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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer (auf Kraftstoffe)

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Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer (auf Kraftstoffe)


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>, ag-steuerpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Cc: Moritz Richter <mmarichter AT aol.com>
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Energiesteuer (auf Kraftstoffe)
  • Date: Sat, 21 Jul 2012 18:05:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Hallo Moritz,

ich versuche mal grob den Stand der Diskussion
zusammen zu fassen -

Am Thu, 19 Jul 2012 00:24:18 +0200
schrieb "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>:

> PeakOil bedeutet, dass die Ölgewinnung nicht mehr steigt, das heißt
> aber nicht, dass sie sprungartig auf 0 zurückgeht.

Das heißt aber hier, dass ein Käufermarkt in einen
Verkäufermarkt umschlägt, wo der Anbieter fast jeden
Preis nehmen kann. Denn wir sind vom Öl abhängig.

> Öl wird dann
> einfach weltweit teurer und derjenige, der es bezahlen kann,
> verbraucht es.

Erstes muss damit gerechnet werden, dass es sehr schnelle
sprunghafte Verteuerungen gibt, wie 1973. Das war kurz
nachdem die Ölförderung der USA peakte und die OPEC-Länder
sowohl um ihre damit verbundene neue Macht zu nutzen
als auch aus politischen Gründen um 5 % senkten.
Daraufhin stieg der Preis in kürzester Zeit von
etwa 3 Dollar auf 12 Dollar und bis 1979 auf um 40 Dollar.

(Ich vereinfache hier, als detalliertere Beschreibung dieser Krise:
http://en.wikipedia.org/wiki/1973_oil_crisis )

Das ist es, was Gunnar mit "Niedrige Preiselastizität"
meint: Schon ziemlich geringe Änderungen des Angebots
bewirken extreme Änderungen des Preises.

Seit 1999 hat sich der Ölpreis phasenweise verfünffacht,
von rund 25 Dollar auf Preise zwischen 40 und 140; Preise scheinen
sich bei über 100 Dollar einzupendeln. Daraus kann man schließen, dass
sich das Angebot beginnt, gegenüber der Nachfrage zu verknappen.

Es gibt ein Paper von Murray & King, in dem
dies mit einem Phasenübergang verglichen wird:

http://www.nature.com/nature/journal/v481/n7382/full/481433a.html

bzw.

www.aspo-australia.org.au/References/Bruce/MurrayKing2012.pdf


Es gibt einen Blogartikel von Tom Murphy, der
die Analyse weiter führt:

(Zum Suchen: Richtig interessant wird es mit
einer Grafik, die "Gail Tverberg" zitiert).

http://physics.ucsd.edu/do-the-math/2011/11/peak-oil-perspective/

Der wesentliche Punkt daran ist, dass beim Eintreten
einer Ölknappheit sich das ökonomisch-energetische
System der Ölförderung völlig anders verhält als
vorher. So etwas wird durch normale volkswirtschaftliche
Theorien gar nicht beschrieben.

Ein wesentlicher Grund für den extrem starken Einfluss
des Öls (und seiner direkten Substitute) ist, dass es in der
materiellen Welt eine ähnliche Rolle spielt wie in der Ökonomie das
Geld - es ist Katalysator und Vermittler von materiellen
Prozessen und Handel.

Und die erwähnten Preissteigerungen sind lediglich
Vorboten von Prozessen die bei einer Ölkrise geschehen
können. Die Prognosen der ASPO gehen von einer Abnahme
der Weltförderung um 6.5 % _jährlich_ aus. Eine einmalige
Kürzung um 5 % brachte 1973 die Wirtschaft der USA zum Röcheln.
Die Schätzung der IEA bewegt sich für das konventionelle Öl im
selben Rahmen, ist aber extrem optimistisch bezüglich
der Erschließung von Ressourcen wie Ölsanden und
Fracking.

> Öl wird dann
> einfach weltweit teurer und __derjenige,_der_es_bezahlen_kann__,
> verbraucht es.

Ich glaube, da liegt eine zweite ziemlich zweifelhafte Annahme:
Dass wir auch in Zukunft mit engerem Angebot Öl locker
bezahlen können, weil wir doch zum reichen Teil der
Welt gehören.

Es ist aber so, dass wir gemessen an den Bedürfnissen und der Nutzung
der Bevölkerung der Schwellenländer einen Teil davon sehr unproduktiv
nutzen. Ich würde vermuten, dass die Schwellenländer in vielen
Bereichen zwar eine viel niedrigere Arbeitsproduktivität haben (Arbeit
ist dort immer noch billig), aber dass sie aus Armutsgründen Energie
letztlich effektiver nutzen, also ihre Energieproduktivität höher ist.

Auf jeden Fall haben wir bereits jetzt den sehr deutlichen Effekt einer
Verlagerung der Energieströme von den USA und Europa weg nach Asien. Die
Menschen dort haben _in der Summe_ mehr Kaufkraft für Energie.

Dies wird sich in Zukunft verstärken.

> Und das bedeutet einfach, dass der ein oder andere vom
> Auto aufs Fahrrad umsteigt und der ein oder andere dann doch den
> Kleinwagen statt des SUVs wählt und der ein oder andere das Öl nicht
> mehr sinnlos vergeudet usw. Und das plant auch niemand, das passiert
> einfach. Bei jedem einzelnen.

Einerseits ist das richtig, es gibt zweifellos eine
Menge Speck, den man individuell bequem einsparen kann -
beim berühmten Brötchenholen mit dem Auto angefangen.
(Ich argumentiere hier nicht moralisch und nehme mich
selber keineswegs aus). Das bedeutet aber dummerweise nicht, dass das
volkswirtschaftlich unerheblich oder schnell zu ändern ist.

Beispielsweise haben wir eine Menge Supermärkte "auf der Grünen Wiese".
Die sind nur mit dem PKW effizient zu erreichen. Wenn Benzin einen
erträglichen Preis überschreitet, sind alle darin getätigten
Investitionen verloren - Gebäude, Versorgungseinrichtungen,
Unternehmen, die für viele nicht mehr bezahlbaren PKW selber, alles.
Dem entgegen steuern könnte man z.B. mit einer besseren ÖPNV Anbindung,
aber auch das braucht Zeit.

Um es noch mal mit einem Satz zu sagen:
Peak Oil kann zu einer Verknappung mit bedrohlichen
Preissteigerungen in weniger als fünf Jahren führen,
für entsprechende Anpassungen brauchen wir aber
mindestens 15 Jahre - und die müssen zu einem
großem Teil vorher geschehen.


Viele Grüße,

Johannes




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