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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] Bahnsteighöhe und Barrierefreiheit

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

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Re: [Ag-bauen-verkehr] Bahnsteighöhe und Barrierefreiheit


Chronologisch Thread 
  • From: Andreas Jäger <a.jae AT arcor.de>
  • To: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] Bahnsteighöhe und Barrierefreiheit
  • Date: Sat, 07 Apr 2012 00:33:23 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
  • List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>

Hallo,
kleine Anmerkung, bei den Doppelstockwagen gibt es aktuell 3 Einstiegshöhen, 60 cm (Tiefeinstieg), 76 cm (durch Klappstufe) beim Steuerwagen Bauart 761.2 und 115 cm (Hocheinstieg), siehe http://listen.busforum-berlin.info/Dostoab1993.pdf.
Demnach müsste man für eine optimale Gestaltung des Übergangs zwei Arten von Bahnsteigen vorsehen:

Fernverkehr und DoSto mit Hocheinstieg: 110 cm bis 120 cm (wobei Steuerwagen mit Hocheinstieg erst gebaut werden müssen)
Nahverkehr und DoSto mit Tiefeinstieg: 55 cm bis 65 cm
Eigentlich müsste eine solche Umsetzng möglich sein, Bahnhöfe mit Fernverkehr haben doch in der Regel mehrere Bahnsteige. Ein Nachteil ist dann aber, dass für den Wechsel vom Regional- zum Fernzug der Bahnsteig gewechselt werden müsste.
Eine andere Alternative wäre eine einheitliche Höhe von 76 cm und an den für Rollstuhlfahrer vorgesehenen Türen Hubbühnen im Bahnsteig, die wahlweise auf Tiefeinstieg oder Hocheinstieg durch das Zugbegleit- oder Bahnhofspersonal bewegt werden können. Das Personal hat sich dann eben an dieser Stelle im Zug einzufinden, wenn Bedarf besteht (Ruftaste im Zug und an der Hubbühne).

Gruß Andreas

Am 06.04.2012 22:59, schrieb Schienenbus:

Wenn ein Bahnhof modernisiert wird, wird häufig auch der Bahnsteig komplett erneuert und auf eine "normgerechte" Höhe gebracht.
Das kostet natürlich Geld, was aber nicht nur für zusätzlichen Komfort sondern auch für die Barrierefreiheit gut angelegt ist - wenn die "normgerechte" Höhe auch zu den Fahrzeugen passt. Tut sie das aber nicht...
Mit der Wiedervereinigung kamen die Görlitzer Doppelstockwagen auch in die alten Bundesländer - und wenig später gab es erste Niederflurfahrzeuge. An die neuen Realitäten angepasst wurde die EBO offenbar nicht.

Aus §13 der Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung:
"Bei Neubauten oder umfassenden Umbauten von Personenbahnsteigen sollen in der Regel die Bahnsteigkanten auf eine Höhe von 0,76 m über Schienenoberkante gelegt werden; Höhen von unter 0,38 m und über 0,96 m sind unzulässig. Bahnsteige, an denen ausschließlich Stadtschnellbahnen halten, sollen auf eine Höhe von 0,96 m über Schienenoberkante gelegt werden. In Gleisbogen ist auf die Überhöhung Rücksicht zu nehmen."

In der Praxis sind in Deutschland vor allem 4 verschiedene Bahnsteighöhen vertreten (alle Daten: über Schienenoberkante):
38cm: überwiegend Altbestand
55cm: einige modernisierte Nebenbahnen, im Osten auch auf Hauptbahnen
76cm: "Standard"
96cm: hochbelastete S-Bahnstrecken

In Berlin gab es in den vergangenen Wochen Diskussionen, wie man die Stolperfalle bei der S-Bahn beheben kann - denn abgesehen vom aktuellen Bauzustand des Ringbahnsteigs am Ostkreuz haben alle Bahnsteige eine Höhe von 96 oder 103 cm.
Es geht also um maximal 7 Zentimeter, die auch ohne technische Spielereien oder Umbauten auf barrierefreies Niveau gebracht werden könnten, wenn man die Fahrzeuge auf 98cm Fußbodenhöhe auslegt (5cm gelten als barrierefrei).

Es erstaunt mich in diesem Zusammenhang aber, dass sich scheinbar Niemand an den Höhenunterschieden an den Regionalbahnhöfen aufregt - obwohl diese weitaus größer sind.
Wie aus der Datenbank der DB http://www.deutschebahn.com/de/geschaefte/infrastruktur/bahnhof/bahnsteige_uebersicht/ ersichtlich, haben nahezu alle Berliner Bahnhöfe an den Regionalbahnsteigen eine Höhe von 76 cm. Allgemein bekannt ist hingegen, dass im Raum Berlin fast ausschließlich Doppelstockwagen im Regionalverkehr eingesetzt werden.
Diese haben allerdings eine Einstiegshöhe zwischen 55 und 60 cm - je nach Bauart. Will ein Rollstuhlfahrer den Zug benutzen, muss er sich 24h vorher anmelden - und das Zugpersonal zeitraubend die Rampe in Gang setzen. Kleinere Verspätungen lassen sich nicht vermeiden...
Aber auch gesunde Fahrgäste profitieren von stufenlosen Einstiegen, weil es einfach schneller geht und bei konsequenter Umsetzung pro Linie durchaus ein paar Minuten Zeitgewinn machbar sind.

