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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Sicherheit und Freiheit

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Sicherheit und Freiheit


Chronologisch Thread 
  • From: Enrico Weigelt <weigelt AT metux.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Sicherheit und Freiheit
  • Date: Fri, 27 Aug 2010 18:46:23 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

* Arnold Schiller <schiller AT babsi.de> schrieb:

> Steht da nicht, magst du nochmal lesen, dass die Abgeltungssteuer
> nur für Privatpersonen gilt, bedeutet umgekehrt, dass die
> Körperschaft voll versteuern muss.

Sie gilt also an dem Punkt, wo die Gewinne aus den Unternehmen
in private Hand gehen. Es stimmt natürlich, daß die ganz
großen Summen garnicht mehr auf private Konten fließen,
sondern in zahlreichen Unternehmen bleiben oder in Striftungen
fließen und von dort aus von deren Besitzern benutzt werden.

> Die Manager sind im übrigen nicht die Avatare für die du sie
> hältst. Sie gehören zu dem Klüngel und schieben sich gegenseitig
> die Posten zu.

Nunja, Exectivproletariat, das letzlich auch bloß unter der
Order der Eigentümer steht (oder gefeuert wird). Freilich
spielen die das Spiel wunderbar mit. Aber das darf nicht zu der
Idee verleiten, daß sich die Verantwortung bei den Managern
erschöpft - man muß schon die Treppe ganz nach oben gehen.

> Selbst Bill Gates ist angesichts dieser Kapitalströme ein klitze
> kleines Licht.

Bei den Umsätzen ja. Wenn man aber an das Ende der Besitzkette
schaut, ist erschon ganz weit oben. Man sollte da auch nicht nur
auf sein Privatvermögen schauen, sondern auch das was er über
einen Firmen- und Stiftungskonglomerate (nicht zuletzt seine
große Eugenikstiftung) schauen.

Es geht denen garnicht um persönlichen Besitz, sondern Macht
und Kontrolle. Weltherrschaft.

> 78 Prozent institutionelle Anleger sind sowohl an der deutschen
> Bank als auch an der Münchner Rück beteiligt. Jeder einzelne
> institutionelle Anleger hat dabei aber keine grössere Bedeutung.
> Anders ausgedrückt, die Konzerne gehören mehr oder weniger sich
> selbst in Überkreuzbeteiligungen,

Klar, ein imenser Teil der Buchvermögen ist natürlich fiktiv
und allein durch undurchschaubare Beteiligungsverhältnisse
erfunden. Hier brauchen wir zweifellos eine massive Entflechtung.

Möglich wäre beispielsweise eine Offenlegungspflicht aller
Beteiligungen für Konzerne bestimmter Größe, zB. ab 1 Mrd.
Gesamtvolumen.

Eventuell noch eine Besteuerung großer Holding-Strukturen
(ja, das muß gut durchdacht sein).


... zurück zur GKV ...

> > Die Steuern und Versicherungsbeiträge werden Arbeitnehmern
> > von ihrem Lohn abgeknöpft.
>
> Der Lohn wird aus dem Gewinn des Unternehmens finanziert, wenn
> der Lohn nicht geringer ist als der Gesamterträge langfristig
> des Unternehmens, dann geht das Unternehmen bankrott.

Nein, eben nicht aus dem Gewinn (wohl aber dem Ertrag). Das sind
genauso Ausgaben wie alle anderen aus. Wenn zwischen Ertrag und
Ausgaben noch etwas übrig bleibt (und nicht in Rücklage geht),
dann hat das Unternehmen Gewinn.

Wenn ich als Unternehmer jemanden einstellen will, dann schaue ich
mir die gesamten Kosten des neuen Arbeitsplatzes, und dort sind
(neben zb Bürokapazitäten oder pro-Kopf-Produktionsmittel)
vorallem auch die "Sozial"-Beiträge dabei. Das nennt sich dann
auch Lohnstückkosten - also was kostet es, diese Person
einzustellen - der ausgehandelte Lohnbetrag ist nur ein Teil davon.

Damit ist "soziale Verantwortung" durch die formale Abgabensplittung
schonmal grober Unfug. Das wäre vielleicht anders, wenn man ganz
Kriterien als die jeweilige Lohnsumme für die Abgabenbemessung
hätte. Bei einem Freelancer/Subunternehmer ist das viel einfacher:
man vereinbart einen bestimmten Tagessatz oder Projektpreis, und
der Sub zieht davon selbst seine Kosten ab.

> Den Arbeitnehmern wird also gar nichts abgeknöpft, sondern der
> Arbeitgeber zahlt einen Lohn für eine Leistung, die sich entweder
> am Markt zu einem Preis verkaufen lässt der über dem Lohn liegt
> oder eben nicht.

Genau das ist der Punkt: die Leistung (die in die Produkte eingeht)
wird teurer verkauft, als sie gekostet hat (Lohnstückkosten).
Nehmen wir noch Finanzierungskosten und Unternehmerlohn (also den
unmittelbaren Lohn den der Unternehmer für seine eigene
Tätigkeit bekommt) raus, dann landet das in der Rendite.
Die Rendite ist der Ertrag aus dem Vermögen selbst (ohne eigene
Arbeitsleistung).

Natürlich ist es schwierig, dafür konkrete Zahlen festzumachen,
aber versuchen wir mal ein kleines Beispiel: Du bekommst einen
Dienstleistungsauftrag, den Du allein nicht schaffts, holst Dir
also einen Sub dazu. Der Sub verlangt von Dir einen Tagessatz X
Du stellst Deinem Kunden einen höheren von X+Y in Rechnung.
Deine Rechnung ist dann also:

Zulieferung => a * X.
Eigenleistung => b * X+Y
VK-Preis => (a+b) * X+Y

Dein Ertrag aus dem Weiterverkauf der Leistung Deines Subs ist
also: a*Y. Du hast also Deine günstigere Marktposition ausgenutzt,
um diese Marge zu erwirtschaften - hätten Dein Kunde und Dein Sub
direkt miteinander in Geschäft treten können, dann hätten sie
diese irgentwie (wenn auch unbewußt) unter sich aufgeteilt.


Das alles sage ich erstmal völlig wertfrei - in den "normalen"
Dimensionen in denen wir uns bewegen, finde ich das alles auch
erstmal garnicht verwerflich. In Rockefeller-Dimensionen sieht
das wieder ganz anders aus.

> Arbeitsplätze gibt es nicht in der Truhe und Arbeitsplätze werden
> auch nicht irgendwie hergezaubert. Du darfst dir jederzeit deinen
> BMW selber bauen und versuchen ihn auf dem Markt zu verkaufen,
> wenn es dir gelingt wirst du halt Konkurrenz zu Quandts.

Im Prinzip ist das möglich, und wird zT. auch getan. Nur gibts
dort allerlei Marktzugangshürden, nicht zuletzt Patente, aber
Kapitalbedarf um die Anlagen erstmal aufzubauen.

> Detroit kann dir auch zeigen, was aus schicken Gebäuden wird, wenn
> keine Käufer mehr da sind. Verlassene Strassenzüge irgendwo im
> Osten von Deutschland kann dir auch zeigen, was Immobilien
> wert sein können.

Da kommen wir zu einem ganz anderen Problem: die massiv rück-
gekoppelten und sich damit selbst aufschaukelnden Marktdynamiken.

Nach der neoliberalen Ideologie dürfte soetwas eigentlich garnicht
geben, denn es sollte sich alles selbst einregeln. Offentsichtlich
stimmt etwas grundsätzlich nicht an der Ideologie.

Marktpreise haben eben erstmal wenig mit reellen Werten zu tun
(sei es der subjektive Gebrauchswert oder der Herstellungspreis),
sondern aus dem Wechselspiel von Angebots- und Nachfrage-Offerten,
nicht aber dem tatsächlichen Bedarf (das muß man erstmal
grundsätzlich trennen).

> Hey, ich habe da gerade einen Grund auf dem 27 Millionen Mark
> Grundschuld eingetragen waren - angeblich war das Grundstück
> das mal Wert. Derzeit würdest du es nicht einmal für 5000 Euro
> verkauft bekommen.

Siehe oben. Warum war es mal (angeblich) 27 Mio wert, und jetzt
nur noch 5k ?

> (Auch ein Grund ein GmbH zu liquidieren, denn irgendwann musst
> du den Buchwert mal angeben und kannst nicht ewig lang fiktive
> Werte in Büchern führen)

Bei Banken ist das offentsichtlich anders ;-o
Ja, sämtliche Großbanken müßten eigentlich liquidiert
werden. Die Buchwerte von 2.5 Biliiarden (!) Derivaten können
schnell auf unter Null zusammenbrechen (und das wird auch passieren,
wenn sie nicht in den Schredder wandern).

> Den Arbeitnehmern wird vom Arbeitgeber gar nichts abgeknöpft
> und ganz ehrlich bin ich mir ganz ganz sicher, wenn die
> Arbeitnehmer das selber zahlen und den Verwaltungskram drum
> herum selber machen samt der dazugehörigen Statistik, dann
> jubelt der Unternehmer und zahlt einfach bar aus - das senkt
> dann sogar noch kosten (darf er ja nicht). Am Arbeitgeber
> liegt es bestimmt nicht.

Du spricht von Eigentümergeführten Unternehmen ? Dort steht
dem (selbst arbeitenden) Unternehmer selbstverständlich auch
der Unternehmerlohn zu, und sicherlich auch eine Risikopräme
dafür daß er wiklich alles verlieren könnte, keine Frage.

Davon spreche ich aber nicht, sondern von Eigentümern, die
allein aus dem Eigentum selbst enorme Profite ziehen, ohne
dafür auch nur einen Finger krumm machen zu müssen. Das ist
was ich leistungslose Einkommen bezeichne. Mit Unternehmertum
hat das alles nichts mehr zu tun.


cu
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