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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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[AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen
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- From: HagenPirat <mailathh-pirat AT yahoo.de>
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- Subject: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen
- Date: Fri, 9 Mar 2012 17:42:17 +0000 (GMT)
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Vorgestern sind auf
[url="http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,819819,00.html]spiegel.de[/url]"
und
[url="http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/target-salden-der-bundesbank-brisante-milliarden-1.1300848]sueddeutsche.de[/url]"
Artikel zum Target2 der Zentralbanken erschienen. In den Artikeln
wird auch auf die Beiträge der Experten >>Ulbrich und
Lipponer<< als auch von >>Sinn und Wollmershäuser<<
verwiesen.
Das nehme ich zum Anlass hier etwas zu
schreiben. ([b]Am Ende des Textes ist ein einfaches Beispiel[/b] -
man kann auch nur das Beispiel lesen und sich den Rest dieses langen
Textes sparen.)
[url="http://www.cesifo-group.de/portal/pls/portal/docs/1/1211293.PDF]Artikel"
von Ulbrich und Lipponer[/url]
[url="http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/_DocBase_root/DocBase_intro/_Publication_Abstract?p_item_id=16042389&p_back=liste]Artikel"
von Sinn und Wollmershäuser [/url](eine verbesserte genauere Version
der ersten Aussagen von Sinn und Wollmershäuser - allerdings kann
man auch hier noch einiges kommentieren)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,819819,00.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/target-salden-der-bundesbank-brisante-milliarden-1.1300848
Im folgenden gibt es von mir Kommentare
zu dem
[url="http://www.cesifo-group.de/portal/pls/portal/docs/1/1211293.PDF]Artikel"
von Ulbrich und Lipponer [/url]
Zitat aus dem Artikel:
"Weil man die Target2-Salden als
Kern eines Problems ansieht und nicht als dessen zufälliges Symptom,
ist vielfach der Blick auf die eigentlichen Herausforderungen
verstellt, denen sich die Geldpolitik und die Finanzpolitik in Europa
gegenwärtig bei der Lösung der Finanz- und Schuldenkrise
gegenübersehen. Diese Erkenntnis ist aber die Voraussetzung dafür,
die Debatte um die Target2-Salden vom Kopf wieder auf die Füße zu
stellen."
Falsche Darstellung:
Die Target2-Salden werden nicht als
Kern des Problems angesehen oder dargestellt (von wem auch immer -
jedenfalls nicht von den Leuten, die die beiden Autoren korrigieren
wollen). Die Target2-Salden sind bei einem Kreditausfall (wenn ein
Land seine Kredite nicht begleichen kann) oder bei einem Zerfall des
Eurosystems ein Problem - nicht vorher.
Zitat aus dem Artikel:
"Eine zusätzliche
Liquiditätsschaffung über Target2 ist nicht möglich.
Zentralbankgeld wird im Eurosystem in der Hauptsache durch
geldpolitische Refinanzierungsgeschäfte bereitgestellt, die in jedem
Mitgliedsland einheitlichen Regeln unterliegen."
Formal richtig ist die Aussage: "Eine
zusätzliche Liquiditätsschaffung über Target2 ist nicht möglich".
Aber der Rückschluss, dass damit
generell keine zusätzliche Liquidität geschaffen werden kann, ist
falsch. Banken erschaffen durch Kredite Geld. Mit dem so geschaffenen
Geld wird z.B. konkret in Deutschland Ware eingekauft. Sofern alle
Kredite beglichen werden, ergibt sich kein Problem.
(Kritiker von Sinn/Wollmershäuser
stellen dar, dass auch Bargeldabhebungen zu solchen
Target2-Verwerfungen führen können. Allerdings können (konkret)
griechische Banken nur das Geld bei sich abheben lassen, dass sie
haben - wenn mehr vergeben wird, werden Kredite verteilt deren
Eintreibung letztendlich über das Target2 erfolgt.)
Zitat aus dem Artikel:
"Das vom Eurosystem
gemeinschaftlich getragene Risiko bliebe jedoch gegenüber einer
direkten Refinanzierung bei der Zentralbank des Mutterinstituts
unverändert. Dies wird auch aus einer anderen Perspektive deutlich:
Erfolgte die Bereitstellung von Zentralbankgeld im Eurosystem zentral
durch die EZB, gäbe es grundsätzlich keine nationalen
Target2-Salden. Länder/Regionen der Währungsunion mit Defiziten im
Zahlungsverkehr würden verstärkt Refinanzierungskredite bei der EZB
in Anspruch nehmen; andere Länder/Regionen weniger.
Target2-Positionen gegenüber der EZB entstehen also letztlich
infolge des dezentral aufgebauten Eurosystems, wobei ihre absolute
Höhe durch die Menge des insgesamt bereitgestellten Zentralbankgelds
begrenzt wird."
Richtig ist die Aussage: "Erfolgte
die Bereitstellung von Zentralbankgeld im Eurosystem zentral durch
die EZB, gäbe es grundsätzlich keine nationalen Target2-Salden."
