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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Heutiges Geld ist Schuldgeld

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Re: [AG-GOuFP] Heutiges Geld ist Schuldgeld


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Heutiges Geld ist Schuldgeld
  • Date: Wed, 10 May 2017 11:17:17 +0000

Hallo Peter,

nur zwei kurze Anmerkungen:

In einem Währungsraum gibt es drei Arten von Finanzakteuren: die Zentralbank (ZB), die Geschäftsbanken (GB) und die Nichtbanken (NB). Angenommen, jeder dieser Akteure hat zum gleichen Zeitpunkt eine Bilanz erstellt. Dann ist alles Geld dieses Währungsraumes sowohl in einem Posten auf der Passivseite einer Bilanz als auch in einem Posten auf der Aktivseite einer dieser Bilanzen enthalten.

Ja, unter der Voraussetzung, daß wir in einem reinen Kreditzahlungsmittelsystem leben, in dem ausschließlich Forderungen als Zahlungsmittel fungieren. Es gibt auch heute als historisches Relikt noch eine Ausnahme, nämlich Scheidemünzen. Diese werden auch von Zentralbanken auf der Aktivseite geführt, nicht auf der Passivseite, und sie haben keine Gebenbuchung auf der Passivseite irgendeines Wirtschaftssubjekts. Sie sind "Warenzahlungsmittel", d.h. an ihnen bestehen Eigentumsrechte. Sie repräsentieren keine Forderungen (aber auch letzteres gab es historisch). Bis zum Ende des Goldstards war das letztendliche Zahlungsmitteln auf internationaler Ebene, in denen die Netto-Forderungen der Länder untereinander erfüllt werden mußten, Gold, d.h. ein Warenzahlungsmittel.

In auf Vertragsrecht beruhenden Systemen, die Warenzahlungsmittel nutzen, gibt es immer auch die Möglichkeit, Erfüllungen von Forderungen auf Geld in Warengeld durch 2 Formen der Erfüllung ("erfüllungshalber" oder "an Erfüllungs statt") zu substituieren. Die eine Möglichkeit besteht darin, daß der Schuldner dem Gläubiger eine Forderung gegen einen Dritten abtritt (§ 398 BGB: Abtretung). Es wird dann für die Zahlung kein Warenzahlungsmittel benötigt. Das ist das Grundmodell jeder "Kreditgeldzahlung". Für den Zahler eine Bilanzverkürzung, für den Bezahlten ein Aktivtausch, wie bei einer Erfüllung in Warengeld auch.

Die zweite Möglichkeit besteht in der gegenseitigen Aufrechnung wechselseitiger Forderungen. B schuldet A 1000 Euro. Wenn B jetzt bei A für 1000 Euro Waren kauft, entsteht eine Forderung des B gegen den A in Höhe des Kaufpreises 1000 Euro. Der B dann nun seine Forderung dem A gegenüber mit seiner Verbindlichkeit dem A gegenüber aufrechnen. Damit werden beide Forderungen erfüllt und damit vernichtet. Diese Zahlung stellt sich für BEIDE als Bilanzverkürzung dar.

Diese letzte Möglichkeit wird gern übersehen, und sie schafft viel Verwirrung. Denn haben die beiden mit ihrer jeweiligen Verschuldung beim Gegenüber "Geld geschöpft"? (kleine Frage an Dich)

Beispiel:
Das Bankguthaben einer NB steht sowohl auf der Aktivseite ihrer Bilanz als Forderung gegenüber der GB als auch auf der Passivseite der GB-Bilanz als Verbindlichkeit gegenüber der NB. Und das Bargeld einer NB ist ein Posten sowohl auf der Aktivseite ihrer Bilanz als auch auf der Passivseite der ZB-Bilanz.

Das Guthaben einer GB bei der ZB erscheint ebenfalls zum einen auf der Aktivseite der GB-Bilanz und zum anderen auf der Passivseite der ZB-Bilanz als Verbindlichkeit gegenüber der GB, ebenso ist es mit dem Bargeld der GB.

Daher ist ja auch die Summe aller Geldschulden gleich der Summe aller Geldvermögen (Saldenmechanik).

Saldenmechanik ist das auf dieser Ebene noch nicht, nur eine Grundlage dafür, da ja noch gar keine Salden im Spiel sind.

Saldenmechanik spielt sich auf der Ebene des Nettogeldvermögens ab: des Saldos aus Forderungen und Verbindlichkeiten innerhalb einer Bilanz. Veränderungen dieses Saldos heißen "Einnahmen/Ausgaben". Veränderungen des Zahlungsmittelbestands heißen "Einzahlungen/Auszahlungen".

Siehe dazu Stützel: Volkswirtsch. Saldenmechanik, Kap. 2:

https://www.dropbox.com/s/if7bezdn83e17a2/St%C3%BCtzel%20-%20Volkswirtschaftliche%20Saldenmechanik%20Kap.%202.pdf?dl=0

Erläuternd zur Unterscheidung EInzahlungen/Auszahlungen und Einnahmen/Ausgaben (die Dir auch klarheit in die Frage bringen wird, ob die Banken nun mit selbstgemachtem Geld "bezahlen" oder nicht), siehe im Standard-BWL-Lehrbuch von G. Wöhe:

https://www.dropbox.com/s/kv86spq3kz3605a/W%C3%B6he%20-%20Grundbegriffe%20d.%20Rechnungswesens.pdf?dl=0

Viele geldtheoretische Streitigkeiten sind überflüssig und entstehen nur, weil den Diskutanten die rechtliche und buchhalterische Präzision fehlt, die für Kaufleute seit dem 12. Jahrhundert selbstverständlich ist.

Das liegt daran, daß der größte Teil der Bevölkerung nicht selbständig (kaufmännisch) tätig, sondern abhängig beschäftigt ist und nicht bilanzieren muß.

Gruß
Wolfgang



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