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ag-gesundheitswesen - [AG-Gesundheit] Strukturelle Schwächen der GKV

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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[AG-Gesundheit] Strukturelle Schwächen der GKV


Chronologisch Thread 
  • From: Klugscheißer <Klugschei%C3%9Fer AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-Gesundheit] Strukturelle Schwächen der GKV
  • Date: Sun, 08 Jan 2012 09:32:21 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Man stelle sich einmal vor, andere Bereiche des Lebens wären so organisiert wie das gesetzliche Gesundheitssystem. Nehmen wir beispielhaft einmal die Dinge des täglichen Bedarfs, also das Wirtschaftssegment Einzelhandel, welches diese Dinge als Anbietergruppe zur Verfügung stellt:

Übertragen auf den Einzelhandel würde das GKV-System bedeuten, dass jeder die Kosten des Einzelhandels anonym über seine Steuern zu finanzieren hätte, als Gegenleistung aber jeder in den Supermarkt gehen könnte, um sich dort Waren zu holen, die man dann an der Kasse nur noch registrieren lässt, aber nicht mehr direkt zu zahlen hätte, denn die Bezahlung geschähe dann ja anonym über die gezahlten Steuern.

Was würde geschehen?
Ich glaube, man muss nicht verschwörungstheoretisch oder esoterisch veranlagt sein, um zu erkennen, dass es das Konsumverhalten des Einzelnen nicht unerheblich verändern würde. Eine differenzierte Abwägung des Konsumenten, wie bisher, würde zunehmend verloren gehen.

Andererseits würde dies nicht nur das Konsumverhalten des Einzelnen verändern, sondern auch das Verhalten der Anbieter, d.h. des Einzelhandels.

Gleichzeitig müsste der Gesetzgeber in Preisverhandlungen mit dem Einzelhandel eintreten, d.h. nicht mehr der Markt würde über die Höhe der Preise entscheiden, sondern die Verhandlungsergebnisse von Gesetzgeber und Einzelhandel.

Da der Gesetzgeber am Ende die Gesamtkosten zu verantworten hätte, würde dieser immer stärker in den täglichen Konsum eingreifen. Er müsste vorschreiben, für welche Produkte die Kosten übernommen werden und für welche nicht. Joghurts der Firma X würden dann bezahlt, die der Firma Y nicht.

Die Produkte, die dann nicht erstattet werden, würden sukzessive vom Markt verschwinden, auch deshalb, weil möglicherweise der Einzelhandel einen gesonderten Prozess für diese nicht erstattungsfähigen Produkte einführen müsste. Der Kunde würde womöglich die Erfahrung machen, dass er beim Erwerb solcher Produkte zu lange in der Schlange vor der Kasse warten muss.

Gleichzeitig würden die Spenden der Produzenten einzelner Produkte (die erstattungsfähig bleiben sollen) wie auch des Einzelhandels an die Parteien enorm zunehmen.

Die Qualität der angebotenen Produkte würde dauerhaft zurück gehen, weil der Staat bzw. Gesetzgeber als Obercontroller die Gesamtkosten im Auge behalten muss und dadurch sich die Frage einer Grundversorgung zunehmend stellen würde, denn anderes wäre auf Dauer nicht finanzierbar, würde die Steuerbelastung zu stark steigen lassen.

Gleichzeitig würden die minderwertigeren Produkte teurer werden, weil der Preis nicht mehr Folge eines Marktgeschehen wäre, sondern Folge von Preisverhandlungspositionen zwischen Gesetzgeber und Anbieter. Da dürfte es dann schlagkräftige Argumente seitens der Anbieter geben (z.B. Spenden), warum das Joghurt der Marke X nicht mehr 29 Cent kostet, sondern zukünftig 59 Cent.

In Systemen, in denen Produkte und Dienstleistungen nicht mehr unmittelbar zwischen Kunden und Anbietern direkt abgerechnet werden, sondern abstrakt über eine Art Komplett-Versicherungsschutz, ist das Preis-Leistungsverhältnis immer sehr schlecht.

Anderes Beispiel, das vermutlich die meisten in ähnlicher Form aus Erfahrung kennen:
Vor 4 Jahren hatte ich einen kleinen Autounfall. Ich fuhr auf eine Kreuzung zu, an der ich die Vorfahrt zu achten hatte. Die Kreuzung war allerdings nicht rechtwinklig, sondern im schiefen Winkel, sodass ich meinen Kopf für die links kommenden Fahrzeuge sehr stark nach hinten wenden musste. Vor mir fuhr noch ein weiteres Fahrzeug. Als schließlich links eine größere Lücke entstanden war, fuhr das vor mir fahrende Fahrzeug los, ich ebenfalls und drehte meinen Kopf wieder nach links, um zu sehen, ob auch ich über die Kreuzung fahren könne. Zwischenzeitlich hatte es sich der Fahrer des Fahrzeugs vor mir aber noch einmal überlegt, wollte nun doch noch das nächste links ankommende Fahrzeug passieren lassen und hielt deshalb abrupt an. Da mein Kopf nach links hinten gewendet war, fuhr ich auf das vor mir fahrende Fahrzeug drauf, allerdings nur mit einer geringen Geschwindigkeit, denn eigentlich rollte ich nur im Leerlauf die leicht fallende Straße entlang, so etwa mit 15-20 km/h. Ich gab dem Fahrer des anderen Wagens meine Versicherungsdaten, wir inspizierten beide Fahrzeuge und kamen beide zum Schluss, dass mein Fahrzeug in diesem Fall ganz offensichtlich die größeren Schäden hatte. Ich musste meinen Schaden selbst bezahlen, der Schaden des anderen wurde durch meine Versicherung übernommen, welche mir später nur informativ die Rechnung schickte. Ich verhandelte mit meiner Werkstatt, der andere Fahrer sagte nur, dass den Schaden die Versicherung des Unfallgegners zahlt. Meine Rechnung (bei wohlgemerkt höherem Schaden) lag bei 400 Euro, die Rechnung des Unfallgegners bei 1800 Euro. Allein das Gutachten kostete fast so viel wie meine Komplettreparatur.

Abstrakte Begleichung von Kosten über Dritte, an denen der Kunde entweder nicht unmittelbar beteiligt ist oder aufgrund eines Versicherungsschutzes kein unmittelbar persönliches Interesse besteht, ist immer deutlich teurer.




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