Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Geldschöpfung: Alle haben Recht - aber einen Geldschöpfungsgewinn gibt es nicht.

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

[AG-GOuFP] Geldschöpfung: Alle haben Recht - aber einen Geldschöpfungsgewinn gibt es nicht.


Chronologisch Thread 
  • From: Comenius <comenius2000 AT gmail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-GOuFP] Geldschöpfung: Alle haben Recht - aber einen Geldschöpfungsgewinn gibt es nicht.
  • Date: Sun, 10 Jun 2012 20:27:16 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Nachdem ich ein wenig bei Carsten Lange gelesen habe, habe ich Einiges verstanden, das möglicherweise dazu beitragen kann, den Streit um den Geldschöpfungs"gewinn" beizulegen.
  1. Der Staat kann eine Seignorage (Geldschöpfungsgewinn) realisieren, wenn und solange er ein Monopol auf die Geldschöpfung hat. Ohne dieses Monopol könnte jeder beliebig viel Geld "drucken", das Geld würde dann auf dem Markt nicht einmal die Herstellungskosten realisieren können, hätte also lediglich den Wert von Altpapier. Also: Ohne Monopol auf Geldschöpfung kein Geldschöpfungsgewinn. Für Bargeld ist das unbestritten.
  2. Würde sich der Staat das Geldschöpfungsmonopol auch für die Schöpfung des Giralgeldes vorbehalten, könnte er auch dafür einen Gewinn realisieren. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Bei der Geldschöpfung durch Kreditvergabe (so entsteht ja Giralgeld) kann sich der Geldschöpfer, anders als beim frisch gedruckten Bargeld, nichts dafür kaufen, da er das Geld ja bereits verliehen hat. Es bleiben ihm aber die Zinsen über die gesamte Laufzeit des Kredites abzüglich der Verwaltungskosten. - Ein Bombengeschäft, so scheint es, erheblich lukrativer als die Seignorage aus dem Bargeld, allein schon wegen der geringen Herstellungskosten, der praktisch unbegrenzten Haltbarkeit und der weitaus größeren Menge. Hinzu käme, dass der Staat als Geldschöpfungsmonopolist den Zins für das geschöpfte Geld selbst festlegen könnte.
  3. Die Monopolisierung der Giralgeldschöpfung bei der Zentralbank, könnte dem Staat also Milliarden jährlich in die Kassen spülen. [Da haben Arne und Christoph vollkommen Recht.]
  4. Da der Staat als Monopolist den Zins auf das Giralgeld beliebig festsetzen könnte, könnte er ihn einerseits sehr hoch setzen und damit sehr viel verdienen oder ihn auf Null setzen und gar nichts verdienen. Insofern würde ein solcher "Geldschöpfungsgewinn" einer Zentralbank, die das Giralgeldschöpfungsmonopol hätte, in Erscheinungsform und Auswirkungen eher einer Steuer ähneln als einer Seignorage - auch in dem Vorteil, dass sie ständig anfällt und nicht nur einmalig beim Geldschöpfungsakt.
  5. Das bedeutet mit der Monopolisierung der Giralgeldschöpfung bei der Zentralbank hätte der Staat (unter anderem) die Möglichkeit praktisch eine "Steuer" auf die Geldschöpfung zu erheben. Die Höhe dieser Steuer könnte er, je nachdem was "er" für sinnvoll hält, festsetzen.
  6. Eine Erhöhung dieser Geldschöpfungssteuer (=Zins auf geschöpftes Giralgeld) würde zu einer Erhöhung des Marktzinses führen, eine Senkung führte zu einer Senkung des Marktzinses. In der Folge würde auch das Geldmengenwachstum in der jeweils entgegengesetzten Richtung beeinflusst.
    [Ich vermute, bis hierher können noch alle mitgehen.]
  7. Wenn wir nun den Konjunktiv beenden und uns der Realität zuwenden, sehen wir, dass der Staat auf das Monopol der Giralgeldschöpfung verzichtet hat. Das bedeutet (neben anderem), dass er sich entschieden hat, den Zins auf frisch geschöpftes Giralgeld auf Null zu setzen. Damit kann jede Bank "zum Nulltarif" Geld schöpfen (begrenzt durch Eigenkapitalvorschriften u.ä.). Und dies geschieht natürlich auch in großem Stil.
  8. Was man aber zum Nulltarif bekommen kann, kann man aber nicht verkaufen (höchstens zum Preis der "Transportkosten"). Oder anders ausgedrückt, da keine Bank ein Monopol auf die Giralgeldschöpfung hat, kann auch keine Bank einen Giralgeldschöpfungsgewinn realisieren. [Insofern hat Nicolai vollständig recht.]
    Ich will diesen Zusammenhang für Nicht-Wiwis noch kurz an einem Beispiel verdeutlichen:
    Würde der Staat ein Wassermonopol für sich beanspruchen, könnte er z.B. auf jeden Liter "geschöpftes" Wasser 1 Cent Wasserschöpfungssteuer erheben. Solange er das nicht tut, kann jeder in seinem Garten ein Loch graben und erhält sein Wasser "zum Nulltarif". Niemand kann also mit dem "Schöpfen" von Wasser Geld verdienen, wohl aber mit dem Brunnengraben, der Wasseraufbereitung und dem Transport in meine Küche. Also: Solange es kein Wassermonopol gibt, zahle ich nur für Aufbereitung und Transport des Wassers, nicht fürs "Schöpfen". Nur ein Wasserschöpfungsmonopolist könnte einen Wasserschöpfungsgewinn realisieren. Würde der Staat zum Wassermonopolisten und würde einen Wasserschöpfungsgewinn einfordern, würde natürlich der Wasserpreis steigen. D.h. aber: Den Vorteil, der daraus resultiert, dass der Staat keinen Wasserschöpfungsgewinn beansprucht, hat nicht allein das Wasserwerk, sondern alle an der Wasserwirtschaft beteiligten - in erster Linie die Wasserverbraucher wegen des nicht erhöhten Wasserpreises. Diesen Vorteil, der sich aus der Nichterhebung einer Wasserschöpfungsabgabe ergibt, kann man aber m.E. nicht sinnvoll als "Wasserschöpfungsgewinn" bezeichnen.
  9. Der Vorteil, der sich aus dem Verzicht des Staates auf einen Giralgeldschöpfungsgewinn ergibt, ist nur insofern "real", als es ja auch anders sein könnte. Er "realisiert" sich über nicht erhöhte Zinsen zum Vorteil der gesamten Geldwirtschaft [ein solcher potentieller Vorteil aus einer nicht erhobenen Steuer steht natürlich auch in keiner Bilanz]. Diesen Vorteil haben aber eben nicht allein und auch nicht in erster Linie die Banken [das haben Arne und Christoph ja auch bereits zugestanden], sondern die gesamte Geldwirtschaft, also z.B auch die Kreditnehmer. Diesen Vorteil (gegenüber einer nur möglichen, vorgestellten anderen Situation) aber als "Geldschöpfungsgewinn" zu bezeichnen, ist einfach irreführend. Genauso gut könnte ich den Verzicht des Staates auf eine Luftschöpfungssteuer als Luftschöpfungsgewinn bezeichnen, der sich mit jedem Atemzug realisiert. Wenn man einen solchen "potentiellen Vorteil" nun Opportunitätskosten-Seignorage nennt und diesen Begriff sauber definiert, mag das gerade noch angehen. Wenn man aber von einem "Gewinn" spricht, dann sollte man den auch in einer Bilanz wiederfinden können. Genau das kann man aber nicht. [Insofern kann es auch keinen Geldschöpfungsertrag geben, den ich in meinem letzten Posting "das Grillfest beenden" fast zugestanden hätte.]
  10. Wenn Arne also definiert: "Der Geldschöpfungsgewinn ist der Barwert der ersparten Zinses auf die nicht zu leistende eigene Liquidität", dann kann er das so tun, da aber auf geschöpftes Geld kein Zins erhoben werden kann, ist auch der ersparte Zins genau 0. Niemand würde Zinsen für kostenlos geschöpftes Geld zahlen, wenn er es auch selbst schöpfen könnte. Und jeder kann Geld schöpfen, wenn er nur eine Bank gründet (z.B. eine Genossenschaftsbank). Wenn die Banken nun aber kein Geld zinslos verleihen, auch selbst geschöpftes nicht, so liegt das einerseits an den Verwaltungskosten und andererseits an der Mischkalkulation zwischen (kostenlos) geschöpftem und weiter verliehenem Geld, für das die Bank selbst Zinsen zahlen muss.
Fazit:
  • Einen Geldschöpfungsgewinn gibt es nur und kann es nur geben, wenn und solange es ein Geldschöpfungsmonopol gibt.
  • Die Höhe dieses Gewinnes kann der Monopolist frei festlegen. (Das Optimum dürfte in der Nähe des Marktzinses liegen. Aber das ist erstmal nur eine Hypothese.)
  • Ohne Geldschöpfungsmonopol ist die Geldschöpfung freigegeben und somit kostenlos, kann also auch nicht gewinnbringend verkauft werden. Ohne Geldschöpfungsmonopol kein Geldschöpfungsgewinn.
  • Würde der Staat das Monopol der Giralgeldschöpfung für sich reklamieren, könnte er richtig fett krass Kasse machen. Über Risiken und Nebenwirkungen eines solchen Monopols haben wir noch nicht gesprochen.

Ich hoffe es hilft weiter.

Ahoi,

Comenius




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang