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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Fahrplan Solidarier

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Fahrplan Solidarier


Chronologisch Thread 
  • From: "Guido Heymann" <guido AT drheymann.de>
  • To: <praxis AT dschlierf.de>, "AG Gesundheit" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Fahrplan Solidarier
  • Date: Tue, 15 Nov 2011 13:12:47 +0100
  • Importance: Normal
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Hanns-Dieter
 
1+ !!!
 
und für andere, weiterlesen unter >http://honorarluege.de<
 
Grüße
Guido [MaHe-Berlin]
 
From: Dieter Schlierf
Sent: Tuesday, November 15, 2011 12:47 PM
To: 'AG Gesundheit'
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Fahrplan Solidarier
 

Warum sollte es bei den Piraten anders sein als in der übrigen Republik.

Es werden zahlreiche Gesichtspunkte durcheinandergeworfen und Vorurteile kultiviert.

 

Ich bin freiberuflich tätiger Allgemeinarzt und musste jetzt meine gutgehende Allgemeinpraxis beenden und mich einer Gemeinschaftspraxis anschließen, weil die Kosten und das Ho(h)norar nicht mehr im Einklang miteinander stehen.

Bei den Privatpatienten steht auf meiner Rechnung sehr oft nur eine Beratung und eine gründliche organbezogene Untersuchung, das sind die Ziffern 1 und 6 oder 7 der Gebührenordnung für Ärzte, auch hier zunächst in Punkten 80 plus 100 oder 160 Punkte mal Punktwert 5,825 Cent mal Multiplikator 2,3 ergibt für einen Arztbesuch 10,72 plus 13,40 oder 21,44 Euro. Meine Rechnungen lauten also häufig über 10,72 Euro (nur Beratung) oder 24,12 bzw. 32,16 Euro (Beratung und Untersuchung) bei einem Privatpatienten. Damit kann ich meine Praxis nicht finanzieren. Diese Beträge sind seit fast 20 Jahren nur ein einziges mal um 3% nach oben korrigiert worden, also ohne jeden Inflationsausgleich. Ich bin gezwungen, besser honorierte Leistungen wie EKG, Lungenfunktion, Laboruntersuchungen zusätzlich zu erbringen, was häufig durchaus sinnvoll ist und eben bei Privatpatienten zusätzliches Geld einbringt.

Bei Kassenpatienten bekomme ich einen Pauschalbetrag (bei mir sind das derzeit 41 Euro pro Quartal, also unter 14 Euro pro Monat!), egal, wie oft ich den Patienten sehe. Viele Untersuchungen und Behandlungen (EKG, Infusion, Ohrenspülung usw.) sind in diesem Pauschalbetrag enthalten. Manche Fachärzte bekommen einen noch niedrigeren Pauschalbetrag. Die Erstellung einer Rechnung für diese Patienten, damit sie kontrollieren können, was abgerechnet wurde, ist in diesem Fall völlig unsinnig. Trotzdem wird die Erfassung der Leistung und Einstellung ins Internet von Politikern wie dem Unionspolitiker Singhammer im Spiegel gefordert. Dies geschieht wohl eher um zu erzwingen, dass die Ärzte ihre Leistungen online stellen.

Völlig klar ist in diesem Fall, dass Ärzte versuchen müssen, in anderen Bereichen Umsätze zu erzeugen, wenn sie ihre Praxis erhalten wollen.

Dies geschieht z.T. mit IGeL, bei den Fachärzten zum Teil mit zusätzlichen Leistungen, die von der KV außerhalb der Grenzen des Regelleistungsverfahrens bezahlt werden. Hierzu gehören z.B. Magen- und Darmspiegelungen bei Internisten. 

 

Ein Bürger, der wenig Einblick in die Bedingungen einer freiberuflichen Arztpraxis hat, kann durch Umsatzzahlen massiv verwirrt werden. Was hat der Umsatz einer Radiologen- oder Nephrologenpraxis mit  der Bezahlung des Arztes zu tun? Antwort: fast gar nichts, denn die Nebenkosten einer solchen Praxis sind enorm. Das, was letztendlich beim Arzt als zu versteuerndes Einkommen bleibt, ist nur ein Bruchteil des Umsatzes. Selbst in meiner Praxis hatte ich einen Nebenkostenanteil von 60%! Dabei sind Rücklagen für eventuell anfallende Geräte noch nicht berücksichtigt.

Bereits im Jahr 2002 wurde als betriebswirtschaftlich sinnvoller Punktwert für gesetzlich versicherte Patienten in der Arztpraxis 5,1 Cent festgelegt. Das hätte dann der Vergütung eines Oberarztes nach BAT entsprochen. Wir bekommen jetzt, nach 8 Jahren 3,5 Cent! Dieser Betrag ist allerdings auch noch nach oben gedeckelt, sodass eine Ausweitung der ärztlichen Tätigkeit mit mehr Patienten oder zusätzlichen Notdiensten nicht wirtschaftlich ist.

 

Die Bürger bezahlen aber doch enorme Beiträge in die Sozialversicherung. Wo bleibt denn dann das Geld? Neben den enormen Kosten der Verwaltung (mehr Geld für Krankenkassenverwaltung als für die gesamte hausärztliche Versorgung!) und den weit über dem europäischen Durchschnittspreisen liegenden Arzneimittelkosten fallen in den Facharztpraxen sehr hohe Nebenkosten z.B. für Herzkatheter-Einmalmaterial oder für Dialyselösungen an. Dieses Geld steht also gar nicht den Ärzten zur Verfügung sondern wird an die Gesundheitskonzerne weitergereicht.

 

Leute! Geht mal zu Eurem Hausarzt und lasst Euch dort erklären, wo der seine Segelyacht und sein Reitpferd und den Ferrari stehen hat. Dann fragt ihn noch, wie es mit einem Nachfolger für seine Praxis aussieht.

 

Letztendlich wird es nicht anders gehen, als dass jeder Arzt seinem Patienten eine Rechnung für die tatsächlich erbrachten Leistungen stellt und dieser die Rechnung (je nach finanzieller Ausstattung eventuell nicht vollständig sondern nur teilweise) von seiner Krankenversicherung erstattet bekommt. Das ist ein Vorgehen, wie es in der übrigen Welt zum normalsten überhaupt gehört. Gleichzeitig müssen aber Alle in die Krankenversicherung einzahlen oder die Beteiligung des Staates an den Gesundheitskosten muss steuerfinanziert erheblich gesteigert werden. Derzeit beträgt übrigens die Beteiligung des Staates an den Gesundheitskosten nur wenigen Milliarden Euro, also in der Nähe von 1% der Gesamtkosten während zweistellige Milliardenbeträge allein in Form der Mehrwertsteuer für Medikamente eingezogen werden.

 

Hanns-Dieter

 

 



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