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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: Martin Finger <kontakt AT martinfinger.de>
  • Cc: dr_k_kraemer AT t-online.de, "ag-geldordnung-und-finanzpolitik@lists piratenpartei. de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, Hajo Köhn Neue Geldordnung <hajo.koehn AT neuegeldordnung.de>, Dag Schulze <schulze AT mobikon.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Vortrag "Was ist Geld?" am 1.2.2016
  • Date: Sun, 10 Jan 2016 01:04:30 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Martin,
danke für deine Anmerkungen und Einwände. Da ich mir sicher bin, dass dein Beitrag auch für Andere interessant ist, habe ich noch andere und die Mailingliste der AG Geldordnung ins CC. gesetzt.


Am 09.01.2016 um 09:07 schrieb Martin Finger <kontakt AT martinfinger.de>:

Hallo Arne,

ich werde auch bei der Vorbesprechung mit dabei sein. Anbei ein paar Fragen und Überlegungen welche ich beim Durchlesen Deiner Präsentation hatte. Du musst mir diese nicht schriftlich beantworten, es ist in Ordnung wenn wir am 01.02.2016 darüber im Detail sprechen. Wenn meine Ausführungen irgendwo unverständlich sein sollten, können wir dass gerne vorher noch per Mail klären.

Zum Aspekt der Verbindung von Recht, Geld und Handel
Grundsätzlich schließt Du aus, dass Geld/Handel auch in einer Gesellschaft existiert, welche keine Rechtsordnung wie z. B. die Judikative innerhalb unseres Staates hat?

Keine Rechtsordnung wäre zu weit gegriffen. Entscheidend für meine Argumentation ist, ob es ein Eigentumsrecht und ein Schuldrecht gibt.(Siehe Folie 9)

Beispielsweise gibt es in einer Gesellschaft ohne Eigentum keine Vorstellung von Dein und Mein, alle Sachen sind einfach da und werden genutzt oder auch nicht. Innerhalb einer solchen Gesellschaft oder zwischen solchen Gesellschaften kann es kein Handel geben, denn es kann nichts getauscht werden, was den Tauschpartnern nicht bereits „gehört“ bzw. das Rechtsverhältnis zwischen den Tauschpartnern und den Sachen ändern würde.

Entsprechend ist Deine funktionale Theorie selbstreferenziell, da Geld nur in einer Gesellschaft mit Rechtsordnung möglich ist.

Der letzte Satz auf der Folie 8 ist wichtig: Jede andere Argumentation führt zu einem unüberbrückbaren Widerspruch. Der Widerspruchsbeweis erfolgt auf Folie 9-12.


Ein Zahlungsmittel in einer Gesellschaft ohne Rechtsordnung wäre für Dich kein Geld.

Ich glaube hier liegt ein Missverständnis hinsichtlich dessen vor, was eine Rechtsordnung ist. Eine Rechtsordnung besteht auch dann, wenn sie nicht so institutionalisiert ist wie unsere Rechtsordnung. Siehe Folie 28. Hier wird eine Rechtsordnung als ein System von Verhaltensregeln und Verhaltensdurchsetzung definiert. 

Meinst Du in Çatal Hüyük (https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%87atalh%C3%B6y%C3%BCk) hat es Handel gegeben?

Ich kenne Catal Hüyük nicht. Aber nach dem was ich in der angegebenen Referenz gelesen habe, würde ich mich wundern, wenn es dort keinen Handel gegeben hätte. - Aber ich halte es für genauso wahrscheinlich, dass es zwischen diesen sehr autonomen Familien Regeln gab, dass man z.B. nicht einfach das Haus seines Nachbarn besetzen durfte oder dessen Vorräte wegnehmen. - Und genau das ist bereits eine Rechtsordnung, die sogar Gemeinschaftseigentum der Familien kennt. 

Gäbe es diese Rechtsordnung nicht, dann wäre die Wegnahme der Sachen keine Rechtsverletzung und innerhalb einer Gesellschaft oder zwischen Gesellschaften, in der die Menschen sich einfach Sachen nach belieben nehmen können fehlt die Voraussetzung für Handel. Warum sollte der eine mit dem anderen etwas Tauschen, wenn sich jeder die Sachen direkt nehmen kann.


Das Konzept des Rechtes ist eine relativ junge Entwicklung und Eigentumsrechte insbesondere für Grund und Boden wurden erst später ergänzt. Interessant ist hierzu sicher die Historie angefangen vom Codex Hammurapi (https://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Hammurapi) bis zum Code Zivil von Napoléon (https://de.wikipedia.org/wiki/Code_civil).

Ich glaube, dass das Konzept des Rechts so alt ist wie die Menschheit selbst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend eine Gesellschaft überhaupt überleben konnte, ohne Regeln und irgend einer Form von Sanktionen bei einem Regelverstoß.

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine schriftliche Fixierung der Rechtsordnung erst entstehen konnte, nachdem die Menschen Lesen und Schreiben gelernt haben. - Das heißt aber nicht, dass es nicht auch vor der schriftlichen Fixierung Regeln und Regeldurchsetzung und damit eine Rechtsordnung gab. Gerade Beispiele wie der Codex Hammurapi oder die 10 Gebote zeigen, dass der schriftlichen Fixierung der Regel in einer Gemeinschaft eine hohe Priorität beigemessen wurde. Und ich glaube nicht, dass man zuerst die Schrift erfunden hat und dann auf die Idee kam, Regeln aufzustellen, damit man was zum Schreiben hat. :-)

Ich bin sicher, dass schon vor dem Eigentumsbegriff Handel stattgefunden hat und das Konzept Besitz dafür ausreichend gewesen ist.

Ich denke, dass die Idee des Eigentums sogar weit in unser tierisches Erbe reicht und bereits dort vielfältige Ansatzpunkte hatte sich zu entwickeln. In einer Welt mit begrenzten Ressourcen ist das Überleben ein Kampf zwischen „Dein“ und „Mein“.  Oder im sozialen Bereich, wenn tierische oder menschliche Eltern „ihre“ Kinder aufziehen und beschützen.

Wenn du dir sicher bist, dass das Konzept des Besitzes für den Handel ausreicht, dann würde mich deine Argumentation sehr interessieren.

Die Begriffe Besitz und Eigentum werden umgangssprachlich zwar gerne durcheinander geworfen, aber der Unterschied ist wichtig, entscheidend und muss von Anfang an da gewesen sein, auch wenn die Unterscheidung eventuell erst später bewußt gemacht wurde.

Was nützt es einem Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache zu haben, wenn der Eigentümer jederzeit die Herausgabe der Sache verlangen kann. - Und er dieses Verlangen gegebenenfalls mit der Macht des Staates durchsetzen kann.
 

Rechtssicherheit verlagert die Kosten welche ein Händler hat, um sich und seine Waren zu schützen, letztlich von der persönlichen Ebene auf die gesellschaftliche Ebene. Statt privatem Wachschutz den nur der Vermögende tragen muss, muss die Polizei von der Gesellschaft getragen werden. Unabhängig vom persönlichen Vorteil des Einzelnen.

Bitcoin
Ich weiß nicht in welchem Detail Du Dich mit Bitcoin beschäftigt hast. Aus meiner Sicht sehe ich die Verwendung des Urheberrecht hier nicht ganz passend.
Solange der Minig Prozess noch läuft, also die eigentliche Schöpfung von Geldeinheiten stattfindet, entspricht der Ablauf der Zuteilung aus meiner Sicht eher einem Bingo Spiel. Wenn mehrere Gleichzeitig die Lösung für die aktuelle Rechenaufgabe gefunden haben, entscheidet das Los bzw. der Zufall darüber wer die neuen Geldeinheiten bekommt. Letztlich kann man es als einen Vertrag sehen. Ich bringe mit meinem Rechner Rechenkapazität ein und wenn mein Ergebnis verwendet wird, werde ich dafür einmalig entlohnt. Ich habe aber keine weitere Einflussmöglichkeit auf die Blockchain. Vielleicht ließe es sich eher noch als Eigentumsrecht titulieren wenn ich einen Hash an die Blockchain "verkaufe“.

Das „Herrschaftsrecht“ an einem Gut, das nicht materiell oder energetisch ist, nennt sich nach meinem Wissen Urheberrecht. Aber ich lasse mich gerne eines besseren durch entsprechende Stellen im Gesetz überzeugen.

Das Problem ist, es gibt keinen Handelspartner zwischen denen dieses Recht übertragen wird. Nach der Abgabe des berechneten Hashwertes wird dieser zur Allmende.

Wertgleichung
Es ist etwas missverständlich, wenn Du sagst, dass bei konstanter Geldmenge

Nicht konstanter Geldmenge, sondern konstanter Infaltions- oder Deflationsrate.

der Exponent über e gleich t=t1-t0 ist. Zuerst habe ich beiden Zeitwerte direkt voneinander abgezogen, da ich eine konstante Geldmenge unterstelle und damit alle Preisänderungen außerhalb der Geldsphäre liegen. Eigentlich müsste der Exponent wenn i(t) konstant ist doch immer gleich Null sein. Also Tauschwert und Nominalwert bleiben im Verhältnis von 1:1.

Gibt es eigentlich einen Grund warum Du die eulersche Zahl verwendest


und nicht PI oder irgend eine andere beliebige positive Zahl? Weil aufgrund der Exponentialfunktion ist das Ergebnis für den Exponenten 0
und unendlich letztlich für alle Rechnungen gleich.

