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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] höheres Eigenkapital für Banken, aber wie?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] höheres Eigenkapital für Banken, aber wie?


Chronologisch Thread 
  • From: "Benedikt Weihmayr" <benedikt AT weihmayr.de>
  • To: "'Patrik Pekrul'" <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] höheres Eigenkapital für Banken, aber wie?
  • Date: Mon, 4 Nov 2013 22:08:20 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Im Artikel habe ich erwähnt dass das jetzige Steuerrecht die Finanzierungskosten verzerrt. Zudem gehst du in deiner Rechnung davon aus, als dass die Kapitalgeber die Rendite einfach so bestimmen könnten, was in der Realität einfach nicht der Fall ist! Dein starkes Augenmerk auf die Aktivseite ist löblich und sehe ich genauso, aber dass du die Passivseite als irrelevant erachtest halte ich für falsch.

 

 

Von: Patrik Pekrul [mailto:patrik.pekrul AT hotmail.de]
Gesendet: Montag, 4. November 2013 21:30
An: Benedikt Weihmayr
Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-GOuFP] höheres Eigenkapital für Banken, aber wie?

 

Wie wäre es mit: Gar nicht!

 

Höhere Eigenkapitalquoten werden Krisen eher wahrscheinlicher machen, weil der Renditedruck auf die Institute steigt  - und damit die Risikoneigung - ebenso wie die Vernetzung zwischen den Instituten - damit STEIGT das systemische Risiko.


Einfaches Beispiel:

 

Eine Bank verspricht ihren Aktionären eine Eigenkapitalrentabilität von 25%, sie hat aktuell eine EK-Quote von 3%. Nehmen wir weiter an, dass 50% der Bilanz Sichtguthaben sind, die mit 1% verzinst werden und 47% Spareinlagen mit 5%.

Die Bilanzsumme sei 1 Mrd.€, also

30 Mio.€ Eigenkapital
470 Mio.€ Spareinlagen
500 Mio.€ Sichtguthaben

Damit die Bank ihre Verpflichtungen/Versprechungen erfüllen kann, muss sie also

7,5 Mio.€ + 23,5 Mio.€ + 5 Mio.€ = 36 Mio.€ an Ergebnis erwirtschaften, sprich eine Gesamtrentabilität von 3,6%

Jetzt kommen irgendwelche Leute auf die Idee, das Eigenkapital auf 20% zu erhöhen. Dieses soll über eine Umschichtung von Sparanlagen in Aktien erfolgen. Was ist das Ergebnis?

Nun die Bilanz sieht nun wie folgt aus:

200 Mio.€ EK
300 Mio.€ Spareinlagen
500 Mio.€ Sichtguthaben

Wenn die Banken nicht anders investieren, dann haben sie nach wie vor ein Ergebnis von 36 Mio.€; das Eigenkapital kriegt das, was übrig bleibt, also

36 Mio.€ - 5 Mio.€ - 15 Mio.€ = 16 Mio.€ für das Eigenkapital, macht eine Rentabilität von 8%

Fraglich ist, ob ein Risikoaufschlag von lediglich 3% gegenüber der Spareinlage ausreicht, um die sicherheitsorientierten Halter dazu zu bewegen, nun lieber Eigenkapital zu halten - ich denke nicht.

Hinzu kommt, dass ja vorgeblich die höhere Eigenkapitalquoten zu konservativeren Investments der Banken führen soll, weil nun der vorgeblich rationalere und langfristigere Einfluss der Aktionäre dominanter werden soll - was ich auch für einen Mythos halte. Infolgedessen wäre die erwartete Rendite sogar noch niedriger, da üblicherweise weniger Risiko mit weniger Rendite einhergeht. Sinkt sie dadurch aber nur von 36 Mio.€ auf 30 Mio.€, ist die Aktie überhaupt nicht mehr rentabler als die Spareinlage, es gibt also ebenfalls gar keinen Grund mehr zum Umschichten - und deshalb wird es auch nicht stattfinden.

Was ist aber die Alternative, wenn nicht durch Umschichtung?