Natürlich kann man auch argumentieren, dass an einigen Stationen ja auch Fernverkehrszüge halten, die von 76cm-Bahnsteigen profitieren würden. Diese haben allerdings typisch eine Fußbodenhöhe von etwa 120 cm - ein barrierefreier Einstieg wäre also an keiner zulässigen Bahnsteighöhe möglich so dass sich nur die Frage stellt, ob es nun 3 oder 4 Stufen in den Zug hinein sind.

Und in der Zukunft im Fernverkehr?
Bislang liegt keine einzige Bestellung für ein Fernverkehrsfahrzeug mit 76 cm Fußbodenhöhe vor - und außer dem Interconnex sind keine im Einsatz. Bestellt sind hingegen 27(28?) Doppelstock-Steuerwagen für den IC-Verkehr, die aber 55 cm Einstiegshöhe besitzen werden.

Kann man Doppelstockwagen anpassen?
Im Innenraum sind nicht beliebig steile Rampen zulässig - d.h. für höhere Bahnsteige müsste auch der Fußboden angehoben werden. Das geht aber nur wenn entweder die Raumhöhe reduziert wird (die eh schon recht knapp ist) oder die Gesamthöhe des Fahrzeugs steigt - wobei die heute schon das Regellichtraumprofil leicht überschreitet.
Der Ersatz durch einstöckige Züge mit gleicher Kapazität und daraus resultierend größerer Länge ist auch längst nicht überall möglich, weil die Bahnsteige das nicht erlauben.

Was ist mit anderen Nahverkehrsfahrzeugen?
Zugegeben: Mit 96 oder 76 cm Einstiegshöhe lassen sich Fahrzeuge mit komplett ebenen Innenraum konstruieren, die oft im S-Bahn-Verkehr angetreffen werden können.
S-Bahnen wie in Berlin und Hamburg, die eh immer ihre eigenen Bahnsteige haben, können auch problemlos ihre eigene Bahnsteighöhe behalten.

Bei 55 cm Einstiegshöhe müssen (zumindest bei den in Deutschland üblichen Bauformen) im Innenraum an einigen Stellen Rampen genutzt werden. Die letzte Sitzgruppe am Zugende ist unter Umständen auch nur durch eine Stufe erreichbar.
Von reinen S-Bahn-Fahrzeugen abgesehen sind alle zur Zeit für den deutschen Markt angebotenen Nahverkehrsfahrzeuge auch für 55 cm lieferbar.

Was sagt der Rest Europas:
Belgien und die Niederlande setzen auf 76 cm Bahnsteighöhe und setzen diese relativ konsequent um. Auch für Polen habe ich diesen Richtwert gefunden - aber keine Umsetzung in der Praxis.
Alle anderen Nachbarländer von uns haben sich hingegen für 55 cm entschieden - und gerade Österreich und die Schweiz (gleiches Bahnstromsystem) setzen diese auch sehr konsequent um.

Innerhalb Deutschlands ist es hingegen uneinheitlich - und oft werden Bahnsteige in 76 cm Höhe errichtet, weil es die "Norm" ist, und nicht weil es Sinn machen würde. An Knotenpunkten macht man dies gleich mit allen Bahnsteigen, auch wenn viele der anschließenden Strecken 55 cm Bahnsteige und Fahrzeuge besitzen.

Mein aktuellstes Beispiel ist Prenzlau:
Heute 30 cm - künftig 76 cm. Kostet natürlich auch ein paar Milliönchen.
Dabei werden bis mindestens Dezember 2026 im Nahverkehr ausschließlich Fahrzeuge mit 55 cm Einstiegshöhe fahren und angesichts der hohen Nachfrage im Nahverkehr zwischen Berlin und Ostseeküste ist keine Änderung in Sicht.
Der Fernverkehr, den sich laut der Antwort auf eine Anfrage beim Verkehrsverbund der Nahverkehr unterordnen müsse, steht hingegen seit Jahren auf der Kippe - und wie dargelegt würde er auch künftig nicht mit 76 cm kompatiblen Fahrzeugen fahren.
Selbst im 806-Einwohner-Dorf Warnitz, in dem nie ein Fernzug halten wird, wurde ein 76 cm Bahnsteig errichtet.
Angeblich damit die Strecke eine einheitliche Höhe hat? Hinter der Landesgrenze in Mecklenburg-Vorpommern haben jedenfalls alle Bahnsteige die passende Höhe von 55 cm.

Vielleicht kann in Berlin dieser Punkt einmal aufgegriffen werden...
Denn auf Einzelanfragen gab es nie eine befriedigende Antwort.




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