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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner


Chronologisch Thread 
  • From: DS Lawfox <dslawfox AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner
  • Date: Fri, 21 Oct 2011 13:12:29 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

@Michaela und @Birger und ML - Hallo!  
 
Die dezentrale Speicherung beim behandelnden Arzt oder bei den behandelnden Ärzten ist unter Berücksichtigung der ärztlichen Schweigepflicht überhaupt nicht mit einer zentralen Speicherung unter GKV-Hoheit bzw derjenigen eines gewinnorientierten Privatwirtschaftlichen Unternehmens zu vergleichen.
Mir ist duchaus bewusst, dass sich dein, Birger, Hinweis auf die Prüfungen des MDK in Krankenhäusern auf die geübte Praxis bezieht.
 
Was die Kürzungen von Krankenhausabrechungen durch die GKVen aufgrund solcher Prüfungen angeht, ist der Drops gegessen. Die Patienten tangiert das in der Regel nicht.
 
Was die weit größere Zahl der ambulanten Behandlung betrifft, so geht es hier mit Blick auf die Massen-Daten-Speicherung um ganz andere Zielsetzungen. Zum einen verwirklicht die zentrale Datenspeicherung unter der Hoheit der insoweit beauftragten GKVen ein unvorstellbares, wirtschaftliches Machtpotential und zig-millionenfach individuell wirkendes Beeinflussungspotential und zum anderen ist das Pilotprojekt eGK/Telematik ein durch Versichertenbeiträge finanziertes Multi-Milliarden-Dollar-Aspirant gewinnorientiert operierender Kreise.
 
Und so geht es gar nicht darum, was ist, sondern was sein soll und wird mit Einführung der eGK und Komplettierung der Ausbaustufen.
 
Die Zielsetzung ist klar: Der gläserne Patient.
 
Im Übrigen gilt bzgl. der gesammelten Daten HEUTE die Regel, dass sich ihre "Bekanntheit" auf die verschlüsselten Abrechnungsdaten beziehen sollte und lediglich in Fällen fehlender Plausibilität oder mit entsprechenden Begründungen zur Erstellung von GKV-internen Gutachten Überprüfungen durchgeführt werden dürften. Dies zunächst (individuelle Therapie-Überprüfungen) überwiegend durch die Sachbearbeitungs-Teams bei den GKVen. In den übrigen Fällen schwärmen die MDeK aus, bestellen Versicherte ein, verschicken Fragebögen, stellen Anforderungen zur Übermittlung von Patienten-Daten an Ärzte, stellen Anfragen (manchmal 3 gleiche von unterschiedlichen Sachbearbeitern in 1 Fall). Und in allen Fällen sind natürlich die Klartextdiagnosen enthalten. 
 
Die Praxis des permanenten Rechtsbruchs seitens der GKVen, dass jeder x-beliebige Sachbearbeiter die ICD10-Verschlüsselungen im Klartext ausliest, gehört hier weniger hin, sondern eher in die Abteilung Recht und es bedarf hier auch derzeit gar nicht ihrer Klärung.
 
Und dabei gilt: Nicht weil man es bei Google finden kann, ist es rechtens. Denn bei Google findet man bekanntlich auch Anleitungen zum Bombenbasteln etc.

Jedoch - und das ist der entscheidende Punkt - sowohl die GKVen als auch deren medizinischen Dienste haben ein vom Versicherten beim Beitritt erklärterteiltes Auskunftsrecht, und Einsichtsrecht in sämtliche für die Erstattung relevanten Vorgänge für den Fall von Zweifeln insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit oder irgendwelchen Therapien oder dergleichen. Dazu bedarf es nichtmal einer gesonderten Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.
 
Der Gesetzgeber hat dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) umfangreiche Einsichtsrechte eingeräumt. Wurde dieser von einer Krankenkasse mit der Einholung eines Gutachtens nach § 275 SGB V (Gutachten zur Erbringung von Leistungen, zur Rehabilitation oder zur Arbeitsunfähigkeit) beauftragt, sind die Leistungserbringer verpflichtet, die erforderlichen Patientendaten unmittelbar an den MDK zu übermitteln. Die Zustimmung des Patienten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Allerdings dürfen nur die „erforderlichen“ Daten mitgeteilt werden, keinesfalls kann unkritisch die gesamte Krankenakte mit Aufzeichnungen über sämtliche Vorbehandlungen herausgegeben werden. Der MDK muss daher auch konkret darlegen, was Inhalt seines Prüfauftrags ist (zum Beispiel Prüfung der Krankenhausleistung oder Prüfung der Arbeitsfähigkeit). Besonders bei einer aus mehreren Teilleistungen bestehenden Behandlung muss der Arzt genau prüfen, in welchem Umfang Daten nach § 276 Absatz 2 Satz 1 SGB V herausgegeben werden müssen. Andernfalls stünde er in der Gefahr, auch solche Daten zu offenbaren, die für den Prüfauftrag des MDK gar nicht erforderlich sind, was als Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zu werten wäre .
 
Es gibt natürlich schon heute die Sonderfälle der Prüfung von Dauer und Notwendigkeit einer stationären Behandlung nach § 276 Absatz 4 SGBV durch den MDK. Da diese Prüfung naturgemäß umfassend verlaufen muss, hat der Gesetzgeber den Ärzten des MDK das Recht eingeräumt, in der Zeit zwischen acht und 18 Uhr unmittelbar Einsicht in Patientenunterlagen zu nehmen und den Patienten zu untersuchen. Die Übersendung der Patientenakte an den MDK ist in diesem Zusammenhang aber nicht vorgesehen, vielmehr hat die Prüfung unmittelbar im Krankenhaus zu erfolgen.
Diese Differenzierungen (z.B. "erforderliche Daten") und Mühewaltung entfällt mit der Einführung der eGK und vorgesehenen Vervollkommnung der Telematik völlig. Eine Differenzierung zwischen erforderlich oder weniger bzw. nicht erforderlich innerhalb eines Versicherten-Datensatzes (etwa Zeilenweise oder unter Aussparung bestimmter Worte)m der heute noch selbst bei Akteneinsicht möglich ist,  kann innerhalb eines kompletten Datensatzes (z.B. Patientenakte), nicht vorgenommen werden.
Die Daten befinden sich dann samt und sonders im Zugriff des MDK, respektive der Versicherung auf den Zentralspeicher. Die Differenzierung hinsichtlich anamnestischer Teile etwa aktueller Erkrankungen oder Vorerkrankungen entfällt ebenfalls.
 
Es ist auch keineswegs so, dass sich die "freiwilligen Daten" des Versicherten nur auf dem Praxisrechner befinden werden. Auch diese Daten werden sich auf dem Zentralserver befinden. Das Element der "Freiwilligkeit" bestimmt nur, wer Zugriff auf die Daten erhalten soll.
 
Beziehen wir das Ganze mal auf die zentrale Datenspeicherung:
 
Beim MDK sitzen ebenfalls diejenigen Angehörigen der Heilberufe, die mit einer Zugangsberechtigung ausgestattet sein werden. Dasselbe gilt für die sog. "beratenden ApothekerInnen", die schon jetzt in nahezu jeder Bezirksvertretung jeder GKV sitzen.
Die Komplett-Datenauslesung wird künftig stillschweigend bei sämtlichen Versicherten erfolgen, die keine Sperre auf die freiwilligen Daten gelegt haben. Hierzu bedarf es eines einmaligen, authorisierten Zugriffs, den die GKVen aufgrund der Verpflichtung ihrer Mitglieder zur Mitwirkung und Offenlegung gestatten müssen.
 
In den GKV-Stellen werden schon jetzt entsprechende Terminals eingerichtet bzw. vorbereitet. Diejenigen Versicherten, die den Zugriff auf die Daten verweigern, werden diejenigen sein, welche sich mit Leistungsverweigerungsrechten der Versicherungen werden rumzuschlagen haben; bis hin zur Sperrung der Karten wegen Obliegenheitsverletzung.
 
Gründe zu finden bzw eine gesetzeskonforme Begründung wird für jede Kasse ein Leichtes sei.
Ich verweise in diesem Zusammenhang vor allem auch darauf, dass sowohl die Ärzte als auch die Versicherten zu jedweder Mitwirkung bei der Aufklärung über Anlass und Grund etwaiger Leistungserstattung oder Leistung (z.B. Krankengeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc.) im Sinne von Obliegenheit verpflichtet sind.
 
Und so steht fest, wie das Amen in der Kirche, dass die Daten über kurz oder lang freigegeben werden, damit der Versicherte etwaige Leistungsverweigerungen im eigenen Interesse vermeidet. Und zwar alle Daten.
 
Für "Problemfälle" beschäftigen die GKVen bekanntlich Heerscharen von Angestellten auf allen Ebenen.
 
Jene Heerscharen, die heute unendlich viele Anfragen porduzieren werden dann künftig nur noch damit befasst sein, Versicherten-Profile zu erstellen, die eine exakte, individuelle, gesundheitsbezogene Personenstruktur ausweisen. Ein virtueller Ausweis von "teurer Versicherter" oder "billiger Versicherter" wird entstehen und damit eine unvorstellbare Datenhybris, auf die weder der Versicherte, noch der Arzt oder sonstwer Einfluss haben wird.
Birger, du lehnst die eGK ab auch ab, oder?
 
Mir persönlich geht es nicht darum zu hysterisieren, sondern schnellstmöglich konzertiert ein piratiges Aufklärungs- und Informations-Programm zu zimmern und die politischen Konsequenzen in Wort und Tat daraus abzuleiten.
 
Ich hoffe auf zahlreiche Mitstreiter der ML an meiner Seite.
 
Der Standpunkt der Piratenpartei zur Frage des Datenspeicherirrsinns im Kontext der eGK ist ja nun eindeutig. Die Piratenpartei lehnt die Einführung der eGK ab. Es geht im Weiteren darum, neben Information und Aufklärung der Bevölkerung das Moratorium hinsichtlich des laufenden Rollouts zu fordern und zu fördern.

Gruß
Dietmar
 



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