Meiner Meinung nach ist die Problematik
grundsätzlich überschaubar wenn man nicht zu sehr ins Detail geht.
- Es
ist genug Geld im System, es wird nur falsch verteilt. Millionengewinne
für private Klinikkonzerne aber das Geld für eine banale Bewegungsschiene
nach Schulter OP ist nicht da, die Heilung dauert länger usw.
- Das
undurchsichtige Sachleistungssystem führt zu einer „flat-rate Mentalität“
die das System mit unsinnigen Ausgaben belastet (Junger Mann hat
Fußschmerz, bekommt auf Kosten der Solidargemeinschaft Kernspintomographie
des Sprunggelenkes. Kommt 1 Tag später weil er die Bilder in der S-Bahn
liegen lassen hat. Helferin sagt Ihm, dass ein erneuter Ausdruck 10€
kostet. Er:“ Ach da hole ich mir doch eine Überweisung und lasse das
einfach nochmal machen“ und geht. Genauso passiert). Das System wird
blockiert weil viele wegen jeder banalen Befindlichkeitsstörung zum Arzt
gehen (kostet ja nix, die 10€ hab ich schon gezahlt) oder weil die
Klinikambulanzen am Wochenende statt Notfälle zu behandeln von Schmarotzern
blockiert werden denen die Wartezeiten unter der Woche zu lang sind usw.
- Prävention
soll gestärkt werden, gleichzeitig bekommen aber die Kassen mehr Geld aus
dem Gesundheitsfonds wenn sie mehr schwerkranke Mitglieder haben. D. h.
Kassen die Präventionsprogramme auflegen geben mehr aus als die Anderen und
bekommen dann weniger zurück, weil ihre Mitglieder gesünder bleiben.
- Die
Deutschen gehen zu oft zum Arzt (je nach Statistik bis zu 10 mal öfter als
die Skandinavier pro Jahr) gleichzeitig werden Chronikerprogramme
aufgelegt bei denen die Patienten profitieren weil sie die 10€ Kassengebühr
sparen, sie müssen aber schon allein dafür 4x pro Jahr zum Arzt gehen.
Durch Quartalspauschalen werden die Ärzte genötigt Kontrolluntersuchungen
ins nächste Quartal zu verschieben, damit die sich überhaupt noch rechnen.
- Unser
Gesundheitssystem ist noch eines der besten weltweit, jeder bekommt
nahezu jede sinnvolle Therapie. Das läuft aber auf Pump, da die
Leistungserbringer immer schlechter bezahlt werden. Die Ärztegeneration
die sich für ihre Patienten aufgearbeitet hat geht gerade in den
Ruhestand. Die folgenden Einserabiturienten und Frauen (die sind da
nämlich schlauer) gehen eben nicht mehr aufs Land, weil es sich nicht
rechnet.
- Gesundheitspolitik
wird von Lobbyisten in gigantischem Ausmaß beeinflusst (das BMG arbeitet
mit einer Vielzahl an Mitarbeitern die von Kassen, Klinikkonzernen oder
Bertelsmann bezahlt und „ausgeliehen“ werden, die bestimmen die Gesetzesvorlagen).
Die Einzigen ohne Lobby sind Patienten und Ärzte!
So jetzt geh ich heim, sitze immer noch in
meiner Praxis und schaufle Geld um…
Gruß
Andreas
Von: ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von Morgan le Fay
Gesendet: Freitag, 20. April 2012
18:11
An:
ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-Gesundheit]
Faktensammlung
Nein, Du brauchst nicht zu kotzen. Solche
Untersuchungen, würden sie je zur Pflicht werden, wären niemals eine Leistung
der GKV.
Auch Bildschirmarbeitsplatzbrillen werden nicht bezahlt und der Sehtest für den
Führerschein ebenfalls nicht.
Aber nun halten wir uns damit nicht länger auf.
Wir müssen uns überlegen, welche Ausgaben im Gesundheitswesen nötig sind und
wer darüber befinden darf was "nötig" ist. Hier bekommen sich Ärzte,
Kassen und Patienten immer wieder in die Wolle, aber wir müssen einen ethisch
vertretbaren, rechtlich zulässigen und fairen Weg finden, das festzulegen.
Deshalb ist mir im Moment auch mal egal, ob jemand auf Bachblüten schwört oder
lieber schulmedizinisch therapiert werden möchte, es geht vielmehr darum,
festzulegen, wer über die Therapie entscheiden darf und gleichzeitig
Verantwortung für das Geld im Solidartopf übernimmt.
Dass wir am Solidarprinzip festhalten, nehme ich dabei jetzt mal als gegeben
an. Würden wir alle Forderungen des Arztes aus Schrobenhausen, der mit seiner
veröffentlichten Schimpfkanonade seine Praxis frustriert aufgab, erfüllen,
dann wäre das Gesundheitswesen für niedergelassene Ärzte ein
Selbstbedienungsladen. Doch wer soll sonst Diagnosen stellen und Therapien
erarbeiten?
Brauchen wir permanent "neue" Arzneimittel? Müssen Apotheker wirklich
8,10 bzw. 6,80 € für jedes verschreibungspflichtige Medikament bekommen?
Brauchen wir kanpp 160 Krankenkassen? Muss der Arzt wirklich für alles seinen
Kopf hinhalten? Was ist z.B. mit all den nichtärztlichen Curriculi, die viel
vom Tagesgeschäft eines Arztes genauso gut erledigen könnten? Sollte man nicht
jetzt aus Steuermitteln aufgegebene Landarztpraxen aufkaufen und sie später an
Ärzte (evtl. mit Fixgehalt) verpachten?
Können wir nicht auf die KVen verzichten? Und, und und
Und wenn wir wissen, was wir unbedingt ausgeben müssen, um eine in §2 des SGB V
versprochene Versorgung zu gewährleisten, dann können wir uns überlegen, wie
wir das finanzieren. Ich denke, das wird dann das kleinere Problem sein.
So, und nun muss ich dringend los in die Apotheke. Ich brauch noch eine Creme
für sage und schreibe 26,30 Euro. ;-)
Gruß
Harry
Am 20.04.2012 17:25, schrieb Dr. Forster:
Ich habe mich bisher immer bemüht objektiv die Probleme
aufzuzeigen und anzugehen. Dass meine Sicht der Dinge berufsbedingt und weil
ich mich nicht erst seit gestern mit Gesundheitspolitik beschäftige, etwas
ärztlich gefärbt ist möge man mir bitte nachsehen.
Im Zentrum eines Konzeptes müssen immer
Patienten, Ärzte und nichtärztliche Beschäftigte im Gesundheitswesen sein, ohne
auch nur einen dieser drei geht nämlich gar nichts (ich versuche den Begriff
„Leistungserbringer“ zu vermeiden!).
Die einzigen im System die keinerlei Lobby
haben sind die Patienten und die niedergelassenen Ärzte! Die immer wieder gerne
bemühte „ärztliche Selbstverwaltung“ ist eine Worthülse, von der Politik
geschickt eingesetzt. Tatsächlich ist eine Kassenärztliche Vereinigung eine
nachgeschaltete Behörde des Gesundheitsministeriums und nur dafür zuständig die
Gesetze durchzusetzen. Im SGB V steht unter den Aufgaben den KVen nirgendwo
irgendwas über eine Vertretung der ärztlichen Interessen. Wenn also irgendetwas
nicht funktioniert heisst es immer: die ärztliche Selbstverwaltung schafft es
nicht. Die eigentlich verantwortlichen bleiben gut geschützt!
Wär'
ein schönes Geschäft für uns und die Ärzte
Das sind so Stereotype die mich einfach
zum k…. bringen! In einem gedeckelten Honorarsystem führt jeglich Mehrarbeit einfach
nur dazu dass die einzelnen Leistungen noch schlechter vergütet werden!
Außerdem habe ich nicht studiert und Facharztausbildung gemacht in erster Linie
zum Geldverdienen. Ich möchte für meine Arbeit angemessen bezahlt werden wie
jeder andere auch! Vor allem möchte ich ein System das so transparent und
verstehbar ist, dass ich mich nicht permanent damit beschäftigen muss und
Planungssicherheit bekomme!
Grundsätzlich sind wir aber gar nicht so
weit voneinander weg!
Aktuelles Zitat von heute in Arzt am Abend über die Konzepte der Parteien in NRW:
Die Piraten sammeln in ihrem Programm unter den Punkten 1.7 („Gesundheit“),
1.8 („Whistelblowing“) und 1.9 („Drogenpolitik“) zahllose Einzelanliegen wie
„Erste Hilfe“
(1.7.3), „Fortbildungspflicht in der Pflege“ (1.7.7.) oder
„Suchtprävention mit dem Selbstkontrolltraining (SKOLL)“ (1.9.4). Ein strukturelles Gesamtkonzept, das
auch die
ambulante
Medizin umfasst, ist nicht erkennbar. (Hervorhebung
durch mich)
Das stimmt, wir verlieren uns hier in
Detaildiskussionen ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept zu haben (oder zumindest
eine Idee in welche Richtung das gehen könnte!)
Daran müssen wir dringend gemeinsam
arbeiten!!!
Gruß
Andreas
Von: ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de]
Im Auftrag von Morgan le Fay
Gesendet: Freitag, 20. April 2012
14:57
An: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [AG-Gesundheit] Faktensammlung
Richtig, mehr ist es auch nicht.
Ich möchte an der Stelle aber festhalten, dass "Informationen" über
"Fehler und Schwächen im System" aus dem Blickwinkel eines Patienten,
Versicherten und Steuerzahler deshalb nicht weniger wert und schon gar kein
Grund sind, diesen "Ärztebashing" vorzuwerfen oder sie als
"Ärztehasser" zu titulieren.
Als ich diese Mailliste übernommen hatte, da habe ich eigentlich mehr oder
weniger Selbstgespräche geführt. Deshalb bin sehr froh und stolz darauf, sagen
zu können, dass wir es geschafft haben, sie auch für (angehende) Ärzte
attraktiv zu machen.
Aber um es nochmals klar zu sagen: Wir machen hier Politik für die Bürger und
sind kein Lobbyistenverein für irgendeine Berufsgruppe, für die Ärzte nicht und
auch für die Optiker nicht.
So sehr ich mir aus beruflichem Eigennutz auch wünschen würde, die aktuell
geführte Diskussion zu regelmäßigen Pflichttests für (ältere)
Führerscheininhaber würde wahr..., ich bin ich dagegen! Bestehende Gesetze
reichen aus, um die Fahrtauglichkeit zu garantieren, nur muss man die
Einhaltung auch prüfen und Nichteinhaltung sanktionieren. Und das geschieht
nicht. Oder hat schon jemand bei einer allg. Verkehrskontrolle ein
ausreichendes Gesichtsfeld nachweisen müssen?
Wer soll die ganzen Kosten für Seh-, Hör- und Reaktionstests tragen? Von der
Untersuchung beim Kardiologen und Neurologen gar nicht zu reden. Und warum nur
Führerscheininhaber? Und warum nur "Ab65jährige"?
Wär' ein schönes Geschäft für uns und die Ärzte, aber ich lehne jede weitere
Bevormundung der Bürger ab, zumal auch dann die Einhaltung der Gesetze nicht
gewährleistet wäre. Was hilft 's denn, wenn man alle2 Jahre erfährt, man müsse
Brille tragen, diese aber im Handschuhfach liegt?!
Ich wünschte mir auch von anderen ein wenig mehr Horizont über 'm Tellerrand,
oder dass sie sich einfach mal vorstellen, wenn man ihnen im Restaurant und
beim Friseur so begegnen würde, wie sie ihren Kunden/Versicherten/Patienten
begegnen.
Just my 2Cent! Bitte lasst uns versuchen, vernünftig zu einer mehrheitsfähigen
Position im Gesundheitswesen zu kommen. Wir sind noch nicht einen Schritt
weiter als vor 1 Jahr. Und die Philosophie eines Arztes in Altötting, die auch
noch 4 Jahre alt ist, hilft uns nicht weiter.
Gruß
Harry