Nachdem ich ein wenig bei
Carsten Lange gelesen habe, habe ich Einiges verstanden, das
möglicherweise dazu beitragen kann, den Streit um den
Geldschöpfungs"gewinn" beizulegen.
- Der Staat kann eine Seignorage (Geldschöpfungsgewinn)
realisieren, wenn und solange er ein Monopol auf die
Geldschöpfung hat. Ohne dieses Monopol könnte jeder beliebig
viel Geld "drucken", das Geld würde dann auf dem Markt nicht
einmal die Herstellungskosten realisieren können, hätte also
lediglich den Wert von Altpapier. Also: Ohne Monopol auf
Geldschöpfung kein Geldschöpfungsgewinn. Für Bargeld ist das
unbestritten.
- Würde sich der Staat das Geldschöpfungsmonopol auch für die
Schöpfung des Giralgeldes vorbehalten, könnte er auch dafür
einen Gewinn realisieren. Es gibt aber einen wichtigen
Unterschied: Bei der Geldschöpfung durch Kreditvergabe (so
entsteht ja Giralgeld) kann sich der Geldschöpfer, anders als
beim frisch gedruckten Bargeld, nichts dafür kaufen, da er das
Geld ja bereits verliehen hat. Es bleiben ihm aber die Zinsen
über die gesamte Laufzeit des Kredites abzüglich der
Verwaltungskosten. - Ein Bombengeschäft, so scheint es,
erheblich lukrativer als die Seignorage aus dem Bargeld, allein
schon wegen der geringen Herstellungskosten, der praktisch
unbegrenzten Haltbarkeit und der weitaus größeren Menge. Hinzu
käme, dass der Staat als Geldschöpfungsmonopolist den Zins für
das geschöpfte Geld selbst festlegen könnte.
- Die Monopolisierung der Giralgeldschöpfung bei der
Zentralbank, könnte dem Staat also Milliarden jährlich in die
Kassen spülen. [Da haben Arne und Christoph vollkommen Recht.]
- Da der Staat als Monopolist den Zins auf das Giralgeld
beliebig festsetzen könnte, könnte er ihn einerseits sehr hoch
setzen und damit sehr viel verdienen oder ihn auf Null setzen
und gar nichts verdienen. Insofern würde ein solcher
"Geldschöpfungsgewinn" einer Zentralbank, die das
Giralgeldschöpfungsmonopol hätte, in Erscheinungsform und
Auswirkungen eher einer Steuer ähneln als einer Seignorage -
auch in dem Vorteil, dass sie ständig anfällt und nicht nur
einmalig beim Geldschöpfungsakt.
- Das bedeutet mit der Monopolisierung der Giralgeldschöpfung
bei der Zentralbank hätte der Staat (unter anderem) die
Möglichkeit praktisch eine "Steuer" auf die Geldschöpfung zu
erheben. Die Höhe dieser Steuer könnte er, je nachdem was "er"
für sinnvoll hält, festsetzen.
- Eine Erhöhung dieser Geldschöpfungssteuer (=Zins auf
geschöpftes Giralgeld) würde zu einer Erhöhung des Marktzinses
führen, eine Senkung führte zu einer Senkung des Marktzinses. In
der Folge würde auch das Geldmengenwachstum in der jeweils
entgegengesetzten Richtung beeinflusst.
[Ich vermute, bis hierher können noch alle mitgehen.]
- Wenn wir nun den Konjunktiv beenden und uns der Realität
zuwenden, sehen wir, dass der Staat auf das Monopol der
Giralgeldschöpfung verzichtet hat. Das bedeutet (neben anderem),
dass er sich entschieden hat, den Zins auf frisch geschöpftes
Giralgeld auf Null zu setzen. Damit kann jede Bank "zum
Nulltarif" Geld schöpfen (begrenzt durch
Eigenkapitalvorschriften u.ä.). Und dies geschieht natürlich
auch in großem Stil.
- Was man aber zum Nulltarif bekommen kann, kann man aber nicht
verkaufen (höchstens zum Preis der "Transportkosten"). Oder
anders ausgedrückt, da keine Bank ein Monopol auf die
Giralgeldschöpfung hat, kann auch keine Bank einen
Giralgeldschöpfungsgewinn realisieren. [Insofern hat Nicolai
vollständig recht.]
