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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Bitte um Hilfe - Konzept für piratisches Gesundheitswesen auf Landesebene in BaWü

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Bitte um Hilfe - Konzept für piratisches Gesundheitswesen auf Landesebene in BaWü


Chronologisch Thread 
  • From: Hannes Vogt <vogt.hannes AT googlemail.com>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Bitte um Hilfe - Konzept für piratisches Gesundheitswesen auf Landesebene in BaWü
  • Date: Sun, 25 Apr 2010 03:23:25 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Guten Morgen,


Ich hab den Bericht gelesen, insbesondere die Teile der ambulanten und stationären Versorgungssituationen, deren Bewertung und den sich daraus ergebenden Handlungsempfehlungen. Der Interministeriellen Arbeitsgruppe würde ich für diesen bericht allenfalls ein "ungenügend" geben. 
Ich weis wann er herausgegeben wurde, aber aktuell ist er nicht. Teile lesen sich, als kämen sie aus dem Jahre 2006 bis 2008. 
Dieser Bericht ist eine Sammlung von Lobbyaussagen, deren völlig kritiklose Hinnahme als Status Quo ohne erkennbare eigene Überprüfung, und dem Nachbeten der Handlungsempfehlungen eben jener Lobbyverbände. Ich sehe bei der Expertenanhörung niemanden, der kein Eigeninteresse an der Gestaltung der Versorgungsstrukturen hat. Keine epidemiologischen Institute, keine Sozialmediziner, keine Versorgungswissenschaftler.
Der Bericht weist den eklatanten Fehler auf, dass nicht mit einer Zeile der zu erwartende Bedarf an Inanspruchnahmen medizinischer Leistungen durch Hochrechnungen und Studien hinterfragt wird. Tatsächlich steigt die Zahl altersbedingter Erkrankungen nun einmal mit dem fortschreitenden demographischen Wandels, so dass selbst bei einer sinkenden Bevölkerungszahl mehr Ärzte nötig sein werden, als es jetzt gibt, um den jetzigen Versorgungsgrad aufrecht zu erhalten. Zukunftsmodelle für die westlichen Bundesländer sind die Ostländer, in denen der demographische Wandel schon weiter vorangeschritten ist. Mecklenburg Vorpommern oder Brandenburg wären als Flächenländer ein Blick in die Versorgungsprobleme BaWüs in 12-15 Jahren.

Ich empfehle anstatt das Papier in den vielen Einzelfragen zu zerpflücken, es zumindest nach außen hin als lobbygetriebene schlampige Arbeit der Interministeriellen Arbeitsgruppe zurückzuweisen. Die Regierung hat damit bewiesen, dass sie die Verantwortung für die Bedarfsplanung und damit für die Versorgung der Bevölkerung auf die Interessenverbände anschiebt, diese nicht lenkt, sondern bestenfalls kommentiert aber nicht mit dem gebotenen kritischen Blick auf das Patientenwohl. Alle Kostenverantwortungen werden nach oben auf Bundesentscheidungen oder nach unten auf die Kommunen abgewälzt. Der aufgezeigte Versorgungsmangel der psychotherapeutischen ambulanten und stationären Versorgung schlägt sich hingegen nicht in den Empfehlungen der Arbeitsgruppe nieder.

Intern können wir natürlich so ein Papier nutzen, um die Piratenlinie in Einzelfragen der Gesundheitspolitik zu finden. Daher hab ich mir den Spaß erlaubt, auch Kommentare zu verfassen, wie gesagt nicht zu den Themen Notfallversorgung und Apotheken, da mir dort zu viele Grundlagen fehlen.

Seite 7
Expertenanhörung- Expertenliste
Nur Interessenverbände, keine Epidemiologen, keine Versorgungsforscher. Jeder der Experten verdient irgendwie Geld mit Gesundheit, keiner hat den Anspruch objektiv zu sein.

Seite 9 Abs 2
90% der Planungsbereiche sind laut Definition überversorgt aber nur 62% für neue Ärzte gesperrt. Das heisst in 30% der Planungsbereiche können laut diesen Zahlen trotz definierter Überversorgung neue Ärzte zugelassen werden? Sieht für mich so aus als ob die Planungskontrolle der KV nicht ganz funktioniert.

Seite 9 
Wieso kommen die Daten zur Demographie der Ärzte von der AOK und nicht der KVen? Zweitere wissen ganz genau wie die Ärztestuktur aussieht.

Seite 10 Abs 2
Falsch. Das würde voraussetzen, dass die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren konstant bleiben. Alleine aber die Alterung der Bevölkerung lässt eine Inanspruchnahme steigen (ausser bei zB Gynäkologen oder Kinderärzten.)

Seite 11
KVen kümmern sich 0 um Bedarfsplanung, für sie zählt „fehlende Wirtschaftlichkeit“.

Seite 12
"Klartext: Es schaut kein Arzt mehr nach dem Patient, sondern ein HiWi..."
Delegation heißt nicht HiWi. Es heißt, wenn ein Arzt 30 km fahren müsste um einen Patienten Blut abzunehmen, weil dieser bettlägrig ist, dass dies (wie in der Praxis auch) eine Krankenschwester für ihn macht, denn bis vor kurzem, durfte sie, was sie in der Praxis für den Arzt macht, ausserhalb der Praxis für den Arzt nicht machen. Delegation ist finde ich im jetzigen Rahmen (Keine Befundung, keine Behandlungsentscheidung, nur Ausführen ärztlicher und pflegerischer Tätigkeit) eine gutes ergänzendes Versorgungskonzept, dass in Studien (siehe AGnES) bewiesen hat, dass es die Behandlungssituation vor allem aber die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten verbessert bei gleichzeitiger Kosteneffizienz für Kassen.

Seite 14 
Also alle die schon in der Fläche sind sind sagen: “hier besteht keine Unterversorgung, kein Grund für die Politik, die Region für Konkurenten attraktiver zu machen“ es fehlt eine Aussage von Leuten ohne Eigeninteresse an der Bedarfsplanung, denen man es abnehmen kann für Patienten zu sprechen und nicht für eine Akteurslobby.

Seite 15
Die Überlegung des Landarzttaxis ist gut, aber wie viel % der Hausbesuche fallen dadurch weg? Ich meine die überwiegende Zahl der Hausbesuche sind welche zu völlig immobilen Patienten, die auch ein Taxi kaum nutzen koennten oder eben Notfallbesuche. So oder so muss der Arzt zum Patienten und nicht umgekehrt. Hier fehlt der Studienbezug völlig!

Seite 16 punkt 3
Die Verantwortung wird ganz auf die KV abgeschoben. Ich finde auch, dass hier mehr mögliche Einflußnahme nötig sein muss. 

Seite 17 
„wird sich der zur Niederlassung entschlossene Arzt primär von der wirt-schaftlichen Perspektive einer derartigen Landarztpraxis leiten lassen“ beschreibt das Problem. Solange der Arzt zuerst selbsttändiger Kaufmann und danach Heilerberufler ist, wird es zum Problem. Als Lösungsansatz fällt mir spontan nur eine generelle Entlohnung der Ärzte für die Aufrechterhaltung der Grundversorgung an.

Seite 19
Grade bei Krankenhäusern gibt es den Effekt der angebotsinduzierten Nachfrage. Das wird hier gar nicht mit betrachtet. Ausserdem: Fallzahlen steigen – Pflegetage sinken. DRG-Reform wirkt noch mehr in diese Richtung und sorgt für schnellere Entlassung aus dem Krankenhaus mit der Gefahr der „blutigen Entlassung“ und dem Vorteil der Vermeidung kostentreibender Überbehandlung. Auch hier fehlt wieder völlig der erkennbare Einsatz von Regierungsseite für ein Mindestmaß an Qualität zu sorgen. Sie verlassen sich darauf, dass Fallzusammenlegungen bei Wideraufnahmen den qualitätssichernden Effekt im DRG-System bewahren. 

Seite 21 Abs 2
Völlig falsche Schlussfolgerung. Patientendemographie und vor allem der qualitativ abnehmende Entlassungszustand der Patienten finden keine Beachtung. Nur Wirtschaftlichkeit zählt. Und die Politik sieht das als gegeben an und erkennt dort keinen potentiellen Schaden am Patienten.

Seite 22 Abs 1 
klingt wie reinkopiert aus dem Jahre 2007 oder 2008. Es wird hier etwas als Prognose verkauft, was längst schon gemessen hätte werden müssen.

Seite 25
MVZ- Wie stehen die Piraten dazu? Gehen die konform damit dass eine Facharztkonzentration unter einem Dach Sinn macht oder nicht? Meiner Meinung nach ersetzen sie keine Kliniken. Ich sehe die Verlagerung von stationären Leistungen nach ambulant nicht unter genug Qualitätskontrolle im Blick auf die, für den Patienten am besten wirkende Behandlung.
Abs 2 
Telemedizin hier im Sinne von Arzt-Arzt Kommunikation / Teleradiologie/ Konsilarmeinungen zu verstehen. 
Da ich kein telemedizinprojekt kenne, dass nicht penibelst vom Landesdatenschützer geprüft und genehmigt wurde, überwiegen für mich die Vorteile einer vernetzen Information die möglichen Angriffspunkte. Was aber bei Telemedizin zu kurz kommt, ist die aktive Freigabe dieser Dienste zur Behandlung durch den Patienten. Hier muss nachgebessert werden.

Seite 28 
Nicht der Bettenbedarf, sondern das Bettenangebot wird sinken. Der „Bedarf“ der hier genannt wird ist der tatsächliche Behandlungsbedarf aller Patienten minus dem durch Kosteninstrumente wie DRGs auferlegte Kostendruck. Ein Patient mit seinem Fall ist Ertrag, Eine Behandlung hingegen ist Kostenfaktor. Es ist ziel der Krankenhäuser mehr Patientenfälle bei weniger Behandlung zu haben. Diese kritische Sichtweise und Bewertung fehlt seitens der Regierung völlig.

Seite 29
Wirtschaftlichkeit heisst nicht Kostendeckung oder Gewinn einfahren. Wirtschaftlich betrachtet sind Krankenhaeuser, die nicht wachsen, obwohl sie konstant Gewinne machen unwirtschaftlich. Alleine deshalb ist Regulierung durch Wirtschaftlichkeitsauslese im Gesundheitssystem obsolet.

Seite 65
Die bauen solange an einem Papier, nur um festzustellen, dass es für alles schon Regelmechanismen gibt, die auch sicherstellen und sicherstellen werden, dass es keine Unterversorgung gibt. Ich hätte angenommen ein Gesundheitsministerium hätte eine eigene Abteilung, genau um dies zu monitoren und muss nicht extra eine Arbeitsgruppe einsetzen. 

Seite 67
Sowohl ambulant, als auch stationär warnten vor allem Psychotherapeuthen vor bereits existierender Unterversorgung und keine Konsequenz davon steht in den Handlungsempfehlungen? Aber auf Platz 2 steht der Einsatz von Telemedizin! Danke auch


Hannes




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