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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss

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Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss
  • Date: Sat, 29 Sep 2012 14:10:55 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Hallo,

Am Sat, 29 Sep 2012 11:01:02 +0200
schrieb Pirat Schlickschlurfer <pirat-schlickschlurfer AT mail.ru>:

> Du brauchst preisgünstig verfügbare Energie - und zwar unbedingt.
> Viele Firmen - und damit das wirtschaftliche Rückgrad unserer
> Gesellschaft - sind nunmal sehr energieintensive Betriebe.
> In den meisten Fällen lässt sich das auch nicht mal eben durch ein
> paar Energiesparlampen nennenswert ändern.
> Ich spreche nicht von den Stahlbuden im Ruhrpott, sondern von ganz
> normalen Industriebetrieben mit großen Werkshallen in denen z.B.
> Pulveranlagen, Bandsägen, Plasmabrenner oder Schweißstraßen stehen -
> Industriebetriebe halt.

Die Anteile der Energiekosten hatten wir schon erwähnt bei
der Diskussion um die Faktormächtigkeit der Energie.

Im Handwerk sind die Kosten so um 5 %, siehe hier:
http://www.umweltschutz-bw.de/?lvl=5999

Beim durchschnittlichen Kostenanteil beziehe mich auf diesen Artikel,
der auch im Energiesteuer-Antrag
angegeben ist:

Jürgen Grahl, Reiner Kümmel: Produktionsfaktor Energie - Der stille
Riese, Energie & Zukunft, Ausgabe 1, Aachen, 2006, S. 4 - 23.
http://www.umsteuern-mit-energiesteuern.de/pdf/produktionsfaktor_energie.pdf

Demnach erreicht der Anteil der Energiekosten auch bei
Industriebetrieben normalerweise bei weitem nicht den
Anteil der Arbeitskosten. Für den Energiekostenanteil
der Unternehmen mit der höchsten Energieintensität, wie
Aluminiumhütten, hat Gunnar beim Energiecamp den Wert
von 25 % angegeben, mehr nicht.


Diese - vielleicht lesenswerte - Bericht der Bundesregierung
nennt hingegen für die Industrie nur Kostenanteile zwischen 1 %T und 10
%:

http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bericht-der-bundesregierung-zur-oel-und-gasmarktstrategie,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf

Man sieht auf Seite 25 auch deutlich, dass Metallerzeugung,
Papierproduktion und Bergbau die höchsten Energiekostenanteile
haben - das heißt ganz klar, bei niedrigen Energiekosten wird
es billiger, Stoffe bergmännisch oder durch Neuproduktion
zu gewinnen, als Altmaterial zu recyclen.

> Steigen dort die Energiekosten, werden auch die Endprodukte relevant
> teurer, da Energie ein wesentliches Produktionsmittel ist, das in der
> Fertigung eingesetzt wurde, diese Teuerung ist allerdings angesichts
> des harten Wettbewerbs auf dem Weltmarkt nicht akzeptabel.

Deswegen sieht das detailliertere Konzept zur Energiesteuer
vor, dass Steueranteile beim Export erstattet werden können,
damit die Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet wird.
Umgekehrt ist es sinnvoll, dann sehr energieintensive
Grundstoffe wie Zement oder Stahl bei der Einfuhr zu besteuern.
Im Binnenmarkt ist das nicht nötig, da die Besteuerung bzw.
jede Verteuerung von Energie die Rahmenbedingungen für
alle Marktteilnehmer zugleich ändert. Es ist auch nicht nötig
bei üblichen Energiekostenanteilen von rund 5 %.

Kraß niedrig ist der Kostenanteil hingegen mit um 1 %
beim von dir genannten Fahrzeugbau...

> Es ist schon heute schwer genug den Kollegen beizubringen dass es
> tariflich wieder mal nur Inflationsausgleich gibt (wenn überhaupt)
> weil wir die Kosten drücken müssen - jetzt aber von Seiten der
> Politik der Kostendruck auf die Betriebe noch erhöht wird.

Das ist, finde ich, jetzt aber ein bißchen Wirtschaftsmimimi.
Die deutsche Industrie steht im internationalen Vergleich
extrem gut da, unter anderem da konsequent Lohnkosten
gesenkt wurden - wie Du richtig sagst, nicht zuletzt auf
Kosten der Reallöhne. Wenn man die Energiekosten etwas erhöht,
wird das die nationale Industrie nicht gleich umhauen.

Viel gefährlicher wird es, wenn man gar nichts macht,
den notwendigen Strukturwandel wegen der Verknappung der
Fossilen verpaßt und die Autoindustrie dann feststellt,
dass bei den irgendwann sich einstellenden Preisen von
deutlich über 2 oder 3 Euro niemand mehr ein neues Auto
kaufen will - nicht zuletzt weil die Gebrauchtwagenpreise
dann vorhersehbarerweise ins Bodenlose stürzen. Deutliche Ansätze zu
dieser Entwicklung hatten wir schon 2008. Momentan haben wir
schon Ölpreisspitzen, wenn in der Nordsee mal ein paar
Bohrinseln gewartet werden, da kannst Du dir überlegen
wie es aussieht wenn es wirklich zu einem Krieg
zwischen Israel und Iran kommt.

>
> Kurz: Energie muss preisgünstig zur Verfügung stehen. Es ist wie die
> quadratur des Kreises, aber wenns einfach wäre hätten die anderen es
> ja schon gemacht ^^

Da müßte man mal anfangen bei der Fairness der Kostenverteilung.
Haushalte und Handwerk bezahlen wesentlich höhere Strompreise
als die Industrie. Mit der Wettbewerbsfähigkeit kann man das
nicht gut begründen, da nach herrschender Wirtschaftslehre
jede Quersubventionierung zu Fehlallozierungen führt.

Ich sehe die Ursache ganz einfach daran, dass die Industrie politisch
an weit längeren Hebeln sitzt. Aber auch das kann man nicht
über einen Kamm scheren. Wer ein bißchen in seinem Gedächtnis
kramt, wird sich erinnern, dass es in den Monaten kurz nach
Fukushima und vor der Merkel-Energiewende massive Konflikte
in der Deutschen Industrie gab. Viele Unternehmen und Verbände
wie der VDMA haben längst begriffen, dass Effizienz in Zukunft
ein Wettbewerbsfaktor ist, und zwar genau deswegen weil
Energie so oder so teurer wird.

Politisch niedrigere Energiepreise zu fordern ist außerdem
ein wenig wie zu fordern, dass Gold billiger wird. Die
Marktpreise kann man nicht politisch nach unten beeinflussen,
das einzige was man kann ist subventionieren und hoffen, dass
derjenige, der's bezahlt es nicht merkt.

Viele Grüße.

Johannes

>
>
> Am 28.09.2012 22:45, schrieb Johannes Nix:
> > Am Thu, 27 Sep 2012 13:30:05 +0200
> > schrieb "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>:
> >
> >> „Dazu zählt eine preisgünstige Verfügbarkeit von Energie, denn
> >> damit ist die Ressourcenschonung durch Kreislaufwirtschaft
> >> möglich.“
> >>
> >>
> >>
> >> kann mal bitte jemand den Satz mit der preisgünstigen Energie so
> >> formulieren, dass er Sinn macht und das im Schulterschlussantrag
> >> ändern?
> > Ich bin ebenfalls deutlich dafür, diesen Satz herauszunehmen.
> > Die Ressourcenschonung ist die Zielsetzung, über die wohl
> > Einigkeit besteht. Preisgünstig verfügbare Energie kann
> > vielleicht in Einzelfällen helfen, geht aber in vielen
> > anderen Fällen eher mit einer Erhöhung des Resourcenverbrauchs
> > einher.
> >
> > Es ist zwar richtig, dass Energieträger wie Wind- und Solarenergie
> > in sehr absehbarer Zeit die Kostenkurve der fossilen Energieträger
> > schneiden werden und diesen dann auch wirtschaftlich allmählich
> > das Wasser abgraben werden - siehe Stichwort "Solar Grid Parity".
> >
> > Solange das aber nicht der Fall ist, bedeutet eine Forderung
> > nach günstigerer Energie letztlich nur eine Verlängerung
> > des Elends.
> >
> > Wie wäre die folgende Formel:
> >
> > "Wir befürworten eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft
> > und Maßnahmen, welche das Erreichen der ökonomische Parität der
> > erneuerbaren Energieträger mit nicht nachhaltigen Energieträgern
> > beschleunigen".
> >
> > Können wir damit übereinkommen?
> >
> > Viele Grüße,
> >
> > Johannes
> >
>





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