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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Novellierung Artikel 123 (1) AEUV

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Novellierung Artikel 123 (1) AEUV


Chronologisch Thread 
  • From: Daniel Seuffert <ds AT praxis123.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Novellierung Artikel 123 (1) AEUV
  • Date: Tue, 01 May 2012 13:41:05 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Seuffert & Geyer

Hallo cosmic,

kurze Zwsichenfrage: Habt ihr geklärt ob und wie die
Lissabon-Verträge überhaupt geändert werden können??

Ich habe überhaupt nichts gegen den Inhalt aber ich weise
darauf hin daß nach heutiger Planung am 24. Oktober Deadline
für irgendwelche Anträge zum BPT 2012.2 in Bochum ist und
mit Verlaub gibt es imho wichtigeres momentan als solche
Punkte voranzutreiben...

Liebe Grüße, Daniel


>
> Ich möchte hier einen Antrag vorstellen, der auf Anfrage bei
> Joseph Huber für uns erstellt wurde. Zunächst mal hier im
> Forum als Vorabinfo. Im nächsten Schritt möchte ich
> verschiedene AGs, die das betrifft darüber informieren, um
> es dann im Liquid-Feedback zu testen. Wenn alles gut läuft,
> können wir diesen Antrag beim bpt122 in Bochum auf die
> Tagesordnung bringen.
> lg
> cosmic
>
> _____________________________________________________
>
> Novellierung Artikel 123 (1) AEUV
> Joseph Huber
>
> Artikel 123 AEUV
> Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
> (Lissabon Vertrag)
> (ex-Artikel 101 EGV)
> (1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der
> Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der
> Mitgliedstaaten (im Folgenden als "nationale Zentralbanken"
> bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen
> der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale
> Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche
> Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen
> Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind
> ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln
> von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die
> nationalen Zentralbanken.
> (2) Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für
> Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von
> der jeweiligen nationalen Zentralbank und der Europäischen
> Zentralbank, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld
> betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.
>
> Maßnahme
> Art. 123(1) soll
> - entweder gestrichen werden (kursiv)
> - oder wie folgt modifiziert werden (fett):
> (1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der
> Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der
> Mitgliedstaaten (im Folgenden als "nationale Zentralbanken"
> bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen
> der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale
> Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche
> Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen
> Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind
> ebenso /verboten/ *erlaubt* wie der unmittelbare Erwerb von
> Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank
> oder die nationalen Zentralbanken.
>
> Begründung
> Mit Art. 123(1) AEUV wurde das Geldregal vom Staat auf die
> Banken übertragen. Das Geldregal beinhaltet das hergebrachte
> Hoheitsrecht, die gesetzlichen Zahlungsmittel in
> Landeswährung zu schöpfen und den dadurch entstehenden
> Geldschöpfungsgewinn, die Seigniorage, einzustreichen. Das
> Geldregal ist eine Frage von Verfassungsrang. Es entspricht
> in seiner Bedeutung dem Steuermonopol, dem Gewaltmonopol
> u.a. Mit Art. 123(1) hat der Staat sich seiner monetären
> Souveränität beraubt - eine staatsrechtliche Fehlleistung
> mit schwerwiegenden finanziellen und ökonomischen Folgen.
> Die Zentralbank wurde damit ausschließlich Bank der Banken.
> Ihr wurde verboten, Bank des Staates zu sein.
> Die Zentralbank wird außerdem reduziert auf die Funktion
> eines Lender of last
> resort für die Banken. In der akuten Staatsschuldenkrise hat
> es sich finanzwirtschaftlich als das größte Problem
> erwiesen, dass es aufgrund Art. 123(1) keinen Lender of last
> resort für den Staat gibt. EFSF und ESM sind der Versuch,
> einen Ersatzbanker of last resort für den Staat zu schaffen,
> was freilich vom Wohlwollen der Banken und der Anleihemärkte
> abhängig bleibt.
> Im Rahmen des bestehenden Giralgeldregimes der Banken ist
> die Zentralbank faktisch nicht mehr Issuer of first
> instance. Die Geldschöpfung wird vollständig von der
> Giralgeldschöpfung der Banken per Kreditvergabe bestimmt.
> Was die Banken dafür fraktional noch an Zentralbankgeld
> benötigen (1% Mindestreserven auf Depositen sowie 2% Bargeld
> und 6% Zahlungsreserven auf 100 Einheiten Giralgeld), wird
> von der Zentralbank stets bereitwillig refinanziert.
> Giralgeld ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, wird jedoch
> allgemein wie ein solches benutzt.
> Von daher wird auch der Löwenanteil der Seigniorage von den
> Banken vereinnahmt (als Extrazinsmarge auf das Giralgeld).
> Für die Zentralbank und damit für den Staatshaushalt bleibt
> nur der kleinere Teil (als Zins auf die Zentralbankkredite
> an Banken sowie für Erlöse aus der Devisenbewirtschaftung).
> Art. 123(1) ist ein Ermächtigungsgesetz für die Banken. Es
> macht den Staat in einseitiger Weise vom Wohlwollen der
> Banken und der Anleihemärkte abhängig. Die
> banking-doktrinäre Begründung lautet, staatliche
> Geldschöpfung führe zu inflationärem Gelddrucken und sei
> wirtschaftsschädlich, während die Giralgeldschöpfung der
> Banken nicht-inflationär und wirtschaftsdienlich sei. Diese
> Doktrin ist konfus und unhaltbar.
> Konfus erstens, weil unterstellt wird, bei staatlicher
> Geldschöpfung handle es sich um Geldschöpfung nach Belieben
> der Regierung oder des Parlaments. In Wirklichkeit, wenn
> schon, handelt es sich um die diskretionäre Geldschöpfung
> der von Weisungen unabhängigen staatlichen Zentralbank.
> Konfus zweitens, weil nach heute allgemein vorherrschender
> Annahme es angeblich doch die Zentralbank ist, die die
> Geldschöpfung in erster Instanz vollziehe (Ausgabe von
> Bargeld und Reserven) und sie in zweiter Instanz
> (Giralgeldschöpfung der Banken) unter Mengenkontrolle habe.
> Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Im heutigen
> Giralgeldregime wird die Geldschöpfung faktisch vollständig
> durch die Initiative der Banken bestimmt, während die
> Zentralbank den geldpolitischen De-facto-Vorgaben der Banken
> reaktiv nachkommt.
> Zweitens ist die Behauptung unhaltbar, staatliche
> Geldschöpfung sei inflationär, die Giralgeldschöpfung der
> Banken nicht-inflationär. 'Gelddrucken' auf Weisung einer
> Regierung war zwar häufig inflationär, nicht jedoch
> 'Gelddrucken' unter Kontrolle einer unabhängigen staatlichen
> Zentralbank, deren Aufgabe darin besteht, Geld- und
> Währungshüterin zu sein. Zutreffend ist dagegen vor allem,
> dass die Giralgeldschöpfung der Banken in hohem Maß
> inflationär ist. Sie verläuft regelmäßig überschießend, das
> heißt mehrfach über das Wachstumspotenzial der Wirtschaft
> hinaus. Zum Beispiel betrug im Zeitraum von 1992 bis
> Einsetzen der Krise 2008 das reale Wirtschaftswachstum 23%,
> das nominale Wachstum (mit Verbraucherpreisinflation) aber
> 51%, der von den Banken bestimmte Geldmengenzuwachs von M1
> sogar 189%.
> Die generell überschießende Giralgeldschöpfung der Banken,
> allenfalls krisenhalber unterbrochen, bringt permanente
> Inflation auf unterschiedlich hohem Niveau mit sich – sei es
> als Inflation der Erzeuger- und Verbraucherpreise, wie insb.
> in den 1960–70ern, sei es als Asset Inflation und Asset
> Price Inflation wie massiv seit den 1980ern, das heißt
> Inflation in Form von spekulativen Mengenblasen von
> Finanzanlagen wie Anleihen, Aktien, Derivaten,
> Immobilienanlagen, und einer damit häufig einhergehenden
> Kurs- bzw Preisinflation dieser Assetklassen. Die Banken
> finanzieren alle solche Aktivitäten durch Giralgeldkredit
> oder im Eigengeschäft durch Ankauf mit Giralgeld. Sie
> betreiben so die zuletzt maßlos gewesene kreditäre
> Aufhebelung der Finanzmarktspekulation. Dies ist extrem
> wirtschaftsschädlich, ebenso wie die kriseninduzierten
> Kreditklemmen es sind.
