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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Fwd: PM zum Weltspartag?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Fwd: PM zum Weltspartag?


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Fwd: PM zum Weltspartag?
  • Date: Sun, 02 Nov 2014 20:08:51 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi,

Wieso hält Axel die Zentralbanken für eine Nebelkerze - bzw. für ne ganze Nebelbank ?
Gerade die Zentralbanken sind doch die mit dem Kreditlenkungsauftrag - und auch in dem Garscha Link ist die Zentralbank der entscheidende Faktor, da Buchhalter dort eben kreativ bilanzieren dürfen.

Da mußt Du Axel fragen. Aus meiner Sicht ist es der Staat, der die entscheidenden längerfristig wirksamen Rahmenbedingungen zur Kreditlenkung setzt (Regulation des Bankensystems, Nachfragesteuerung via Fiskal-, Ordnungs- und Lohnpolitik, Kreditlenkung auf die Realwirtschaft, etc.). Die ZB hat v.a. kurzfristig wirksame Kreditlenkungsmittel, deren Wirksamkeit begrenzt und in der gegenwärtigen Situation weitgehend ausgereizt ist (Zinspolitik, Refinanzierungspolitik, Mindestreservepolitik, etc.).

Es sollte ein Artikel zum Weltspartag entstehen.... also zum Sparen. Das die Gegenseite (also Schulden) erwähnt gehört ist ok - aber wenn der Artikel sich nur mit Krediten beschäftigt ist das ne Themaverfehlung.

Eben nicht, weil es kein Sparen (im Sinne von "Anhäufung positiver Netto-Finanzvermögen", nicht im Sinne von Realvermögen) ohne die Gegenbuchung (Schulden) geben kann, weil heutiges Geld ausschließlich Kreditgeld ist. Die Themaverfehlung besteht darin, Sparen OHNE Rekurs auf Schulden und Kredite zu betrachten und zu bewerten.

gerne hätte ich moneyminds Kommentar gelesen.....

Ist jetzt veröffentlicht:

https://www.piratenpartei.de/2014/10/31/wenn-alle-sparen-bekommt-
die-sparschweinwirtschaft-einen-knax/#comment-59789

Ich kopiere ihn mal hier rein:

/Hallo Piratos,

danke – diesen Antrag würde ich voll unterstützen.

Lassen sich aber damit allein Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung reduzieren/beseitigen? Ich meine: nein, dies reicht bei weitem nicht aus, um eine realkapitalistische Spielanordnung wiederherzustellen. Dafür müssen in erster Linie Investitionen in die Realwirtschaft wieder attraktiv gemacht werden.

Nehmen wir die Staatsverschuldung als Ausgangspunkt, weil wegen dieser ja allenthalben Hysterie herrscht. Sie ließe sich leicht dadurch abbauen, daß Investitionen in die Realwirtschaft wieder wirklich attraktiv gemacht würden. Denn die Staatsverschuldung hat ihren Grund ja in der den Staatsschulden gegenüberstehenden (“Spar”-)Guthaben des Privatsektors – sowohl der privaten Haushalte als auch der Unternehmen.

Woher rührt dieser Sparfimmel, der am Weltspartag auch noch in den Himmel gelobt und zur allgemeinen und ewigen Tugend erklärt wird, während seine volkswirtschaftliche Bedeutung dabei völlig außen vor bleibt?

Er rührt für die privaten Haushalte daher, daß es für die privaten Haushalte sinnvoll erscheint, über den Aufbau von Geldvermögen für die Zukunft vorzusorgen, weil erstens die Arbeitsplatzsituation immer unsicherer wird und zweitens die Vorsorge ja privatisiert wird von vom umlagefinanzierten auf ein kapitalgedecktes System umgestellt werden soll. Für die Unternehmen aber rührt der Sparfimmel und die Unwilligkeit, sich für Investitionen zu verschulden, daher, daß sie a) nicht genügend Nachfrage erwarten, um mehr Produkte absetzen zu können, aber b) sie gleichzeitig weiterhin Gewinne machen können, weil sie ihre Kosten durch Lohn- und Steuersenkungen politisch bequem drücken konnten.

Die entscheidende Variable in diesem Gesamtprozess sind arbeitsplatzschaffende Investitionen in die Realwirtschaft, für die die Unternehmen sich deshalb verschulden, weil sie sich davon Gewinne erwarten können. Würden sich die Unternehmen wieder verschulden, bräuchte der Staat nicht mehr die Gegenbuchung für die Guthaben der Unternehmen zu übernehmen und könnte sich entschulden. Würden die Unternehmen arbeitsplatzschaffend investieren, würde die Arbeitsplatzunsicherheit sinken, damit auch die Zukunftsangst und extreme Vorsorge-Sparwut der privaten Haushalte gesenkt. Ein Rückkehr zum umlagefinanzierten Altersvorsorgesystem würde dies unterstützen.

Diese Konstellation mit einem verschuldeten Unternehmenssektor, der die Gegenbuchung für die positiven Guthaben der privaten Haushalte übernahm, während Staatshaushalt Leistungsbilanz ausgeglichen waren, hatten wir in den 50er/60er Jahren. Die heutige Saldenkonstellation entspricht der deflatorischen Konstellation der 30er Jahre, die Franz Joachim Clauß in diesem Text im Detail (aus saldenmechanischer Perspektive) beschreibt und analysiert:

http://www.saldenmechanik.info/files/saldenmechanik/Franz_Joachim_CLAUSS_-_Abnorme_Salden_-%20_Prueffeld%20USA%201929-1940.pdf

Die alles entscheidende Frage für die Konsolidierung des Staatshaushalts ebenso wie für den Abbau der Arbeitslosigkeit ist daher nicht nur: wie können die Casinos der Finanzwirtschaft geschlossen werden? Sondern vor allem: wie kann es für die in der Realwirtschaft tätigen Unternehmen wieder “sinnvoll” werden, arbeitsplatzschaffend zu investieren und sich dafür auch wieder so zu verschulden, wie sie es auch in den 50er und 60er Jahren (und in analogen Boomphasen zuvor, wie während des “Gründerbooms” des 19. Jhdts.) ebenfalls getan hat?

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt auch praktisch, was die Theorie schon lange beweist: die gegenwärtig praktizierten, von der realitätsfremden Neoklassik inspirierten Rezepte des Anreizen von Investitionen über Steuergeschenke an die Unternehmen, Lohnsenkungen sowie Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte bei bedingungsloser Konsolidierung des Staatshaushalts über den Abbau von Sozialleistungen führen NICHT zu diesem Effekt, sondern zum gegenteiligen Effekt sinkender Real-Investitionen und steigender Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Vermögensumverteilung von unten nach oben. Sie führen gleichzeitig zu steigenden, nicht sinkenden Staatsschulden, weil so den Privaten (Haushalten wie Unternehmen) systematisch Sparwut nahegelegt wird, deren Gegenbuchung der Staat übernehmen muß. Diese Politik ist lediglich im Interesse der Finanzwirtschaft, die mit den gesparten Geldern dann hemmungslos zocken kann.

Wie aber ist das zu bewerkstelligen? Nun, es wurde nach der Weltwirtschaftskrise ja schon einmal bewerktstelligt, denn die Konstellation der 50er/60er Jahre war ja eine politisch hergestellte. Was also liegt näher, sich von den damaligen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen inspirieren zu lassen und sie – natürlich maßgeschneidert auf die heutige Situation – erneut anzuwenden?

Dafür muß man sie allerdings erstmal kennen. Stephan Schulmeister, der auf dieser Basis hierzu recht umfassende und weitgehende wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Wiederherstellung einer realkapitalistischen Konstellation vorgeschlagen hat (“New Deal für Europa”, bezieht sich dabei umfassend auf F.D. Roosevelts New Deal – ultrakurz zusammengefaßt hat er das kürzlich in den Blättern für deutsche und internationale Politik (8/2014):

http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/New_Deal_Blaetter_08_14.pdf

Ausführlichere Texte von ihm dazu habe ich auf der Quellenseite der AG Geldordnung und Finanzpolitik verlinkt: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Quellen/sortiert_nach_person#Schulmeister.2C_Stephan

Für Europa 2014 kommt allerdings hinzu, daß es sich überhaupt erst einmal als politische Union konstituieren muß, um derart umfassende Weichenstellungen sinnvoll implementieren zu können. Eine Weltwirtschaftskrise ist gleichzeitig eine Krise einer Hegemonialmacht – in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts war das das British Empire, heute sind es die USA (die das ihrige tun, um Europa als politische Macht zu schwächen). Europa müßte sich also auch von einem Staatenbund von US-Satelliten zu einem eigenständigen echten Bundesstaat entwickeln und sich auf seine ureigenen, allesamt aus diesem Kontinent stammenden Werte eines freien Realkapitalismus mit sozialer Komponente besinnen – etwa so, wie es Otto Roloff in “Die Verfassung Europas” beschreibt:

http://www.metropolis-verlag.de/Die-Verfassung-Europas/1049/book.do

Hierauf- für die Lösung der Krise Europas durch Einleitung einer neuerlichen realkapitalistischen Aufschwungphase durch einen konsolidierten freien und sozialen europäischen Bundesstaat – müßten sich die Piraten m.E. ausrichten. Diese Positionierung wäre auch eine dezidiert gegen die in Europa anwachsenden nationalistischen, europafeindlichen Rechtstendenzen gerichtete, die nicht nur mit der ollen Nazi-Keule ankommt, sondern eine ebenso realistische wie positive Alternativversion bieten könnte."/




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