Nein. e^0 = 1, d.h. Nominalwert = Tauschwert. Die Entwicklung der Funktion wird auf Folie 35 dargestellt. (Präsentation neu herunterladen.)

Nur die Steigung der Kurve verändert sich.

Meine Wertfunktion
Wenn ich Deinen Ansatz analog auf meine Überlegungen zum Geld übertrage, ist meine Wertfunktion eine Summe aller subjektiven Wertfunktionen aller Geldkreisteilnehmer. Die subjektive Wertfunktion entspricht dem Aufwand welchen ich habe, um eine Geldeinheit zu erhalten. In der Zuge wäre der Wert der monatlich 1.000 Credere nahezu Null bzw. würde dem Wert der 10 Euro entsprechen. Nur wenn es Menschen gibt, welche mehr als die 1.000 Credere haben wollen und deswegen eine Leistung erbringen, bekommen die direkt ausgegeben Geldeinheit ebenfalls einen Wert. Für mich basiert die Wertfunktion des Geldes vor allem auf der investierten Lebenszeit. Da Kapitaleinkünfte keine Investition von Lebenszeit (mehr) erfordern, sind diese letztlich ebenfalls wertlos. Aus dieser Perspektive wäre die Erklärung, warum unser Geld immer mehr an Wert verliert, weil die nullwertigen Geldeinheiten (Kapitaleinkünfte) einen immer größeren Anteil ausmachen und damit den Durchschnittswert einer Geldeinheit vermindern.

Das habe ich nicht verstanden. Diesen Punkt sollten wir direkt diskutieren.

Nicht bewertbare Rechte
Ich bin mir nicht sicher ob es wirklich ein Recht geben kann, welches keine Bewertung erfährt. Wie viel ein Wahlrecht wert sein kann, sieht man vor allem wenn Bestechung ins Spiel kommt z. B. die Funktionäre bei der FIFA.

Der Begriff „Nicht bewertbare Rechte“ wird im Sinne und Rahmen einer jeweiligen Rechtsordnung verstanden. Man könnte auch sagen, ein Recht, das im Rahmen der Rechtsordnung nicht veräußert werden darf oder kann. Dass natürlich illegal solchen Rechte gehandelt werden und dadurch einen Preis haben ist unstreitig. 

Bei allgemeinen Wahlen fließen diese Bestechungen nicht direkt sondern zunächst in Form von Versprechungen wie Steuersenkungen oder Subventionen und werden vielleicht später nicht eingelöst. Aber aus meiner Sicht erhält auch das Wahlrecht somit einen Preis, wenn auch in abstrakterer Form. Ebenso wie Parteien über Spenden aus ihrem Recht gewählt werden zu können Kapital schlagen.

Bei Deiner Folie 17 ist mir noch ein Fehler aufgefallen in der Überschrift steht Taufverhältnisse und ich nehme an es sollen Tauschverhältnisse sein.

Ich bin auf jeden Fall gespannt auf das Gespräch am 01.02.2016. Über die Details ob und wie Geldschöpfung in öffentlicher Hand oder privater erfolgen soll, darf oder kann gibt es viele Sichtweisen. Aus meiner Sicht, sind diese vor allem von den eigenen Überzeugungen und Werten bestimmt, sowie denjenigen welche man den Beteiligten unterstellt. Daher ist es spannender statt über das Wie? der Infrastruktur eher über das Warum? eines Ansatzes zu sprechen. Hast Du das Projekt Cooperative Currency Infrastructure auf Github wieder eingestellt? In der EPMS Seite ist dieses noch verlinkt.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Finger

Blog: crederechannel.blogspot.de
Mail: kontakt AT martinfinger.de
Mobil: +49 177 56 28 684
Video: www.youtube.com/user/CredereChannel/videos
Web: www.martinfinger.de

Das sind die Weisen,
die durch den Irrtum zur Wahrheit reisen;
Die beim Irrtum verharren,
das sind die Narren.
    Friedrich Rückert
Am 08.01.2016 um 18:47 schrieb Arne Pfeilsticker:
Hallo Martin,
unter folgendem Link https://www.hidrive.strato.com/lnk/OTAkvW7K kannst du dir die Präsentation zu meinem Vortrag am 1.2.2016 herunterladen.

Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge jedweder Art sind sehr willkommen.

Eine etwas Ausführlichere Darstellung meiner materiellen Geldtheorie findest du hier:

Meinen Vorschlag einer Währungsinfrastruktur in öffentlicher Hand findest du hier: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/GFO_2.0/EPMS 
Kommst du am 1.2.2016 auch zur Vorbesprechung um 15:00 Uhr? Hier könnten wir in der Runde in die Details gehen.

Viele Grüße
Arne





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