> Nicht zuletzt haben die Banken das Giralgeld für die
> kumulative Staatsverschuldung seit den 1970ern erzeugt. Die
> Banken haben den Regierungen jederzeit gedankenlos jede
> gewünschte Menge Geld 'gedruckt'. Denn der Staat besitzt
> aufgrund seines Steuermonopols den größten Cashflow und gilt
> den Banken deshalb im Normalfall als denkbar bester
> Schuldner. Erst als im Zuge der Subprime-Crisis-Kreditklemme
> der Staat die Banken retten und sich dafür nochmals massiv
> zusätzlich verschulden musste, haben die Banken eine jähe
> Kehrtwende ihrer kopflosen Geldschöpfungspolitik für
> Staatsanleihen vollzogen – mit der Folge, dass hoch
> verschuldete Staaten nun kaum noch Bankenkredit bekommen,
> und nur zu extrem hohen Zinsen.
> Modernes Geld ist seit definitiver Ablösung von irgendeinem
> Gold- oder Warenkorb-Standard in jedem Fall frei 'aus dem
> Nichts' geschöpftes Geld. Geld muss von jemandem 'gedruckt'
> werden, sonst wäre es nicht vorhanden. Die Frage ist nur:
> Wem steht das Recht zu, Geld zu schöpfen und die sich daraus
> ergebende Seigniorage einzustreichen? Wer hat dies unter
> Kontrolle und nach welchen Zielvorgaben zu verantworten? Wer
> haftet, wenn etwas schief läuft?
> Die heutigen Antworten sind die: Das Geldregal steht
> eigentlich dem Staat zu, aber die Banken haben es per
> Giralgeldregime usurpiert und dies durch Art. 123(1) AEUV
> obendrein noch legalisiert bekommen. Der Löwenanteil des
> Geldschöpfungsgewinns fließt dementsprechend an die Banken.
> Unter Kontrolle behalten und verantwortet werden sollte die
> Geldmengenentwicklung eigentlich von der Zentralbank. Aber
> unter den gegebenen Bedingungen des fraktionalen
> Reservebanking kann sie dies nicht. Unter Kontrolle hat die
> Geldmengenentwicklung faktisch niemand. Zur Verantwortung
> gezogen wird ebenfalls niemand. Die Geldmengen ergeben sich
> als 'schicksalhafte' Resultante aus dem individuellen
> Geschäftsgebaren der Banken. Eine gesamtwirtschaftliche oder
> womöglich gemeinwohlbezogene Vorgabe existiert nicht, nur
> das Gewinninteresse der Banken und Finanzmärkte. Die
> unsichtbare Hand des Marktes regelt in diesem Fall nichts,
> da die Giralgeldschöpfung prinzipiell unbegrenzt erfolgen
> kann. Deshalb bilden sich hier keine stabilen Mengen- und
> Preisgleichgewichte und die Märkte erkennen keine Grenzen.
> Die Sache regelt sich vielmehr wildwüchsig durch schwere
> Banken-, Finanz- und Währungskrisen auf wandernden Hot Spots
> rund um den Globus. Haften müssten dafür eigentlich die
> Banken, aber de facto haftet für das Geld und die Banken im
> systemischen Zusammenhang der Staat.
> Grundlegende Voraussetzung einer Korrektur der genannten
> Fehlfunktionen ist die Novellierung des Art. 123(1) AEUV und
> der entsprechenden nationalen Gesetze. Die Novellierung ist
> unabdingbar, um den Verlust der monetären Souveränität des
> Staates und seine damit verbundene einseitige Abhängigkeit
> von den Banken zu korrigieren.
> Wenn der Staat das Geld systemisch garantiert und für
> monetär bedingte Verluste generell haftet, dann muss auch
> eine unabhängige monetäre Staatsinstanz die effektive
> Mengenkontrolle über das Geld zurück erlangen.
> Im besonderen ist der absurde Sachverhalt nicht länger
> hinnehmbar, dass der Staat Banken retten muss, sich dazu
> aber bei den Banken verschulden muss. Ein direkter Beitrag
> der Zentralbank zur Finanzierung öffentlicher Haushalte muss
> möglich sein, sowohl in Form von Kassenkredit und
> Investitionskredit als auch in Form der direkten Annahme
> staatlicher Schuldverschreibungen, im Rahmen der
> gesetzlichen Vorgaben, insb. der gesetzlichen
> Schuldenbremsen. Dies schließt eine Plazierung von
> Staatsanleihen durch Banken in bisheriger Weise nicht aus.
> Jedoch wird die Zentralbank wieder in besser ausgewogener
> Weise Bank des Staates sein können, nicht nur einseitig Bank
> der Banken, und sie wird dabei auch zu einem Lender of last
> resort für den Staat, was gerade in Krisenzeiten unabdigbar
> ist – zumal in Krisen, für deren Zustandekommen die Banken
> in hohem Maße Schuld oder Mitschuld tragen.
>





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