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muenster - Re: [MS Piraten] Zollamt in Münster besetzt

muenster AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kreis Münster/ NRW

Listenarchiv

Re: [MS Piraten] Zollamt in Münster besetzt


Chronologisch Thread 
  • From: Martin Gutsch <mgutsch AT piratenpartei-nrw.de>
  • To: Kreis Münster/ NRW <muenster AT lists.piratenpartei.de>, Peter Hemecker <Peter+Hemecker AT news.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [MS Piraten] Zollamt in Münster besetzt
  • Date: Fri, 16 Oct 2015 15:09:19 +0200 (CEST)
  • Importance: Medium
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/muenster>
  • List-id: Kreis Münster/ NRW <muenster.lists.piratenpartei.de>

Hallo Peter,

danke für die Klarstellung. das hört für mich doch schon mal ganz anders an
und ist so für mich sehr viel leichter zu akzeptieren.
Fundierte Meinung ja, polemisches Halbwissen nö.

Ich schrieb ja bereits, die 68er und die heutigen "Linken" sind nicht
miteinander vergleichbar und die "Linke" ist sehr viel heterogener geworden.
Auch wenn sie in besseren Zeiten leben, sind ihre Forderungen nach mehr
soziokulturellen Freiraum berechtigt - gerade in einer Theaterstadt wie
Münster, wo die etablierte Kultur mit hohen Millionenbeträgen durch die
Steuerzahler gesponsert wird, und alle anderen wenn nur Brotkrumen bekommen.

Vielleicht ist die "Linke" heutzutage spießiger als zu 68, aber natürlich
haben und hatten auch Anarchisten, Punks und Hippies schon IMMER ihre Regeln.

Mag sein, dass es auch um linke Symbolik geht, aber bestimmte Angebote sind
aus pragmatischen Gründe oder weil sich ALLE wohl fühlen sollen, gedacht.
Häufig wird nur veganes Essen angeboten, weil das alle essen können und es
aufwändig ist, gleich mehrfach zu kochen (ein gutgemachtes Sojachili
schmeckt genauso wie ein Chili con carne, du würdest es wahrschl. nicht einmal
merken). Ein anderes Beispiel, direkt aus dem Besetzten Zollamt: Es gibt
zwei Toiletten: Eine genderfreie (wie auch schon von Piraten gefordert) und
eine für LGTQF - also Wahlfreiheit, für mich durchaus piratig.

Ich verstehe durchaus Skepsis und "Kulturschock" wenn man selbst nicht
subkulturelle Kreise miterlebt hat, auch angesichts einer recht einseitigen
Medienberichterstattung (hier einmal ein Lob für die WN und den WDR, die
m. E. sehr differentiert über das Zollamt berichten).
Darum finde ich es so wichtig, aufzuklären und sich ggfs. selbst ein Bild
zu machen.
Zudem haben sich die Zeiten einfach geändert:
Während früher auf Punkkonzerten gepogt und manchmal auch randaliert
wurde, sind diese meist doch genauso gesittet wie jede andere Veranstaltung
auch). Und über bunte Haare, Tatoos oder Aufnäher auf der Jacke wundert sich
heute auch keiner mehr.

Und um es noch einmal klar zu stellen: Ich mag auch keinen Extremismus,
blindes Gut-Menschentum, welches Ursache und Wirkung völlig außer acht
lässt und Ideologien. Wären da Stalinisten, "Gewalt- oder erlebnisorientierte
Jugendliche" oder hätten überall "10 leeren Flaschen Wein" gestanden
(ich denke du verstehst die Anspielung) wäre ich der erste der "Haut ab" sagt.
ch habe jedoch beim Zollamt den Eindruck, es geht um "die Sache" - sozio-
kulturelle Freiräume, wie auch System/Kapitalismuskritik und das Hinweisen
auf Gentrifizierung und mangelnden bezahlbaren Wohnraum.
Sonst würden Studi-Fachschaften und Nachbarschaft das Ganze
sicherlich auch nicht unterstützen.
Und deshalb unterstütze ich das Vorhaben und weil ich mir persönlich
ein Bild vor Ort gemacht habe.

Ich wünsche mir jedoch, auch angesichts des heute erschienenen WN-Artikels
(Link von dir siehe unten):

Eine GEMEINSAME Nutzung: Flüchtlinge, Kita, Wohnräume, sozio-
kulturelles freies Zentrum. Dafür ist das Zollamt groß genug.
Wenn es Mehr-Generationenhäuser gibt, warum nicht auch ECHTE
(gelebte) Interkulturelle-Zentren?

Ähnliches steht auch in unserem Wahlprogramm und bei der Diskussion
darum: Natürlich kann auch in einem Probe- und Bürgerzentrum auch andere
Vereine, Kitas, Sportgruppen etc. die Räumlichkeiten nutzen, die Nutzung
keiner einzelnen Gruppe überlassen, eine möglichst breite Nutzung.

Die Idee des Schützenhofbunkers ist gut, ich sehe da allerdings auf
Grund der räumlichen Struktur dort eher ein Proberaumzentrum, wie
es schon mal war. Allerdings sind die Räume nach meiner Erinnerung
- ich war schon länger nicht mehr vor Ort - sanierungsbedürftig
(Schimmel und so). Die Stadt sollte es kaufen, ggfs. sanieren so weit
notwendig (den Rest sollen die Nutzer im Gegenzug für geringe Nutzungs-
gebühren übernehmen) und kommunale Proberäume dort eröffnen. Dann wäre
schon mal ein Brocken/eine Forderung erledigt.

Ich fand das Projekt der Hauswächter im Finanzamt an der Münzstraße toll
(Sandra die dort wohnte hat uns ja einiges erzählt) und ich verstehe wie
du nicht, warum man nicht ein gemeinsames Projekt zwischen Studenten
und Flüchtlingen daraus machen konnte oder wollte. Die Hauswächter als
Integrationshelfer oder einfach nur Ansprechpartner wäre doch toll,
das wäre gelebte Integration.

Ich möchte einfach nur, dass Absichten, Wahlprogramme und Erklärungen
auch lebendig werden - egal ob Piraten oder andere Parteien.

Ich bin für sachliche Diskussionen, Argumente und Ideen immer dankbar.
Polemik und Halbwissen dürfen gerne zuhause bleiben, Ironie und
fundierte Kritik soweit erkennbar gern. Ich möchte Problematiken auch
aus verschiedenen Perspektiven aus betrachten.

Gruß

Martin



> Peter Hemecker <Peter+Hemecker AT news.piratenpartei.de> hat am 15. Oktober
> 2015
> um 22:22 geschrieben:
>
>
>
> Hallo !
> Ich war beruflich in den letzten Tagen etwas im Stress und melde mich
> deshalb erst jetzt zu den mittlerweile reichhaltigen Beiträgen zum Thema
> Hausbesetzung.
>
> Da Martin am meisten in der Materie ist, habe ich seine Beiträge aus
> diesem Vorgang mal für mich zusammengestellt und möchte die einzelnen
> von ihm angesprochenen Punkte durchgehen :
>
> 1. Ich glaube Dir, Martin, sofort, dass es sich bei den Hausbesetzern um
> liebe Jungs aus der Nachbarschaft handelt (das meine ich jetzt NICHT
> ironisch, auch wenn es sich so anhört). Die Behauptung es seien
> „gewaltbereite Krawall-Antifas, Autonome und der Schwarze Block“ ist
> die übliche CDU-Propaganda und diejenige von Leuten, die geistig noch in
> den frühen 60ern stecken geblieben sind.
>
> 2. Wenn ich mich in meinen vorangegangenen Beiträgen über diese
> 68er-Revival-Veranstaltungen lustig mache, dann liegt das daran, dass ich
> die 68er-Zeit als Kind und auch über meine acht Jahre ältere Schwester
> noch hautnah mitbekommen habe. Die Zustände, gegen die die 68er damals
> aufbegehrten, sind Lichtjahre von heute entfernt. Man mag die
> Adenauer-Zeit wirtschafts- und außenpolitisch bewundern. Aber was das
> gesellschaftliche, sozio-kulturelle Klima der 50er und frühen 60er
> anbelangt, so herrschte dort eine Geisteshaltung, die wir (und vor allem
> die heute jüngeren) uns in den schlimmsten Träumen nicht (mehr)
> vorstellen können. Ich will mir hier Beispiele ersparen, da der Text dann
> zu lang würde, aber alles in allem herrschte vor 1968 ein
> miefig-spießiger, moralinsaurer, intoleranter und religiös-verstaubter
> Zeitgeist mit allem was dazugehört : Doppelmoral, Selbstgerechtigkeit,
> Heuchelei und Schuldverdrängung.
>
> Insofern war das damalige Aufbegehren total nachvollziehbar und lange
> überfällig. Wenn man dann heute diese Jungs betrachtet, die wegen eines
> Jugendzentrums dort Hausbesetzung nachspielen (mit allen zeitgeistigen
> Zutaten wie Vegan-Brunch, Nostalgie-Filme, Gender-Sprache,…), die aber
> trotzdem ihr Spießertum nicht überwinden können, lässt sich ein
> Schmunzeln nicht verhindern.
>
> Dass die damaligen 68er, die späteren Grünen nun selbst Spießer
> und/oder bourgeoise geworden sind, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Wie
> sagte neulich jemand bei der FSA-Demo : Die Grünen von 1985 würden gegen
> die heutigen Grünen auf die Straße gehen.
>
> 3. Wie ich es bereits geschrieben hatte, hätte ich es nachvollziehen
> können, wenn das Haus für Flüchtlinge besetzt worden wäre. Auch den
> Dialog zwischen Jugendlichen und Flüchtlingen finde ich gut. Insofern ist
> es mir ein Rätsel, warum man aus dem ehem. Finanzamt Münster-Innenstadt
> (Münzstr.) die dort wohnenden Studenten, die als Hauswächter dort
> lebten, rausgeschmissen hat, um dann das Gebäude ausschließlich für
> Flüchtlinge zu nutzen. Die Studenten hätten mit diesen zusammenleben
> können : Man nennt so etwas ‚gelebte Integration‘.
>
> http://www.wn.de/Muenster/2124178-Finanzamt-wird-Fluechtlingsheim-Wohnprojekt-Ende-Abschied-der-studentischen-Hauswaechter
>
> 4. Ich unterstütze voll und ganz das – vor allem – von Dir geforderte
> zentrale Proberaum- und Bürgerzentrum. Auch bin ich ein starker
> Befürworter der autonomen jugendlichen Selbstverwaltung solcher und
> ähnlicher Projekte. Ich selber habe auf unserer letzten KMV solche
> Forderungen als Positionspapier formuliert und beantragt.
>
> 5. Auch ich möchte, dass ein solches Zentrum allen Gruppierungen offen
> steht und dass nicht nur einige wenige ‚übliche Verdächtige‘ die
> Sache an sich ziehen und für ihre Interessen vereinnahmen.
>
> Warum nimmt man dann nicht den bereits bis 2012 genutzten
> Schützenhofbunker für ein solches Zentrum ?
>
> http://www.wn.de/Muenster/2144899-Bunker-im-Angebot-Luftschutzbunker-zu-verkaufen
>
> Könnte ja mal ein Antrag unserer Ratsgruppe werden. Aber dann bitte nicht
> ein halbes Jahr lang darüber diskutieren, bis alle andere das auch
> gefordert haben.
>
> Viele Grüße
> Peter
> --
> Muenster mailing list
> Muenster AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/muenster




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