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Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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Re: [Drogenpolitik] Fallbeispiel: Cannabiskonsum als Ausschlusskriterium für Psychotherapie
Chronologisch Thread
- From: bettinamail AT arcor.de
- To: ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Drogenpolitik] Fallbeispiel: Cannabiskonsum als Ausschlusskriterium für Psychotherapie
- Date: Tue, 8 May 2012 17:22:30 +0200 (CEST)
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogenpolitik <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
Hallo Christine,
grundsätzlich sind die medizinischen Einrichtungen an die Schweigepflicht
gebunden. Es gibt aber Konstellationen, in denen die Kostenübernehmer ein
Recht auf medizinische Infromation haben. Z.B. bei Haftpflicht- oder
Schadensersatzfällen oder zur Prüfung einer Arbeitsunfähigkeit, auch
Berufsgenossenschaften haben besondere Möglichkeiten. Für die Krankenkassen
übernimmt die Prüfungen häufig der Medizinische Dienst der Krankenkassen
(MDK), oder aber der Patient stellt eine Schweigepflichtsentbindung aus (ich
würde dabei übrigens, wenn schon, immer genau benennen, wen konkret ich genau
für was von der Schweigepflicht entbinde).
Welche Diagnosen und anderen Daten in welcher Form an die Kassen übermittelt
werden müssen, ist im Sozialgesetzbuch genau festgelgt.
Zu den Möglichkeiten einer Psychotherapie:
Natürlich ist das möglich. So wie ich das einschätze liegt das an den
jeweiligen Behandlern, ihrer Diagnosestellung, ihren Therapiekonzepten etc..
Meine Bekannte aus dem Beispiel hatte da wenig Glück bei der Suche. Es gibt
aber bestimmt auch Therapeuten, die keine Abstinenz fordern als Voraussetzung
(zumindest bei Cannabis). Da kommt dann halt vermutlich wieder die
Problematik der Kostenübernahme durch die Kasse auf. Kommt wahrscheinlich
darauf an, wie der Therapeut das ganze handelt.
Abgesehen davon, dass es auch Suchttherapien gibt, die keine Abstinenz
fordern (immer natürlich je nach Substanz), die sind aber in Deutschland
glaub ich eher unüblich, zumindest im klinischen Bereich. Bin leider nicht
firm diesbezüglich, kann nur vermuten.
Grüße
Bettina
----- Original Nachricht ----
Von: Christine Zander <christine.zander AT gmx.net>
An: Mailingliste der AG Drogenpolitik <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
Datum: 08.05.2012 16:43
Betreff: Re: [Drogenpolitik]
Fallbeispiel: Cannabiskonsum als Ausschlusskriterium für Psychotherapie
> Leider ein typischer Fall. Solche Erlebnisse haben nicht nur
> CannabisKonsumenten, sondern auch Konsumenten anderer Drogen. 2 Fragen
> interessieren mich zu diesem Bericht:
> ? Gilt in so einem Fall nicht die ärztliche Schweigepflicht für eine
> Klinik?
> ? Kann ein Drogenkonsument (ohne seinen Konssum zu verschweigen) keine
> Psychotherapie machen?
>
> LG, Christine
>
>
>
> Am 08.05.2012 um 14:16 schrieb bettinamail AT arcor.de:
>
> > Hallo AG
> >
> > hier ein weiteres Beispiel (nur interessehalber, für die, die sich
> > gerade mit dem Cannabis + Medizinthema beschäftigen), zum Umgang mit
> > Cannabis in der Medizin - wobei es aber NICHT um die Verordnung
> > eines entsprechenden Präparates geht.
> >
> > Vor ein paar Jahren ist eine Bekannte völlig aufgelöst auf mich zu
> > gekommen, da sie Probleme mit ihrer gesetzlichen Krankenversicherung
> > (GKV) hatte.
> > Im Vorfeld hatte sie sich in einer Psychosomatischen Klinik
> > aufnehmen lassen, da ihr Leben aus den Fugen geraten war und sie
> > dringend therapeutische Unterstützung benötigte. Die Überweisung
> > erfolgte durch den Hausarzt. Bei der Aufnahmeurinuntersuchung in der
> > Klinik wurde die Patentin positiv auf THC getestet. Sie wurde zur
> > Rede gestellt, erklärte, dass sie schon länger gelegentlich, auf
> > Partys oder am Wochenende, Cannabis konsumiere, dies aber nicht als
> > problematisch oder behindernd/belastend empfände. Seit es ihr
> > psychisch schlecht gehe sei sie darauf gekommen, dass abendlicher
> > Cannabiskonsum sie entspanne und ihr endlich wieder zu ausreichendem
> > Schlaf verhelfe. Der Grübelzwang lasse deutlich nach. Daraufhin
> > erfolgte eine disziplinarische Entlassung ohne große weitere
> > Erklärungen.
> > Nebenbei bemerkt: Hätte die Patientin jeden Tag vor der Therapie
> > gesoffen bis zum Umfallen, wäre ihr das nicht passiert - das wäre
> > gar nicht weiter aufgefallen.
