Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Wie Griechenland "gesundgespart" wird

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Wie Griechenland "gesundgespart" wird


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Wie Griechenland "gesundgespart" wird
  • Date: Wed, 04 Jun 2014 08:17:26 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi Knut,

Ansonsten solltet Ihr euch bewusst machen, das in der Auffassung von gar nicht so wenigen Menschen das menschliche Existenzrecht dadurch eingeschränkt wird, dass das Wirtschaftsubjekt "Mensch" sich immer auf irgendeine Art und Weise vermarkten lassen können muss, um dieses Existenzrecht aufrecht zu erhalten.

Exakt. Deswegen ist es auch verkürzt, die herrschende marktfundamentalistische Ideologie nur als ökonomische Theorie ("Neoklassik") zu betrachten und als solche anzugreifen.

Die Neoklassik und ihre Erweiterungen v.a. durch Friedman/Hayek sind vielmehr eine in sich geschlossene Weltanschauung: ein Religionsersatz, in der Ethik, Moral und Recht allesamt durch den Markt ersetzt werden sollen. Die "unsichtbare Hand" des Marktes wird damit zu sowas wie einem neuen (gnadenlosen) "Gott", "Gerechtigkeit" wird gleichgesetzt mit "Marktergebnis".

Systematisch ausgeblendet wird dabei Politik, die man a priori als Wurzel aller Übel hinstellt. Austeritätspolitik dient dieser Ideologie zufolge, die den Staatshaushalt kontextfrei und außerhalb des Zusammenhangs der Finanzierungssalden der gesamten Volkswirtschaft betrachtet, nur der "Herstellung marktförmiger Gerechtigkeit", die per definitionem "optimal" sein soll (da Staatseingriffe Marktergebnisse a priori nur "verzerren" und damit verschlechtern).

Ausgeblendet wird dabei, daß diese Politik die Interessen einer gesellschaftlichen Gruppe bedient (obere 5%), die einer anderen verletzt (Rest).

Ausgeblendet wird damit auch "Marktversagen": der Zwang zum prozyklischen Handeln privater Marktteilnehmer, der zu exzessiven Boom/Bust-Zyklen (sowohl auf den Finanzmärkten als in der Realwirtschaft) führt.

Essentiell handelt es sich bei dieser "Theorie" aber um einen Ethik-, Moral- und Religionsersatz; jeder, der andere Formen der Gerechtigkeit, Solidarität und sozialen Ausgleich favorisiert, wird dann als "Gutmensch" bezeichnet, der "angeblich Gutes will aber damit nur Schlechtes erreicht", der entweder ein Naivling ist oder dem dann unterstellt wird, er würde nur eigene egoistische Interessen moralisch verbrämt einfordern (denn mit Weltbild des Neoliberalismus sind Menschen isolierte, egoistische Einzelwesen - Altruismus und Solidarität können aus dieser Sicht dann nur als Lügen denunziert werden).

Kurz: es handelt sich nicht um eine Wirtschaftstheorie (mit der realen Wirtschaft hat die Neoklassik nichts zu tun), sondern um einen Religionsersatz: um ein geschlossenes Weltbild, einen ideologischen Diskurs, der eine Waffe im Kampf um politische Macht darstellt.

„Civil government, so far as it is instituted for the security of property, is in reality instituted for the defence of the rich against the poor, or of those who have some property against those who have none at all.“

Ein Zitat nicht etwa von Karl Marx, sondern von Adam Smith: An Inquiry into the Wealth of Nations, Book V, Chapter 1, Part II

Man muß also nicht nur bessere Wirtschaftstheorie machen, wenn man diese Ideologie (die eben eine bestimmte Wirtschaftspolitik stützt) überwinden will. Man muß sich auch als selbstimmunisierende Weltanschauung erkennen: als System von Glaubenssätzen, dem mit rationalen Argumenten oft nicht beikommt, sondern nur mit purer Gegenmacht.




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang