Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] (kein Betreff)

Bitte warten ...

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] (kein Betreff)


Chronologisch Thread 
  • From: Wischer <listemail2 AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] (kein Betreff)
  • Date: Sun, 26 Jan 2014 14:14:50 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo,
ich mache mir, stellvertretend für Viele, nochmal die Mühe:

Tommy´s Vorschlag ist scheiße, weil:
(bitte hier einfügen)
1. Weil Tommy schon deshalb unsympathisch ist, weil er alle "Reichen" und "Mächtigen" über einen Kamm scherrt und pauschal alle als schlechte, bösartige Menschen tituliert, bzw. den Eindruck vermittelt, dass ärmere Menschen die besseren Menschen wären. Die Schaffung von abstrusen Feinbildern hat auch ein gewisser Herr H. prächtig für sich genutzt. Ich bin immernoch der Meinung, dass die wenigstens Menschen gezielt böse handeln wollen. Schlussendlich hält sich Jeder sogar für den "Guten". Wir können jedoch auch sachlich nach Lösungen suchen und Menschen davon überzeugen, ohne die Feindbildkeule zu schwingen.

2. Der Vorschlag ist begrenzt umsetzbar, weil es sich um eine "Insellösung" handelt, die die globalen Realitäten ausblendet. Globaler Handel und globale Finanzmärkte zerstören jede national begrenzten Steuerungsfähigkeiten. Es erscheint mir als Illusion und sowieso nicht wünschenswert, dass globale Geschäfte zukünfitg nicht mehr stattfinden sollen. In dieser globalen Welt entstehen Probleme und Effekte, wie die Inflation, auch global. Die vorgeschlagenen Mechanismen (ULG, unbegrenzte Geldschöpfung) sind aber nur national begrenzt, weswegen sie bei der Bekämpfung von globalen Problemen, wie der Inflation, scheitern werden. Beispielsweise bestimmen heute die weltweiten Rohstoffpreise für Nahrungsmittel und Energie die Inflationsraten. Wenn diese steigen, würde nach diesem Vorschlag das BGE erhöht werden, was bei gleicher Konsumhöhe eine Währungsabwertung zur Folge hätte, die wiederum die importierten Rohstoffkosten erhöht und somit die Inflation, wenn nicht in gleichem Maße Gegenleistungen (als Waren- und Dienstleistungen) erbracht werden. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf könnte entstehen. Möglich wäre so ein System daher nur mit totaler Abschottung, ähnlich wie das der DDR gegenüber dem Westen. Oder, wenn man die Geldschöpfung an die ausgeglichene Leistungs-und Kapitalbilanz koppelt, was dem heutigen System "der Begrenzung durch Schuldenlast" schon sehr nahe kommt.

3. Dass Banken statt Zinsen Gebühren verlangen, ändert gar nichts. Nur weil man es anders nennt, hat es immernoch den gleichen Effekt. Dies zeigt nur, wie verblendet der Autor über Zinsen denkt. Der Teil "und andere Piraten sehen die Ursache im bestehenden Zinssystem, da die Zinsen grundsätzlich nicht mit geschöpft werden." spricht darüber Bände.

4. Die Geldschöpfung der Kommunen für ihre Zwecke müsste so begrenzt werden, dass trotzdem Geldknappheit herrscht. Die Kommunen stehen in Konkurrenz, da ihre Geldschöpfung zwar dezentral stattfindet, die Inflation und die darauf eingesetzte ULG Gebühr jedoch kommunenübergreifend bestimmt wird. Dies bedeutet, dass jede Kommune immer den maximal möglichen Betrag schöpfen will, sei es für noch so unsinnge Dinge, um ihre eigene Bewohner nach der Inflation und ULG mehr zurück zu lassen. Dies kann ohne Begrenzung natürlich nicht funktionieren.

5. Ein System, das die Geldbasis am unteren Ende per BGE und Ausgaben ständig erweitert, führt zu sicheren Einkommen bei den Kapitalbesitzern und zementiert damit ihre Machtposition weiter, weil sie damit noch mehr (Real-)Kapital akkumulieren können. Die "Schere" zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden würde noch weiter auseinander gehen.