> >
> > Weitere Bemühungen um eine ambulante Therapie scheiterten, da die
> > aufgesuchten Therapeuten als Voraussetzung für die Aufnahme einer
> > Therapie Cannabisabstinenz forderten. (Auch das wäre bei
> > entsprechendem Alkoholkonsum kaum passiert).
> > Schliesslich blieb es bei einer Behandlung durch den Hausarzt; die
> > Patientin hatte die Suche nach einem Therapeuten aufgegeben, da sie
> > nicht bereit war, eine Psychotherapie (die sie ja wirklich ernsthaft
> > angehen wollte) mit einer Lüge - also dem Verschweigen des
> > gelegentlichen Cannabiskonsums bzw. des Konsums als Selbstmedikation
> > - zu beginnen. Zum Glück besserte sich der psychische Zustand der
> > Patientin soweit, dass sie ihr Alltagsleben bald wieder aufnehmen
> > konnte. In der Rückschau ist sie aber immer noch überzeugt, dass ihr
> > eine Psychotherapie viel Nutzen bringen würde ("familiäre Altlasten")
> >
> > Einige Zeit nach der disziplinarischen Entlassung kam dann ein
> > Schreiben der GKV: Die Versicherte wurde darin aufgefordert, sich
> > binnen einer bestimmten Frist einer Suchttherapie zu unterziehen.
> > Außerdem wurde sie aufgefordert, ihren behandelnden Arzt von der
> > Schweigepflicht zu entbinden.
> > Wir haben dann das unten angefügte Schreiben verfasst und konnten so
> > weiteren Schaden abwenden (es fand keine weitere Korrespondenz
> > statt!).
> >
> > In der Medizin geht es also bei weitem nicht "nur" um mangelnde
> > Aufklärung und Akzeptanz der Verordnung von THC aus med. Gründen.
> > Schwierigkeiten bereitet insgesamt die gesellschaftliche
> > Stigmatisierung, die durch Cannabiskonsum entsteht, und die
> > resultierende mangelnde Akzeptanz im Bereich der Medizin.
> > Umgekehrt ist es extrem schwierig (noch schwieriger als sonst) THC
> > aus "psychischen" Gründen verordnet zu bekommen, z.B. bei
> > Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen - auch, wenn die
> > Patienten aus eigener Erfahrung von einer positiven Wirkung
> > berichten können, z.B. berichten, sie kämen mit ihrem Alltag viel
> > besser zurecht etc.. Man wird als süchtig und im Rahmen der Sucht
> > behandlungsbedürftig angesehen - das bedeutet häufig die Erwartung:
> > Abstinenz.
> > Dass Cannabis als - meiner persönlichen Meinung nach sehr
> > aussichtsreiches - Therapeutikum bei einigen psychischen Störungen
> > zu erforschen wäre, haben im bestehenden Milieu die Akteure oft noch
> > gar nicht auf dem Schirm.
> > Und die mangelnde "Verordnungserfahrung", die wiederum als Grund
> > genannt wird, weiterhin der Einfachheit halber nicht zu verordnen,
> > behindert gleich noch das Ansammeln empirischer Erkenntnisse.
> >
> > Grüße
> > Bettina
> >
> > Brief an die GKV:
> >
> > Sehr geehrter Herr xxx,
> >
> > vielen Dank für Ihren Therapievorschlag, den Sie mir mit Ihrem
> > Schreiben vom xxx haben zukommen lassen.
> >
> > Erfreulicherweise kann ich Ihnen mitteilen, dass sich meine
> > gesundheitliche Verfassung bereits wesentlich gebessert und
> > stabilisiert hat. Wie Ihnen offensichtlich bereits bekannt ist,
> > konnte ich meinen wegen einer seit längerem bestehenden depressiven
> > Verstimmung geplanten Therapieaufenthalt in xxx nicht absolvieren,
> > da die Klinik mich von der stationären Therapiemaßnahme aufgrund
> > einer positiven Urinprobe ausschloss. Glücklicherweise konnte ich
> > inzwischen mit Hilfe meines behandelnden Arztes, der mich nach
> > meiner Rückkehr aus xxx auch bezüglich eines möglicherweise
> > bestehenden Suchtproblems kompetent beraten hat, die Depression
> > soweit überwinden, dass ich mich darauf freue, in den nächsten
> > Tagen, nach nochmaliger Konsultation meines behandelnden Arztes,
> > meine Arbeit wieder aufnehmen zu können.
> >
> > Von einer Entbindung meines Arztes von der Schweigepflicht ohne
> > Bestehen einer dringlichen Notwendigkeit möchte ich derzeit Abstand
> > nehmen. Gerne bitte ich ihn jedoch um Erstellung eines ärztlichen
> > Attestes über meinen Gesundheitszustand. Bitte teilen Sie mir mit,
> > ob Sie in Anbetracht der geschilderten Umstände noch ein solches
> > benötigen.
> >
> > Mit freundlichen Grüßen
> > und nochmaligem Dank für Ihre freundliche Unterstützung
> >
> > --
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