Die Schlussfolgerung bleibt allerdings
falsch. Wenn die Zentralbank an Griechenland Kredite vergibt, welche
nicht bezahlt werden, ist das Geld futsch und die Verbindlichkeit
verbleibt für den Steuerzahler.
Wenn die "Bereitstellung von
Zentralbankgeld im Eurosystem zentral durch die EZB" erfolgen
würde, wäre die Forderung der Deutschen Bundesbank nicht vorhanden.
Es stellt sich die Frage: Wo ist diese Forderung nun?
Diese Forderung wäre, wenn man den
einfachsten Fall der Abrechnung über die EZB annimmt, bei der EZB -
und zwar gegenüber den Kreditnehmern. Der Vorteil der Bereitstellung
von Zentralbankgeld durch die EZB wäre, dass bei Zahlungsausfall
alle EZB-Eigner direkt anteilig haften würden.
Zitat aus dem Artikel:
"Über die Notenbankbilanz können
in einer Währungsunion Risiken breit auf die Steuerzahler der
Mitgliedsländer verteilt werden. Da es aber nicht die Aufgabe einer
unabhängigen Geldpolitik sein kann, Solvenzrisiken
von Bankensystemen oder gar Ländern
zwischen den Steuerzahlern der Währungsunion umzuverteilen, werden
grundsätzlich hohe Anforderungen an die Sicherheiten gestellt."
Hier wird alles richtig dargestellt.
Die Risiken tragen alle. Wenn eine Bank oder gar ein ganzes Land
insolvent wird, kommt es zu konkreten Belastungen für die Bürger
der EU.
Es bleibt die Frage, warum die Autoren
vorher alle Probleme der Target2-Salden negieren.
Meine Vermutung: Die Target2-Salden
werden von den Autoren als ein "rein technisches" Problem
gesehen. Insofern widersprechen die Autoren nicht einmal Hr Sinn und
Hr Wollmershäuser, da letztendlich in beiden Artikeln
(Sinn/Wollmershäuser und Ulbrich/Lipponer) auch wiedergegeben wird,
was bei einem Zahlungsausfall passiert.
weitere Probleme der
Target2-Diskussion: "Target2-Verbindlichkeiten verringern
inländische Investitionen"
Zitat aus dem Artikel:
"Eine Verdrängung inländischer
Investitionen kann über diesen Mechanismus jedenfalls nicht
begründet werden. Eine etwaige »Ressourcenkonkurrenz« besteht
weder in realwirtschaftlicher Hinsicht noch in Bezug auf die
Notenbanken. Solange die Banken in den Kernländern über
notenbankfähige Sicherheiten verfügen, sind auch ihre
Refinanzierungsmöglichkeiten über die Notenbank nicht beschränkt."
Das kann man so stehen lassen. Über
die Ursachen einer verringerten Nettoinvestition von vor einigen
Jahren kann man lange streiten - bei der Diskussion um die
Konsequenzen aus den Target2-Salden hilft dieser Ansatz kaum (bis gar
nicht).
Zitat aus dem Artikel:
"Eine Unterscheidung zwischen
Zentralbankgeld, welches eine Zentralbank des Eurosystems in
Refinanzierungsgeschäften mit gebietsansässigen Banken schafft, und
solchem, das in anderen Ländern bereit gestellt wurde und den Banken
über Target2 zufließt, ist im Rahmen einer Währungsunion
irrelevant. Ein Euro ist ein Euro, unabhängig davon, welche der
nationalen Zentralbanken ihn in Umlauf bringt."
Ein Euro ist ein Euro - das ist
richtig. Diese Aussage gilt auch, wenn es zu Zahlungsausfällen
kommt. (s.o.) Es geht bei den Risiken aus den T Target2-Salden
letztendlich darum, was bei einem Zahlungsausfall passiert.
Im
[url="http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/_DocBase_root/DocBase_intro/_Publication_Abstract?p_item_id=16042389&p_back=liste]Artikel"
von Sinn/Wollmershäuser steht auf Seite 13, 2. Absatz:[/url]
(Gleicher Artikel wie oben)
"Wenn die Bank des Verkäufers in
einem anderen Euroland sitzt, sagen wir Deutschland, ist es ähnlich,
nur läuft die Zahlung nun über das Target-System der EZB. Indem die
griechische Notenbank das Konto belastet, das die Geschäftsbank des
griechischen Käufers bei ihr hat, zieht sie Zentralbankgeld ein und
vernichtet es damit. Umgekehrt schöpft die Bundesbank neues Geld und
schreibt es der Geschäftsbank des Verkäufers gut. Das ist der
Prozess, den wir sekundäre Geldschöpfung nennen. Zum Ausgleich wird
der griechischen Notenbank eine Target-Verbindlichkeit gegenüber der
EZB zugewiesen, und umgekehrt erhält die Bundesbank eine
Target-Forderung gegen die EZB. Da die Zahlungen zwischen den Ländern
in beide Richtungen laufen, heben sie sich bezüglich der
Target-Salden, wie sie am Jahresende in den Bilanzen der nationalen
Notenbanken verbucht wurden, normalerweise weitgehend auf."