Ich will diesen Zusammenhang für Nicht-Wiwis noch kurz an
einem Beispiel verdeutlichen:
Würde der Staat ein Wassermonopol für sich beanspruchen,
könnte er z.B. auf jeden Liter "geschöpftes" Wasser 1 Cent
Wasserschöpfungssteuer erheben. Solange er das nicht tut, kann
jeder in seinem Garten ein Loch graben und erhält sein Wasser
"zum Nulltarif". Niemand kann also mit dem "Schöpfen" von
Wasser Geld verdienen, wohl aber mit dem Brunnengraben, der
Wasseraufbereitung und dem Transport in meine Küche. Also:
Solange es kein Wassermonopol gibt, zahle ich nur für
Aufbereitung und Transport des Wassers, nicht fürs "Schöpfen".
Nur ein Wasserschöpfungsmonopolist könnte einen
Wasserschöpfungsgewinn realisieren. Würde der Staat zum
Wassermonopolisten und würde einen Wasserschöpfungsgewinn
einfordern, würde natürlich der Wasserpreis steigen. D.h.
aber: Den Vorteil, der daraus resultiert, dass der Staat keinen
Wasserschöpfungsgewinn beansprucht, hat nicht allein das
Wasserwerk, sondern alle an der Wasserwirtschaft beteiligten -
in erster Linie die Wasserverbraucher wegen des nicht erhöhten
Wasserpreises. Diesen Vorteil, der sich aus der Nichterhebung
einer Wasserschöpfungsabgabe ergibt, kann man aber m.E. nicht
sinnvoll als "Wasserschöpfungsgewinn" bezeichnen.
- Der Vorteil, der sich aus dem Verzicht des Staates auf einen
Giralgeldschöpfungsgewinn ergibt, ist nur insofern "real", als
es ja auch anders sein könnte. Er "realisiert" sich über
nicht erhöhte Zinsen zum Vorteil der gesamten
Geldwirtschaft [ein solcher potentieller Vorteil aus einer nicht
erhobenen Steuer steht natürlich auch in keiner Bilanz]. Diesen
Vorteil haben aber eben nicht allein und auch nicht in erster
Linie die Banken [das haben Arne und Christoph ja auch bereits
zugestanden], sondern die gesamte Geldwirtschaft, also z.B auch
die Kreditnehmer. Diesen Vorteil (gegenüber einer nur möglichen,
vorgestellten anderen Situation) aber als "Geldschöpfungsgewinn"
zu bezeichnen, ist einfach irreführend. Genauso gut könnte ich
den Verzicht des Staates auf eine Luftschöpfungssteuer als
Luftschöpfungsgewinn bezeichnen, der sich mit jedem Atemzug
realisiert. Wenn man einen solchen "potentiellen Vorteil" nun
Opportunitätskosten-Seignorage nennt und diesen Begriff sauber
definiert, mag das gerade noch angehen. Wenn man aber von einem
"Gewinn" spricht, dann sollte man den auch in einer Bilanz
wiederfinden können. Genau das kann man aber nicht. [Insofern
kann es auch keinen Geldschöpfungsertrag geben, den ich in
meinem letzten Posting "das Grillfest beenden" fast zugestanden
hätte.]
- Wenn Arne also definiert: "Der
Geldschöpfungsgewinn ist der Barwert der ersparten
Zinses auf die nicht zu leistende eigene Liquidität",
dann kann er das so tun, da aber auf geschöpftes Geld kein
Zins erhoben werden kann, ist auch der ersparte Zins genau 0.
Niemand würde Zinsen für kostenlos geschöpftes Geld zahlen,
wenn er es auch selbst schöpfen könnte. Und jeder kann Geld
schöpfen, wenn er nur eine Bank gründet (z.B. eine
Genossenschaftsbank). Wenn die Banken nun aber kein Geld
zinslos verleihen, auch selbst geschöpftes nicht, so liegt das
einerseits an den Verwaltungskosten und andererseits an der
Mischkalkulation zwischen (kostenlos) geschöpftem und weiter
verliehenem Geld, für das die Bank selbst Zinsen zahlen muss.
Fazit:
- Einen Geldschöpfungsgewinn gibt es nur und kann es nur geben,
wenn und solange es ein Geldschöpfungsmonopol gibt.
- Die Höhe dieses Gewinnes kann der Monopolist frei festlegen.
(Das Optimum dürfte in der Nähe des Marktzinses liegen. Aber das
ist erstmal nur eine Hypothese.)
- Ohne Geldschöpfungsmonopol ist die Geldschöpfung freigegeben
und somit kostenlos, kann also auch nicht gewinnbringend
verkauft werden. Ohne Geldschöpfungsmonopol kein
Geldschöpfungsgewinn.
- Würde der Staat das Monopol der Giralgeldschöpfung für sich
reklamieren, könnte er richtig fett krass Kasse machen. Über
Risiken und Nebenwirkungen eines solchen Monopols haben wir noch
nicht gesprochen.
Ich hoffe es hilft weiter.
Ahoi,
Comenius
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