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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vielen Dnak für die super Diskussion

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vielen Dnak für die super Diskussion


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vielen Dnak für die super Diskussion
  • Date: Sat, 31 Oct 2015 22:03:47 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi zusammen,

Eckhard Rülke hat mir zu dem Lenin-Zitat über die Aufhebung von Privatrecht im Sozialismus (s.u.) etwas zu seiner Erfahrung aus der DDR geschrieben. In der DDR GAB es nämlich Privatrecht, wenn auch nur für den privaten Konsum und nicht für den Produktionssektor.

Ich stelle das mit seiner Genehmigung auch hier rein, falls es jemanden von Euch interessiert.

Es geht um folgendes:

Natürlich haben die Bolschewiki sich nur am öffentlichen Recht (Staat, Grundprinzip: Unterordnung, Befehl) orientiert und das Privatrecht (Eigentum, Vertrag, Markt, Grundprinzip: Gleichheit, Konsens) fast komplett beseitigt.

*"Wir erkennen nichts Privates an, für uns ist alles auf dem Gebiet der Wirtschaft öffentlich-rechtlich und nicht privat". (Lenin) *

Quelle: Rolf Knieper (Hrsg.): /Grundlagen der Zivilrechtsordnung in den Staaten des Kaukasus und Zentralasiens in Theorie und Praxis. Materialien zu einer Konferenz an der Universität Bremen vom 29. und 30. März 2007./Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag 2008

https://books.google.de/books?id=jIMeFnejDr4C&lpg=PA45&dq=Privatrecht%20knieper&hl=de&pg=PA45#v=onepage&q=Privatrecht%20knieper&f=false

Abschaffung des Privateigentums eben, und der Vertragsfreiheit. Das war der Plan des Sozialismus: bewußt geplante und koordinierte Arbeitsteilung nicht nur innerhalb jedes Einzelbetriebs, sondern für die gesamte Gesellschaft sollte zu besseren Ergebnissen führen als die "Anarchie des Marktes", in dem Einzelbetriebe ohne Gesamtplan einfach drauflos produzieren und ihr Zeug auf den Markt werfen, wo sich dann - so Marx - erst hinterher rausstellt, ob "zuviel" oder "zuwenig" für den gesellschaftlichen Bedarf produziert wurde.

Daß damit auch Privatautonomie und Privatsphäre aufgehoben wurden, zugunsten eines allgegenwärtigen Schnüffelstaats, dürfte auch klar sein.

Eckhard schrieb mir dazu:

das Ganze beruht auf einem - vermutlich absichtlichen - rethorischen Missverständnis: Immer wenn Sozialisten/Kommunisten von der Abschaffung des Privateigentums sprechen, ist das eine übliche Verkürzung für die Formulierung "Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln". Also Maschinen und Anlage nebst Werksgebäuden usw, wo man dann angestellte Arbeiter für sich werkeln lassen könnte. Auch in dem Lenin-Zitat steht ja "... alles auf dem Gebiet der Wirtschaft ...".

Im Klartext: Natürlich gab es im Sozialismus persönliches privates Eigentum. Wohnungseinrichtung, Kleidung, Auto usw. waren privat. Auch bauliche Einrichtungen wie Eigenheime, Garagen, Gartenlauben - in Rußland die berühmten Datschen konnten privates Eigentum sein. In der DDR gab es traditionell auch privates Eigentum an Grund und Boden. In Rußland dagegen wohl nicht - nur Nutzungsrecht.
Und es gab natürlich auch eine Privatsphäre: Auch wenn die gemietete Wohnung dem Vater Staat gehörte, musste sich sein Vertreter anmelden und einen Grund nennen, wenn er da was besichtigen wollte. Genauso die Polizei. Sicherlich gab's da Übergriffe, aber die gibt's ja jetzt wohl auch noch.
Und das mit dem Schnüffelstaat ist zwar wohl richtig, aber heutzutage nun wirklich keine Sozialismus-Besonderheit mehr.

Also, ich bin froh, dass dieser Sozialismus überwunden ist, aber Lügen muss man deshalb nicht verbreiten. Wäre sicherlich zweckmäßiger, sich um heutige Missstände zu kümmern.

gruß, Egge

Meine Antwort war:

Gesendet: Samstag, 24. Oktober 2015 um 19:52 Uhr
Von: Moneymind <moneymind[at]gmx.de>
An: "Eckhard Rülke" <ERuelke[at]gmx.de>
Betreff: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Vielen Dnak für die super Diskussion

Hi Eckhard,

Am 23.10.2015 um 16:54 schrieb "Eckhard Rülke":

/das Ganze beruht auf einem - vermutlich absichtlichen - rethorischen Missverständnis: Immer wenn Sozialisten/Kommunisten von der Abschaffung des Privateigentums sprechen, ist das eine übliche Verkürzung für die Formulierung "Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln". Also Maschinen und Anlage nebst Werksgebäuden usw, wo man dann angestellte Arbeiter für sich werkeln lassen könnte. Auch in dem Lenin-Zitat steht ja "... alles auf dem Gebiet der Wirtschaft ...".
/
/Im Klartext: Natürlich gab es im Sozialismus persönliches privates Eigentum. Wohnungseinrichtung, Kleidung, Auto usw. waren privat. Auch bauliche Einrichtungen wie Eigenheime, Garagen, Gartenlauben - in Rußland die berühmten Datschen konnten privates Eigentum sein. In der DDR gab es traditionell auch privates Eigentum an Grund und Boden. /

Ja. Auf dem Gebiet der DDR galt ja von 1900 bis 1945 (Dt. Reich) das BGB, das dann offiziell beibehalten wurde, bis - erst 1975 - das neue Zivilgesetzbuch (ZGB) fertig war und in Kraft trat. Das Vertragsrecht der BETRIEBE war ausgegliedert ins sog. Wirtschaftsrecht (wo natürlich die Vertragsfreiheit beseitigt war). Aber Du hast Recht, für die "Privat-Bürger" (Konsumenten) im Verhältnis untereinander und zu den Betrieben GAB es in der DDR ein Vertragsrecht, nur für die Betriebe war es aufgehoben (wie Du sagst: kein privates Produktionsmitteleigentum und keine Vertragsfreiheit zwischen den Betrieben, sondern zentraler Plan aus der Parteizentrale).

--> Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Dort auf S. 531ff.: DDR: Zivilrecht.

Aber wie genau sah es mit dem privaten Eigentum aus? Konnte all das als Kreditsicherheit für Kreditaufnahme genutzt werden - und war dann auch qua allgemeiner Vermögenshaftung bei Zahlungsunfähigkeit verlierbar? Gab es dabei ein Verlust-/Bankrottrisiko? Haben die Privaten darüber Bilanzen geführt? Konnten sie auf dieser Basis selber Firmen gründen?

Wenn NICHT, war das, was Du "Eigentum" nennst, de facto kein immaterielles Vermögensrecht "Eigentum", sondern ein bloßes materielles Besitzrecht.

Siehe genauer:
http://www.academia.edu/5900626/Theil_Eigentum_und_Verpflichtung_PDF

Ich könnte mir vorstellen, daß es in der DDR sogar kleine private Handwerkerbetriebe geben konnte, die wahrscheinlich aber nicht nur in DDR-Mark, sondern wenn möglich in Westmark oder aber auch mithilfe von Gütertausch (bilateral oder multilateraler Ringtausch) funktionierten. Stimmt das in etwa? Eigentlich müßte man (bzw. müßte ich) mir die DDR- und Sowjetwirtschaft mal viel genauer angucken.

Wie Du sagst, waren ja die Produktionsmittel "sozialisiert", die Vertragsfreiheit zwischen den Betrieben durch einen zentralen Plan ersetzt. Es war keine "geldwirtschaftliche Produktion". Aber normalerweise entsteht ein großer Teil des Geldes ja, indem Banken Kredite an Unternehmen vergeben - auch das gab es im Sozialismus so nicht. Also frage ich mich (da es ja Banken und Geld gab): wie haben die Banken das eigentlich "geschöpft" und wie haben sie dabei gebucht? Haben die nur Forderungen gegen den Staat monetisiert? Waren die einklagbar, wie bei BRD-Staatstiteln? Vermutlich nicht. Und so weiter ... also, das finde ich sind alles sehr wichtige und spannende Fragen. Weißt du da mehr dazu?

/ In Rußland dagegen wohl nicht - nur Nutzungsrecht./

Die Deutschen hatten ja über 100 Jahre Erfahrung mit Privat- und Vertragsrecht (vor dem BGB galt preußisches allgemeines Landrecht, das ebenfalls Eigentums- und Vertragsrecht enthielt), die Russen dagegen nicht sehr lang (und nur im Westen des Landes).

Wesel schreibt übrigens zum DDR-Privatrecht:

"Als das BGB noch galt und zur Anwendung kam, weil Volkseigentum oder SOnderrecht für andere Rechtszweige nicht betroffen war, behalf man sich nicht selten mit Auslegungen im Sinne de "sozialistischen Gesetzlichkeit". Ein typisches Beispiel (Neue Justiz 1959, Seite 219):

"Der Kläger und der Verklagte besuchten im November 1958 eine Kinoveranstaltung in B. Nach der Veranstaltung gingen beide dieselbe Straße entlang. Der Kläger ging hinter dem Verklagten und hatte sein Kofferradio so laut angestellt, aß der vor ihm gehende Verklagte die Sendung hören konnte. Es handelte sich um eine Übertragung des RIAS. Daraufhin bat der Verklagte den Kläger, diese Sendung abzuschalten, da sie unerwünscht sei. Dies lehnte der Kläger ab. Der Verklagte hörte, daß ein Sprecher über die wenige Tage zuvor in unserer Republik durchgeführte Volkswahl sprach. Als hierbei die Worte "Sowjetzone" und "Pankower Regime" fielen, schlug der Verklagte dem Kläger das Gerät aus der Hand, so daß es zu Boden fiel und zerbrach.

Der Kläger hat beantragt, den Verklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes von 190 DM (damals noch offizielle Bezeichnung, U.W.) zu verurteilen. Der Verklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen daß er es für notwendig erachtet habe, den Apparat zu zerstören, um zu verhindern, daß eine derartige Hetzsendung öffentlich auf einer unserer Straßen verbreitet wird. (Wesel: Geschichte des Rechts, München 1997, S. 533).

Und es gab natürlich auch eine Privatsphäre: Auch wenn die gemietete Wohnung dem Vater Staat gehörte, musste sich sein Vertreter anmelden und einen Grund nennen, wenn er da was besichtigen wollte. Genauso die Polizei. Sicherlich gab's da Übergriffe, aber die gibt's ja jetzt wohl auch noch.

Ja, ergibt SInn.

/ Und das mit dem Schnüffelstaat ist zwar wohl richtig, aber heutzutage nun wirklich keine Sozialismus-Besonderheit mehr./

Klar - Verdery vergleicht das ja auch mit dem "neoliberal security state". Die Überwachung ist wohl eher Merkmal von Staaten und hierarchisch organisierten Organisationen (auch Betrieben, intern) generell, und das beste Mittel, das etwas zurückzudrängen, ist aber halt wohl doch das Pochen auf Privatautonomie, Privatsphäre, Privateigentum (auch Betriebsgeheimnisse nach außen natürlich), und das sind nun mal die Kernprinzipien des Privatrechts. Ist ja auch kein Zufall, daß z.B. Leutheusser-Schnarrenberger, die sich dafür einsetzt, Liberale ist (FDP).

/ Also, ich bin froh, dass dieser Sozialismus überwunden ist, aber Lügen muss man deshalb nicht verbreiten. Wäre sicherlich zweckmäßiger, sich um heutige Missstände zu kümmern./

Stimme zu, Lügen zu verbreiten, war auch nicht meine Absicht. Ich hab einfach zu allgemein formuliert, weil ich zuwenig Detailwissen hatte - jetzt weiß ich dank Dir wieder bißchen mehr, und kann jede Menge neue interessanter Fragen stellen :-)

Sollen wir das nicht auch an die Liste schicken? Vielleicht interessiert das ja die anderen auch. Ich fände das gut.

Grüße
Wolfgang

Eckarts Antwort:

Hallo Wolfgang,

sicherlich werde ich nicht die ganze DDR per Mail erklären können, zumal es – wie gesagt – nur subjektiv ist. Deine Fragen, war’s soundso? Kann man nicht so einfach mit ja oder nein beantworten. Ich probier‘ trotzdem nochmal bisschen.

Russland war ja nie ein bürgerlicher Staat. Vor dem Sozialismus gehörte alles Land irgendwelchen Feudalherren. Das waren die Bösen. Die wurden enteignet und ab da gehörte aller Grund dem Volk und damit dem Saat. Privatbesitz im bürgerlichen Sinn war unbekannt. Und so ähnlich war’s wohl auch mit privaten Firmen. Aber da hab ich keine konkrete Kenntnis.

Die DDR dagegen entwuchs ja dem Deutschen Reich mit aller Bürgerlichkeit, einschließlich Staatsapparat. Schon deshalb wurde alles mit DDR-Mark bezahlt und abgerechnet. Insbesondere private Unternehmen mussten stets mit Kontrolle rechnen. Zahlungen in Westmark waren illegal. Das spielte also nur als Schmiergeld oder bei Schwarzarbeit eine Rolle. Außerdem war es bei weitem nicht so verbreitet, wie es aus Deinen Formulierungen herausklingt. Die Meisten hatten gar keines oder nur ganz kleine Beträge. Mein Gesamtumsatz über die Jahre war weniger als 50,-DM.

Solche Formulierungen, wie ‚fehlender Anreiz, Marktanteile zu erobern‘ und so, sind nicht richtig oder falsch sondern einfach vollkommen an der DDR-Realität vorbei. Wir hatten ständig die absolute Mangelwirtschaft: ZB. Bei der Fahrzeugelektrik, wo ich Anfang der 80er gearbeitet habe, hatten wir jede Menge angearbeiteter Teile. Bei der Produktionsberatung beim Direktor ging’s immer nur darum: Wann kommt evtl. welche ausstehende Zulieferung, damit man an irgendwelchen Teilen wieder ein paar Arbeitsgänge erledigen kann.

Die Überlegung, mehr zu produzieren für mehr Umsatz, gab es einfach gar nicht. Es gab nur die Auflage aus der Planvorgabe, soundsoviele Scheinwerfer oder Zündanlagen an die Endproduzenten zu liefern. Es war keine staatliche Abnahmegarantie sondern eine Lieferverpflichtung. Und alle haben gegrübelt, wie man das irgendwie wenigstens annähernd schaffen könnte. Meist haben wir es nicht geschafft und dann wurde rumgetrickst, damit es auf dem Papier besser aussah.
Weil das fast allen so ging, gab’s von den meisten Dingen zu wenig zu kaufen. Wenn dann mal was Rares geliefert wurde, haben es erstmal die Verkäuferinnen unter sich aufgeteilt bzw. es an Leute weitergegeben, von denen sie was anderes wollten.

Alle Preise waren staatlich festgelegt. Auch die Mieten. Daher konnten wir die Unkosten bei unseren Mietshaus nicht aus Mieteinnahmen decken. Eine Zeit lang haben wir immer wieder Geld zugeschossen, weil es eben mein Ururgroßvater im 19.Jhdt selber gebaut hatte. Aber schließlich haben wir es der Stadt geschenkt. Aber die hat es dann auch nur weiter verfallen lassen.

Durch die gestützten Preise und weil jeder Arbeit hatte, konnte jeder Miete und Strom bezahlen und auch einfache Lebensmittel – die gab’s auch ausreichend. Alles, was man darüber hinaus wollte, war schwierig. Am schlimmsten war’s mit Autos.

So, das muss erstmal genügen.
BD, Egge

Meine Antwort:

Hallo Eckhard,

toll, vielen Dank für Deine Antworten!

Am 26.10.2015 um 01:13 schrieb "Eckhard Rülke":

/> Hallo Wolfgang,
>
> sicherlich werde ich nicht die ganze DDR per Mail erklären können, zumal es – wie gesagt – nur subjektiv ist. Deine Fragen, war’s soundso? Kann man nicht so einfach mit ja oder nein beantworten. Ich probier‘ trotzdem nochmal bisschen.
/
Super, danke!
/
> Russland war ja nie ein bürgerlicher Staat. Vor dem Sozialismus gehörte alles Land irgendwelchen Feudalherren. Das waren die Bösen./

Ja ... bürgerliche Ideen, waren auch nach RU rübergeschwappt, obwohl dort eigentlich die Kaufleute fehlten. Es waren ja auch im Westen vor allem die Philosophen und Intellektuellen, die eben die Ideen der Antike wieder ausgegraben hatten.
/
> Die wurden enteignet und ab da gehörte aller Grund dem Volk und damit dem Saat. Privatbesitz im bürgerlichen Sinn war unbekannt. Und so ähnlich war’s wohl auch mit privaten Firmen. Aber da hab ich keine konkrete Kenntnis./

Ja, so hat das Lenin auch gesehen. Zwar hat er sich am deutschen Recht orientiert, wollte aber halt den ganzen sowjetischen Staat wie die Deutsche Post organisieren, die für ihre effektive Verwaltung berühmt war. Der ganze Sowjetstaat wie ein deutsches Staatsunternehmen, Privatrecht beseitigen war sein Ziel.

/> Die DDR dagegen entwuchs ja dem Deutschen Reich mit aller Bürgerlichkeit, einschließlich Staatsapparat. Schon deshalb wurde alles mit DDR-Mark bezahlt und abgerechnet. Insbesondere private Unternehmen mussten stets mit Kontrolle rechnen. Zahlungen in Westmark waren illegal./

Ganz klar. Die kam ja auch nicht über die Grenzen, nur über Exporte in den Westen konnte die DDR Westmark erwirtschaften, und die floss natürlich auch direkt an den Staat, der dafür wiederum im Westen Importgüter kaufen wollte. Jede Westmark in der Hand eines Bürgers hieß, die DDR kann weniger importieren.

/> Das spielte also nur als Schmiergeld oder bei Schwarzarbeit eine Rolle.
Klar, weil illegal.
> Außerdem war es bei weitem nicht so verbreitet, wie es aus Deinen Formulierungen herausklingt. Die Meisten hatten gar keines oder nur ganz kleine Beträge. Mein Gesamtumsatz über die Jahre war weniger als 50,-DM.
/
Ja, s.o. - der Staat wollte und brauchte alle Devisen, und versuchte ja sogar, sie aus der Bevölkerung zu holen, indem er Intershops betrieb, wo DDR-Bürger gegen Westmark teure Westgüter kaufen konnte (wahrscheinlich teuerer, als die Parteizentrale sie im Ausland besorgt hatte, sodaß für den Staat ein Gewinn an Devisen raussprang). Auch Transitreisende konnten dort mit Devisen einkaufen.
/
> Solche Formulierungen, wie ‚fehlender Anreiz, Marktanteile zu erobern‘ und so, sind nicht richtig oder falsch sondern einfach vollkommen an der DDR-Realität vorbei. Wir hatten ständig die absolute Mangelwirtschaft: ZB. Bei der Fahrzeugelektrik, wo ich Anfang der 80er gearbeitet habe, hatten wir jede Menge angearbeiteter Teile. Bei der Produktionsberatung beim Direktor ging’s immer nur darum: Wann kommt evtl. welche ausstehende Zulieferung, damit man an irgendwelchen Teilen wieder ein paar Arbeitsgänge erledigen kann./

Ja, weiß ich. Es gibt 'ne tolle Erklärung der sozialistischen Mangelwirtschaft von dem ungarischen Ökonomen Janosz Kornai ("Economics of Shortage"). Zusammenfassung auf deutsch hier:

http://de.scribd.com/doc/115170487/Heinsohn-Steiger-1981-Geld-Produktivitat-und-Unsicherheit-in-Kapitalismus-und-Sozialismus

Dort Seite 10-22.

/>
> Die Überlegung, mehr zu produzieren für mehr Umsatz, gab es einfach gar nicht. Es gab nur die Auflage aus der Planvorgabe, soundsoviele Scheinwerfer oder Zündanlagen an die Endproduzenten zu liefern.
Ja, klar.
> Es war keine staatliche Abnahmegarantie sondern eine Lieferverpflichtung./

Stimmt.

/> Und alle haben gegrübelt, wie man das irgendwie wenigstens annähernd schaffen könnte. Meist haben wir es nicht geschafft und dann wurde rumgetrickst, damit es auf dem Papier besser aussah.
> Weil das fast allen so ging, gab’s von den meisten Dingen zu wenig zu kaufen. Wenn dann mal was Rares geliefert wurde, haben es erstmal die Verkäuferinnen unter sich aufgeteilt bzw. es an Leute weitergegeben, von denen sie was anderes wollten./

Ja, Kornai erklärt das, was Du aus der Erfahrung beschreibst, im Zusammenhang ganz gut, finde ich.

/> Alle Preise waren staatlich festgelegt. Auch die Mieten. Daher konnten wir die Unkosten bei unseren Mietshaus nicht aus Mieteinnahmen decken.
/
Mh ... verstehe :-(

/> Eine Zeit lang haben wir immer wieder Geld zugeschossen, weil es eben mein Ururgroßvater im 19.Jhdt selber gebaut hatte. Aber schließlich haben wir es der Stadt geschenkt. Aber die hat es dann auch nur weiter verfallen lassen.
/

Oh Mann ... so ne Scheisse :-(

/> Durch die gestützten Preise und weil jeder Arbeit hatte, konnte jeder Miete und Strom bezahlen und auch einfache Lebensmittel – die gab’s auch ausreichend.
/
/> Alles, was man darüber hinaus wollte, war schwierig./

Ja ... Grundbedürfnisse garantiert, alles drüberhinaus wollte ja der Staat für den "Aufbau des Sozialismus" haben. Ganz ähnlich wie im Kapitalismus - nur daß im Kapitalismus die Grundbedürfnisse nicht unbedingt so sicher garantiert sind. Dafür gibt's in Aufschwungphasen auch mal bißchen mehr für die Lohnabhängigen (50er/60er Jahre), aber im langen Abschwung (Mitte der 70er bis heute und weiter) wird das alles wieder abgebaut, und die oberen 5% eignen sich den größten Teil des Reichtums an.

/> Am schlimmsten war’s mit Autos./

Ja, bis zu 10 Jahre warten auf einen Trabi, hab ich gehört.

/> So, das muss erstmal genügen.
> BD, Egge
/

Super, danke! Paßt eigentlich zu dem, was ich sonst so weiß. Und vielleicht ist der Aufsatz mit der Zusammenfassung von Kornais Erklärung der sozialistischen Mangelwirschaft interessant für Dich :-)

Viele Grüße
Wolfgang




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