(Achtung: Der folgende Kommentar mag
(un)berechtigt sein - er ist letztendlich nur Kleinkram, an dem man
sich nicht aufhalten sollte.)
Die Geldvernichtung, wenn ein
griechischer Käufer etwas in Deutschland kauft, mit dem Weg des
Geldes über die EZB und der Geldschöpfung über die Deutsche
Bundesbank scheint richtig beschrieben zu sein.
In diesem Fall geht man davon aus, dass
insgesamt kein Kredit zurückgezahlt wurde. Da dies in diesem
Beispiel so ist, gibt es auch eine neue Geldschöpfung. Wenn man
annimmt, dass der Verkäufer mit dem Geld einen eigenen Kredit tilgt,
dann wird das Geld in der Bank in Deutschland vernichtet. In diesem
Fall gäbe es keine Geldschöpfung. Der Kredit und das Geld sind
lediglich woanders. Insofern könnte es irreführend sein von
"sekundäre Geldschöpfung" zu reden. Richtig ist, dass es
eine Verbindlichkeit der griechischen Zentralbank über die EZB
letztendlich gegenüber der Deutschen Bundesbank gibt. Es gibt also
"nur" einen Kredit, der über die Forderungskette von
Deutscher Bundesbank, EZB, Griechisches ZB und einem Kreditnehmer
eingefordert wird. Ob dabei Geld geschöpft wird, hängt nur davon
ab, was der Verkäufer mit dem Geld macht. Der Kredit stellt bei
einem Zahlungsausfall Griechenlands und Zerfall des Euro (evtl.) ein
Problem dar.
[b]Ein vereinfachtes Beispiel zur
Veranschaulichung:[/b]
Wenn ein Hotelier einen guten Kunden
hat und dieser Kunde jeden Tag für 10 € speist und trinkt, dann
freut sich der Hotelier.
Falls der Kunde nicht zahlen kann, wird
der Hotelier dem Kunden keine Speise und kein Getränk mehr
verkaufen. (Jedenfalls langfristig)
Nun kommt die EZB ins Spiel und der
Euro rollt.
Der Kunde leiht sich täglich 10 €
bei der EZB.
Der Kunde geht jeden Tag nach
Deutschland zum Hotelier und speist und trinkt wieder jeden Tag für
10 €. Der Hotelier freut sich, weil er jeden Tag etwas verkauft.
Bei der EZB häufen sich Schulden an.
Als der Kunde nicht mehr zahlen kann wird klar, dass die 3650€ bei
der EZB "weg" sind. Der Hotelier hat zwar 3650€
eingenommen - muss dieses Geld aber bei einem Zahlungsausfall der EZB
geben. (Die Steuerzahler werden für Zahlungsausfälle aufkommen
müssen.). Falls der Kunde den Kredit zurück zahlt, passiert nichts
ungewöhnliches.
(Genaugenommen leiht der Kunde (Er soll
in diesem Fall mal aus Griechenland kommen.) sich das Geld bei einer
Bank - die wiederum bei der Zentralbank seines Landes. Die
Zentralbank fordert das Geld von der EZB ein. Die EZB gibt die
Forderung an die Deutsche Bundesbank weiter. Die Bundesbank merkt
sich diese Forderung als Target2 Verbindlichkeit. Noch genauer wäre
es, wenn man die Geldvernichtung durch die griechische Zentralbank
bei der EZB und die Geldschöpfung durch die Bundesbank bei diesem
Zahlungsvorgang beschreibt.)
Ergebnis: Die Target2-Salden sind wichtig, falls es zu einem Zahlungsausfall (in etwa) der jeweiligen Landeszentralbank kommt. Ansonsten ist es nur ein Bezahlsystem.
(Haftung ca. 27%; Anteil von Deutschland an der EZB knapp 19% http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Zentralbank#Finanzielle_Unabh.C3.A4ngigkeit)
weitere interessante Links:
(„interesant“ bedeutet „interessant" - es bedeutet nicht,
dass ich die Aussagen stütze)
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=EU8148
http://www.gfinm.de/images/stories/workingpaper21.pdf
http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2011/07/target2-unlimited/?utm_source=feed&utm_medium=main
https://docs.google.com/spreadsheet/ccc?key=0AuEtgCUuVBDUdFppV0tMV0NNaGktaUMyNlpQZWlKQ3c&hl=de&pli=1#gid=0
http://economicsintelligence.com/2011/10/06/gips-euros-vs-german-euros-debunking-hans-werner-sinn-vol-ii/
http://reszatonline.wordpress.com/2011/12/11/the-fuss-about-target2/
(Eigentlich wollte ich das vorgestern
posten - aber das Forum funktionierte seit vorgestern Abend nicht - und nun versuche ich es per Mail)
- [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, HagenPirat, 09.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Nicolai Haehnle, 09.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Axel Grimm, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Nicolai Haehnle, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Axel Grimm, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Nicolai Haehnle, 13.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Axel Grimm, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Nicolai Haehnle, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Axel Grimm, 12.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] Target2-System der EZB - dazu sind Artikel auf SPON & sueddeutsche erschienen, Nicolai Haehnle, 09.03.2012
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