Nun, das Eigenkapital muss erhöht werden, aber woher soll das Geld kommen? Da gibt es nur einen Weg: Höhere Kreditvergabe.

Soll also bspw. das Eigenkapital auf 20% ansteigen, dann muss es bei unveränderten 470 Mio.€ Spareinlagen und 500 Mio.€ Sichteinlagen (also zusammen 970 Mio.€ = 80%) auf 242,5 Mio.€ steigen. Es müssen also zusätzliche Kredite in Höhe von 206,5 Mio.€ herausgegeben werden.

Gehen wir mal davon aus, dass diese Kredite für spekulative Zwecke (Investitionen in Aktien) zu 8% ausgegeben werden, dann stiegen damit die Einnahmen der Bank um 16,5 Mio.€, also auf insgesamt 52,5 Mio.€, abzgl. der Ausgaben für Spareinlagen und Sichtguthaben in Höhe von 28,5 Mio.€ verbleiben 24 Mio.€ für das Eigenkapital, was einer Eigenkapitalrentabilität von 10% entspricht.

Das ganze ist aber rein virtuell, weil die neuen Aktionäre zwar 10% Eigenkapitalrendite bekommen, aber auf der anderen Seite 8% an Zinsen zahlen müssen. Wer kauft schon Aktien mit einer Nettorendite von 2%? Der Kreis der Interessenten dürfte beschränkt sein.

Aber selbst WENN es Interessenten geben sollte, würde das das System sicherer machen?

Nun, wer könnten denn die Interessenten/Käufer für die neuen Aktien sein?

A) Die Banken selbst
B) Nichtbanken, vornehmlich institutionelle Anleger

In beiden Fällen nimmt das "too-interconnected-to-fail"-Problem zu und damit der "Dominoeffekt". Das System wird also insgesamt noch anfälliger.

 

Mehr hierzu: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/ThemaEigenkapital

Was also tun?

Das systemische Risiko liegt letztlich allein auf der Aktivseite. Wie man dieses Risiko auf die Passivseite verteilt, spielt nur eine untergeordnete Rolle - eine Bank wird nicht sicherer, nur weil die ehemaligen Halter von Sparanlagen nun Aktien halten. Ob ihre Ansprüche um 50% gekürzt werden, weil die Bank pleite ist, oder 50% verlieren, weil sie Aktien besitzen, ist am Ende gleichgültig. Ein Verlust von X bleibt ein Verlust von X, egal wie man ihn verteilt.

Es gibt deshalb nur einen Weg das systemische Risiko zu verringern: Es geht darum, WOFÜR Kredite vergeben werden. Hier ist meines Erachtens, der Principle-Agent-Ansatz zielführender als Modigliani und Miller (deren Theorie auf daran krankt, dass sie den vollkommenen Markt voraussetzen). Das Banken-Management muss gezwungen/animiert werden, vernünftig zu investieren - das kriegt man nicht mit mehr Eigenkapital hin.

 

Mehr dazu: http://www1.uni-hamburg.de/Kapitalmaerkte/download/SeminarSoSe2006FolienI.pdf

Und Banken, die Kredite vergeben, um damit Aktien von Banken zu kaufen ist so ziemlich das sinnloseste, was man tun kann. Die Kredite müssen dorthin gelenkt werden, wo sie am sinnvollsten sind - und das ist NICHT der Finanzsektor, zu dem auch die Banken selbst gehören, sondern die Realwirtschaft. Weil nur dort volkswirtschaftliche Wertschöpfung stattfindet.


Man muss verstehen, dass sämtliche Positionen auf der Passivseite der aggregierten Bankbilanz letztlich mit Geld bezahlt werden, das durch die Kredite auf der Aktivseite geschöpft wurde - auch das Eigenkapital.

 

Dass "too interconnected"-Problem liesse sich bspw. durch ein Target3-System lösen: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Target3

 

Am 04.11.2013 um 19:42 schrieb Benedikt Weihmayr:





Am 04.11.2013 um 19:40 schrieb Benedikt Weihmayr:



 




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