auf Deutschland:
  1. Die Steigerung der globalen Nachfrage wird auch die Nachfrage nach deutschen Produkten erhöhen. (Der französiche Produzent, der mehr Nachfrage spürt, wird sich jetzt die gute deutsche Maschine leisten. Sein leitender Angestellter, der jetzt mehr verdienen kann, kann sich einen BMW kaufen. etc.)
  2. Wenn die deutsche Nachfrage nach spanischen Produkten höher wird, und dort die Arbeitslosigkeit sinkt, können dort die Löhne steigen, was einerseits wieder zu 1. führt und andererseits es für den deutschen Investor attraktiver macht, sein Geld in Deutschland zu investieren. (s.o.)

Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt also tatsächlich durch die höheren Löhne.
Nein, die Wettwerbsfähigkeit eines Unternehmens wird nur schlechter, wenn die Lohnerhöhungen in die Preise gehen. Wenn aber auf dem Markt keine steigenden Preise durchgesetzt werden können (z.B. weil ein Teil der Kaufkraft ins Ausland geht), dann mindern die steigenden Löhne nur die Profite.
Hier haben wir einen kleinen Definitionsdissenz. Laut meiner Definition (und u.a. wikipedia) ist Wettbewerbsfähigkeit die Höhe der erreichbaren Gewinne.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bleibt somit voll erhalten. Anderes gilt erst, wenn die Profite unter die Marge fallen, die für produktive (Forschungs- und Rationalisierungs-)Investitionen erforderlich ist, (davon sind wir heute in Deutschland weit entfernt) oder ein Unternehmer glaubt anderswo bessere Profite mit gleichem Risiko realisieren zu können. Vor letzterem müssen wir keine Angst haben, solange wir in Technologie, Bildung und Infrastruktur gut dastehen.
Hm, naja. Siehe auch meine Antwort auf Rudi; die Investitionen in Deutschland sind seit 2002 signifikant unter dem EU-Durchschnitt -> http://www.bildung-und-beschaeftigung.de/w/gfx/large/igm20/grafiken/investitionsquoten_seit_1990-1.gif
(Zur Not könnten Firmen, die geschlossen werden sollen, obwohl sie stabile schwarze Zahlen schreiben, vorübergehend verstaatlicht, rekapitalisiert und/oder in Genossenschaften umgewandelt werden.)
Dass aber nicht alle gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können, und dass Deutschland innerhalb der EWU klar *über*-wettbewerbsfähig ist, wurde bereits hier (http://www.geldsystempiraten.de/wp/populare-irrtumer-die-sache-mit-der-wettbewerbsfahigkeit/) dargelegt. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, Arbeitslosigkeit global zu reduzieren, oder ob man diese letztendlich nur zwischen den Ländern hin- und herschieben kann.
Ja, die Möglichkeit gibt es: S.o. die Umverteilung von Profiten zu Löhnen senkt die Arbeitslosigkeit global.
Anders ausgedrückt: Hätte die deutsche Wirtschaft den Erfolg der letzten Jahre auch erreichen können, ohne durch exzessives Lohndumping seine europäischen Partner niederzukonkurrieren?
Ja! Relativ zu den Anderen stünden wir schlechter da, aber absolut könnten wir alle besser dastehen als wir es heute tatsächlich tun. (Das ist regelmäßig das Ergebnis des "Gefangenendilemmas".)
Du meinst, auch relativ zur derzeitigen Situation würde Deutschland besser dastehen? Ich bin mir unsicher

Ich sage ja. Eine Möglichkeit dazu liegt in den Lohnnebenkosten, also der Differenz zwischen den Lohnkosten der Unternehmen und den Nettolöhnen der Arbeiter. Eine Senkung der Lohnnebenkosten stärkt die Nachfrage während die Gewinne der Unternehmen erhalten werden.
Leider ganz weit daneben. Lohnnebenkosten sind Löhne, sind Kaufkraft.
Einkommensteuer geht an den Staat. Der Staat aber braucht keine Einnahmen um Kaufkraft zu haben. (Jaja, die hardcore-MMT-ler wieder :-) )
Sie werden nachfragewirksam z.B. bei Pflegeleistungen, Leistungen des Gesundheitssystems, steigern die Kaufkraft der Rentner und der Arbeitslosen. Eine Senkung der Lohnnebenkosten erhöht die Kaufkraft der Lohnempfänger genau um den Betrag, um den sie bei Anderen (Kranken, Pflegebedürftigen, Rentnern, Arbeitslosen, Sozialverwaltern ...) gesenkt wird. Ein Nullsummenspiel. (Um nicht zu sagen neoliberale Propaganda.)
Sinnvolle Wirtschaftspolitik sollte also Sozialabgaben reduzieren (bei gleichzeitigem Erhalt der Leistungen durch den Staatshaushalt) oder *nachfragewirksame* Steuersenkungen (Einkommensteuerfreibeträge, Mehrwertsteuer) durchführen.
OK, wenn die Leistungen durch den Staatshaushalt ausgeglichen werden, dann gilt mein obiger Einwand natürlich nicht, aber dann muss man sich auch nicht auf die Senkung der Lohnnebenkosten festlegen. Jede kredit- oder zentralbankfinanzierte staatliche Ausgabe hätte denselben Effekt einer Nachfragesteigerung ohne Profiteinschränkung.
Richtig.

Aber aus der "Guthabenkrise" kommen wir nur heraus, wenn die Löhne zu Lasten der Profite steigen. Wir brauchen also Maßnahmen, die die Kaufkraft steigern und die Profite senken, z.B. Mindestlohn, Erhöhung von Staatsausgaben bei gleichzeitiger Vermögensbesteuerung etc.

Ein wahres Wort. Ich habe allerdings Angst, dass die internationale Kapitalfreiheit ein zu starkes Sinken der Profite mit Deindustrialisierung bestraft.
Die Regierungen der letzten Jahre haben stattdessen genau nicht nachfragewirksam Steuern gesenkt, betreffend Vermögensteuer, Erbschaftssteuer, Spitzensteuersatz, Kapitalertragssteuer, siehe hierzu http://www.nachdenkseiten.de/?p=18433.

Offensichtlich würden diese Reformen zu einer höheren Neuverschuldung führen. Ich jedoch kann nicht verstehen, dass diese Zahl auf dem Papier wichtiger sein soll als das Elend von Millionen von Bürgern.
Hier sind wir uns mal einig. Aber warum sollen wir auf das Zusammenkrachen der Finanzblasen mit relativ unkalkulierbaren Nebenwirkungen warten, wenn wir die Situation auch durch einen kontrollierteren Abbau der Guthaben auf das Level einer sinnvollen Sparquote entschärfen könnten.
Klar, da bin ich auch dafür. Aber das konnte ich nicht auch noch in den Artikel packen.

Ahoi,
Comenius

Insgesamt kriegst du auch von mir ein +1 dafür. Ich denke, ich werde den Artikel signifikant umgestalten...



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