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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!
  • Date: Thu, 09 Jun 2011 06:50:10 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver



Privacy schrieb:
>
> syna (evtl. zitierend!)' schrieb:
>> muss ca. 1,4 Personen mitfinanzieren, die keinen oder nur einen
>> kleinen

>> Beitrag leisten (Quelle: Z.B. Bundesministerium für Gesundheit 2000,
>> Berechnungen von. Eberhard Wille „Basis und Zusatzversorgung in der
>> gesetzlichen Krankenversicherung“ ISBN 3-934629-53-9“). Das
>> heißt, dass

>> der GKV-Beitragszahler fast die Hälfte seines Beitrags für die
>> Solidargemeinschaft zahlt, also für
>> -- beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige
>> -- Rentner -- Arbeitslose
>> -- freiwillig versicherte Mitglieder der GKV
> Nur für die GKV gibt es erhebliche Steuerzuschüsse ... - und die
> freiwillig in der GKV versicherten finanzieren ihren Beitrag komplett
> alleine. Auch die Rentner bezahlen seit Jahr und Tag ihren Beitrag.
>> Der GKV-Versicherte zahlt somit einen Riesenanteil zur
>> Solidargemeinschaft.
> Nein - der GKV Versicherte ist oft (wenn er nicht selbst Mitglied (!)
> in

> der GKV) ist, Kostgänger des Staates.
>> Der PKV-Versicherte zahlt dagegen nix an die Solidargemeinschaft.
> Der PKV Versicherte zahlt Steuern mit dem s.o. Mitversicherte in der
> GKV

> finanziert werden, muss aber auch z.B. für seine Familie Beiträge an
> die

> PKV bezahlen.
>> Und es kommt
>> noch extremer: Nur der PKV-Versicherte hat im Falle eine ernsthaften
>> lebensbedrohenden Erkrankung Zugang zu Experten (habe ich oben schon
>> näher beschrieben).
> Die Behauptung ist pure Demagogie und wird durch Wiederholung nicht
> richtiger.


Hallo Privacy!

Hast Du Dir meine Antworten und Argumente *(siehe oben)* eigentlich
durchgelesen? Das dauert nicht lange, ich habe mich immer kurz gefasst.

Deine Antworten hier lassen mich vermuten, dass Du das nicht getan hast:
In allen einzelnen Punkten sieht es anders aus, als Du es hier
darstellst.


---------------------------------------------------------------------

Ich weiß nicht, inwieweit Du Dich mit dem jetzigen Gesundheitssystem
auskennst bzw. die Geldflüsse kennst. Es ist ein höchst komplexes Feld
-

und hier in einem Forum leider nur knapp darstellbar (Ich verzichte hier
auf

Quellen, um den Text nicht vollkommen zu überladen und ermahne,
mal selbst bei Bedarf zu googeln). Nicht umsonst schachern seit Jahren
Experten und Lobbyisten der Parteien um neue Regelungen - dabei ging
und geht es immer um die Interessen der einzelnen Vertreter, also der
Vertreter von:

Private Krankenversicherung
Pharmaindustrie
Tabakindustrie
Kassenärztliche Vereinigung

345 aller auf der Lobbyliste des Deutschen Bundestages stehenden
Verbände sind im Gesundheitswesen tätig. Das sind die vier stärksten
Lobbygruppen, die ihren Einfluss nicht nur bei den Verhandlungen
einbringen, sondern auch via Medien nachdrücklich Meinung machen.

Ganz generell ist es ein Unterschied, ob ich irgendeine Leistung
einkaufe,

z.B. eine Waschmaschine - oder ob ich auf eine Gesundheitsleistung
angewiesen bin. Im Fall eine herben Diagnose kann jeder in die Situation
kommen, dass er nicht mehr überblickt, was geschieht. Er ist dann dem
Gesundheitssystem ausgeliefert. Er ist dann also darauf angewiesen, dass
dieses System in seinem Sinne funktioniert. Die obigen Lobbyisten
haben dieses - zumindest bei ihren Anträgen und Handlungen - oft nicht
primär im Auge.

Die Ärzte sind dem ganzen Spiel leider recht hilflos ausgeliefert: Denn,
dass

der GKV-ler keinen Zugang zu Spezialisten hat, wenn er sie braucht, ist
nicht der Unmoral des Einzelnen geschuldet, sondern ein Fehler im System.


Würde ein Spezialist sich weigern, die trivial erkrankten privat
Versicherten

zu bevorzugen, kämen diese Patienten nicht mehr in seine Klinik. Die
Klinik

will und kann aber auf diese Einkünfte nicht verzichten. daher würde
der

kaufmännische Direktor bald den nötigen Druck aufbauen, um den
Spezialisten zum Einlenken zu bewegen. Die Zweiklassenmedizin macht
eben nicht nur den Chefarzt reich, sondern die ganze Klinik.

Ein genialer Wissenschaftler und Eigenbrötler, der die Patienten nicht
ausreichend hofiert, schmälert das Einkommen seiner Kollegen, weil er
nicht

genug Private in die Klinik bringt und es dann an Überweisungen
innerhalb

der Klinik fehlt. Deshalb wird er einen Lehrstuhl gar nicht erst
bekommen.

Selbst wenn es aber der Beste in diesem System schafft, wird er sich bald


auf Privatpatienten konzentrieren.

Übrigens: Ein Wissenschaftler, der genauso lange - wenn nicht sogar
länger als der Spezialist - geforscht hat, hat keinen Zugang zu
Privatpatienten. Trotzdem führt er seine Forschungen weiter ...

---------------------------------------------------------------------

Mir geht es - wenn Du meine Beiträge liest - wirklich um eine
fundamentale

Systemkritik an der PKV. Es mag Einzelfälle geben, die in ihrem
speziellen

Fall mit dem, was die PKV ihnen anbietet zunächst besser fahren, aber im


Großen und Ganzen sieht es leider ganz anders aus:

*Die PKV priviligiert eine kleine Schicht von Gutverdienenden auf Kosten
der

restlichen Mehrheit* - und das in einem unglaublichen und parasitären
Ausmaß (Stichworte: Doppelte Facharztschiene, Zugang zu Spezialisten,
Spezialisten behandeln lieber Trivialkrankheiten, Ruinierung der
Forschung,

Subventionierung der PKVler). Weil das so krass ist, bin ich hier auch so


vehement (sorry!).

*Es gibt zu viele Ungereimtheiten: * Ausgerechnet die Ärzte, die das
größte

soziale Engagement mitbringen und bewusst in schwierigen Städten oder
Armenvierteln arbeiten. Ärzte, die in den Stadtteilen praktizieren, in
denen

es viele Problempatienten und wenige Privatversicherte gibt, sind in
jeder

Beziehung Verlierer des Systems: Der Facharzt am Starnberger See macht
mit relativ leichten Fällen ein Vermögen, während der engagierte Arzt
in

Neukölln manchmal um seine Existenz kämpft. Er hat schwerere Fälle,
die

sich wegen begleitender sozialer und sprachlicher Probleme nur mit mehr
Aufwand behandeln lassen, erntet oft wenig Dank seiner Patienten,
arbeitet länger und verdient nur die Hälfte. Trotzdem muss er sich von
seinen eigenen Funktionären die Vorteile der Zweiklassenmedizin
anhören,

weil sonst alle Arztpraxen in die Pleite gingen – während es in
Wirklichkeit

darum geht, dass die Kollegen mit vielen Privatpatienten gut verdienen.

Nochmal: *Die Private Krankenversicherung kann politisch nur überleben,


weil die meisten Entscheidungsträger in Deutschland dort versichert
sind* :

Politiker, Professoren, Spitzenbeamte der Regierung, Unternehmer,
Fernsehmacher, Journalisten. Die niedergelassenen Ärzte, die Chefärzte,


die Universitätsprofessoren, zahlreiche Gutachter im Gesundheitswesen
und Sachverständige, die Pharmaindustrie und die Medizinprodukte-
Industrie wollen die Zweiklassenmedizin durch die Private
Krankenversicherung, weil sie höhere Gewinne bringt.

Die Verwerfungen - und die negativen Einflüsse durch die PKV - siehe
oben

- sind so eklatant, dass wir dieses Problem zunächst mal darlegen
sollten.

Ich möchte hier wirklich die Chance nutzen, dass neu über das
Gesundheitssystem nachgedacht - ausgehend von der Basisüberlegung
"wie solidarisch muss die Gesundheitsversorgung sein".


'Privacy schrieb:
> Die Forderung nach einer stärkeren Steuerfinanzierung für die sozial
> zu

> tragenden Gesundheitskosten kann ich unterstützen
>
> Gruß
>
> Privacy


Naja, das könnte zu einer moderaten Verbesserung führen. Ich meine
aber, dass nur durch eine grundsätzliche Reform des Systems -
Abschaffung der PKVen - neue Regeln und Finanzierung für GKVen - eine
echte Verbesserung, Effizienssteigerung und wirkliche solidarische
Finanzierung der Gesundheit erreicht werden kann.

Gruß, Syna.






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