6. Das Erhebungsverfahren der ULG, inklusive der gezwungenen Auszahlung von Löhnen und Gehältern am Monatsanfang und der Mietzahlung am Monatsende, erscheint etwas undurchdacht. Die ULG müsste ziehmlich hoch sein, um die ganzen neugeschöpften Milliarden wieder zu vernichten. Die ULG zu umgehen würde also das Hauptziel fast jeder wirtschaftlichen Tätigkeit werden und bei den größten Playern sicher auch funktionieren. Das Verfahren der endmonatlichen Besteuerung erscheint besonders leicht umgehbar. Abstruser Nebeneffekt: Vermieter würden versuchen kurz vor Monatsende ihren Kontostand im Minusbereich zu halten, damit dieser von den Mietzahlungen auf Null gebracht wird und sie keine ULG bezahlen müssen. Können/wollen sie dies nicht, so erhöhen sich die Mieten. Dies würde wiederum die Inflation steigern. Dies sollte das BGE erhöhen. Dies müsste bei gleichem Konsumverhalten die ULG erhöhen, was die Vermieter wiederum mehr belastetet. Wieder ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Die Unternehmen werden auch generell keine Gewinnminderung durch die ULG hinnehmen, sondern dementsprechend die Preise erhöhen oder Ausgaben kürzen. Diese vorgeschlagene ULG belastet immer nur den einfachen Erwerbsarbeiter ohne Kapitaleinkommen. Über die weiteren Probleme der ULG bei Bargeld und Finanzprodukten mag ich erstmal gar nicht nachdenken.

7. Ohne (oder sehr geringe) Steuern gibt es keinen Grund ein von den Kommunen rausgeworfens Spielgeld anzunehmen. Überhaupt könnten sich alle Geschäfte auf Basis von Dingen ereignen, die nicht von einer ULG erfasst werden. Der Ausbeutung sind damit Tür und Tor geöffnet. (Außer du möchtes alle Betriebe und Vermögen in Staatseigentum bringen, aber nach so einer Maßnahme wäre das Geldsystem eh egal.)

Mein Vorschlag ist folgender:
(Bitte hier einfügen)
8. Sollte man 2. irgendwie in den Griff bekommen (wovon ich derzeit nicht ausgehe), so könnte man die gewünschten Effekte auch im heutigen System schon umsetzen. Dazu braucht es keine ULG, kein Vollgeld. Die Staaten und Kommunen finanizieren sich einfach über die öffentlich-rechtlichen Banken oder die Zentralbank. Der Staat nimmt steuern ein (z.B. Bruttogeldvermögenssteuer), die zur Tilgung genutzt werden (Geldvernichtung) und ein BGE ermöglichen. Die Bankengeldschöpfung wird durch die Ausweitung der Eigenkapitalvorschriften in geregelte Bahnen gelenkt und das System gegen Finanzkrisen gesichert. Diese Vorgehensweise erscheint mir deutlich sicherer und könnte weitere Aspekte besser lösen. (nicht alle, siehe 9.+10.+11.)

9. Wie in 4. angedeutet, geht es heute bei uns vielmehr darum Ressourcen zu sparen. Mit "Geld ins System" kippen wird jedoch das genauer Gegenteil erreicht. Übrigens hat auch Jürgen in seinem Beitrag, auf den Tommy hier ja geantwortet hat, darauf hingewiesen. Hier kommen wir nämlich zum Pudels Kern. Wie teilen wir die Ressourcen auf und wie schonen wir sie? Wie sieht ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aus, das dies begünstigt?

10. Wie stabil das System von Tommy ist (im Bezug auf Inflation-Deflation), hängt, wie heute schon, von der saldenmechanischen Stabilität zwischen der Bildung von Überschüssen zu den gegenüberstehenden Defiziten ab. Tommy ersetz die Defizite durch neues Geld, heute passiert dies durch neue Schulden. Beide Systeme können gleich stabil oder instabil sein, entscheidend ist die Anwendung und nicht das System. Besser wäre nur ein System, das den Menschen weder bei Inflation noch bei Deflation ein Problem bereitet.

11. Ein visionäre Vorschlag müsste auch die Problematik des BIP-Wachstumzwangs für den Erhalt von Erwerbsarbeitsplätzen aufheben. Dies betrifft dann vermutlich vor allem die Verteilung von "Produktivkapital". Ein paar Vorschläge in diese Richtung gab es hier auch schon mal.

Und er ist viiiiiiiiel besser, als Tommy´s weil:
(bitte hier einfügen)
Der Stein der Weisen wurde noch nicht gefunden. Ich bin jedoch der Meinung, dass für Tommy's Vorschlag heute schon praktischere Möglichkeiten bestehen, die auch noch weniger unvorhersebare Folgen haben. Die genannten "Zielparameter" halte ich teilweise dennoch für brauchbar und auch die Vorgehensweise diese Zielparameter mit den Systemkonfigurationen abzugleichen ist gut. Die Welt nur durch eine Geldsystemreform zum Besseren zu verwandeln, halte ich jedoch für Träumerei. Entscheidend ist, wie ein Wirtschaftssystem als Ganzes konzipiert ist. Idealwerweise macht ein Wirtschaftssystem sogar unsere heutige Betrachtung von Geld überflüssig. Die globalen Rückkopplungen müssen jedoch für jeden Vorschlag zwingend betrachtet werden.

Übrigens wurden alle meine aufgezählten Punkte auch hier auf der ML schon mal angeführt. Es handelt also nur um eine, möglicherweise unvollständige, Zusammenfassung, die für zukünftige Diskussionen zum gleichen Thema abgespeichert werden darf!

Grüße
Wischer




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang