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berlin-squad-integration - Re: [Squad-IIP] Racial Profiling ab sofort erlaubt in Deutschland

berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP)

Listenarchiv

Re: [Squad-IIP] Racial Profiling ab sofort erlaubt in Deutschland


Chronologisch Thread 
  • From: "Dorothee Scholz" <s.doro AT gmx.de>
  • To: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Squad-IIP] Racial Profiling ab sofort erlaubt in Deutschland
  • Date: Wed, 28 Mar 2012 12:41:46 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/berlin-squad-integration>
  • List-id: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration.lists.piratenpartei.de>

Lieber Mark,
das Problem ist, dass durch gehäufte Kontrollen ebenjene Statistiken erzeugt
werden, und die tatsächliche Prävalenz verzerrt wird. Heißt: Wenn die
Kriminalitätsquote in beiden Bevölkerungsgruppen prozentual gleich wäre, und
eine jedoch stärker kontrolliert wird, dann wird sie auch häufiger überführt.
In der Statistik taucht sie dann wesentlich häufiger auf, als die andere
Gruppe, was dann - wenn man rein der Statistik folgt - eine höhere
Kriminalitätsquote dieser Bevölkerungsgruppe suggeriert (obwohl sie in
realitas keinen Unterschied zur nicht so stark kontrollierten
Bevölkerungsgruppe zeigt). Dieser Hinweis taucht sogar in der offiziellen
Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) auf und ist bekannt als das
"Lüchow-Dannenberg-Syndrom".

Das führt dann zu einer Kriminalisierung dieser stärker kontrollierten
Bevölkerungsgruppe - d.h. ihnen wird a priori eine höhere
Kriminalitätsbereitschaft unterstellt, sie kriegen bei gleichen
Schulleistungen weniger oft Gymnasialempfehlungen oder Praktika in guten
Firmen, werden bei gleicher Qualifikation weniger oft eingestellt, und sie
werden öfter durch die Bevölkerung diskriminiert. Da spielt es dann für die
Gesellschaft auch keine Rolle mehr, dass die ursprüngliche Absicht eine
Aufdeckung von illegalem Aufenthalt war - es wird alles unter
Ausländerkriminalität zusammengefasst und politisch sowie medial
instrumentalisiert (siehe Wiesbadener Erklärung der CDU). Dies beinhaltet
dann nicht nur direkte Nachteile für die Betroffenen, sondern kann auch im
Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeihung dazu führen, dass durch geringere
gesellschaftliche Chancen und entstehende sozioökonomische Problemstellungen
tatsächlich häufiger Kriminalität entsteht.

Diese Prozesse sind natürlich nicht alleinerklärend für sog.
"Ausländergewalt", aber es ist das verstärkende Prinzip, vor dem Soziologen
wiederholt gewarnt haben und das es bei politischer Arbeit zu berücksichtigen
gilt. Natürlich soll die Polizei nicht in ihrer Arbeit beschränkt werden,
aber Racial Profiling hilft einfach nicht, sondern verschlimmert die Sache
eher, sowohl in der statistischen Erfassung von Gewalt, als auch
gesamtgesellschaftlich, was Integrationschancen betrifft.

Da für die Polizei die Prämisse der "Berufserfahrung" gilt, auf die sie sich
stützen dürfen, kann man in vielen Fällen sowieso nichts tun, wenn RP
praktiziert wird. Aber dass es offiziell gestattet ist, auf Grundlage der
HAUTFARBE zu kontrollieren, nicht etwa aufgrund verdächtigen Verhaltens oder
vielleicht noch mangelnder Sprachkenntnisse (im Gegensatz zur Hautfarbe
validere Indikatoren für illegalen Aufenthalt, die leider immer noch einen
sehr großen Interpretationsspielraum zulassen), dann geht das für mich in
eine Richtung, die humanistisch nicht mehr vertretbar ist. Schließlich werden
prozentual gesehen auch nicht mehr in Dtl. lebende People of Color gegen das
Aufenthaltsrecht straffällig, als z.B. Firmenbosse bei der Steuerabrechnung
schummeln. Aber versuch mal, bei denen ohne Verdachtsmoment die Konten
aufzudecken, da wäre dann aber was los. Bei PoC ist es dann aber wieder ok?
Ich glaube eher nicht. Zumal die Straftaten gegen das Aufenthaltsrecht seit
Jahre
n rückläufig sind (siehe die PKS der letzten 10 Jahre). Was soll das Ganze
also bringen, außer einer zusätzlichen Kriminalisierung von People of Color?
Das ist eindeutig reine Diskriminierung, wenn ihr mich fragt, und daher
sollten wir uns dagegen aussprechen - auch wenn sich in der Praxis dadurch
leider nicht viel ändern wird. Aber das ist kein Grund den Mund zu halten.
lg Doro

-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Wed, 28 Mar 2012 00:22:50 +0200
> Von: Mark Kibanov <mark.kibanov AT googlemail.com>
> An: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \\(IIP\\)"
> <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
> Betreff: Re: [Squad-IIP] Racial Profiling ab sofort erlaubt in Deutschland

> Liebe Piraten,
>
> ich bin selbst ein Ausländer, verstehe aber nicht die ganze Diskussion.
> Warum wollt ihr die Polizei in Ihre Ermittlungen begrenzen? Wenn die Polizei
> öfter in Neukölln als in Charlottenburg auftaucht, bedeutet es
> vielleicht, dass es mehr was zu tun in Neukölln gibt. Es ist klar, dass in
> Israel
> die Muslime z.B. in Flughafen mehr als andere untersucht werden.
>
> Allgemein: wenn neue statistische Erkenntnisse da sein werden (langhaarige
> verkaufen Drogen öfter als kurzhaarige), warum sollen diese nicht benutzt
> werden (langhaarige öfter untersucht) um die Effizient der Polizei zu
> verbessern?
>
> Beste Grüße,
> Mark
>
> Am 27.03.2012 um 23:55 schrieb Dorothee Scholz:
>
> > Das ist echt unglaublich. Racial Profiling ist zwar eh schon gang und
> gäbe leider (wen die Studie interessiert, ich kann sie raussuchen), aber
> dass es nun legal passieren darf, ist ziemlich krass. Ich würde gern mal
> eine
> Statistik haben (sollte in der PKS zu finden sein), wieviele Fälle von
> illegaler Einreise pro Jahr so gefunden werden, und das ins Verhältnis zur
> Anzahl legal in Deutschland weilender Menschen mit nichtdeutschem Aussehen
> (=Migrationshintergrund bis zur 3. Generation als Schätzgröße) setzen.
> Ich bin sicher, der Prozentsatz ist seeeeeehr gering und rechtfertigt nicht
> im Geringsten die Kriminalisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Wenn es
> nach diesem Prinzip ginge, dann müsste auch pauschal und ohne
> Verdachtsmoment jeder Jugendliche auf Drogenbesitz kontrollierbar sein,
> oder jeder
> Mann auf Sexualdelikte. Wie absurd. Dagegen sollten wir auf jeden Fall ne PM
> verfassen.
> > lg Doro
> >
> > PS (etwas unrelated): Initialtreff Gendersquad um 19:00 Uhr im
> Morgenland am Donnerstag, dem 29.3. Ich haus auch nochmal über Twitter raus.
> > Freu mich :)
> >
> > -------- Original-Nachricht --------
> >> Datum: Tue, 27 Mar 2012 16:38:53 -0400 (EDT)
> >> Von: Yonas Endrias <endriasy AT aol.com>
> >> An: berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de
> >> CC: pirat AT benleonid.de, freinhardt AT piratenfraktion-berlin.de
> >> Betreff: [Squad-IIP] Racial Profiling ab sofort erlaubt in Deutschland
> >
> >>
> >>
> >>
> >>
> >>
> >>
> >>
> >>
> >>
> >> rteil: Bundespolizei darf Zugreisende nach Aussehen kontrollieren
> >>
> >>
> >> Koblenz (dpa) - Die Bundespolizei darf Zugreisende auf bestimmten
> >> Strecken ohne konkreten Verdacht kontrollieren und nach ihrem Aussehen
> >> auswählen. Das hat das Verwaltungsgericht Koblenz in einem am Dienstag
> >> veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen 5 K 1026/11.KO) entschieden. Auf
> >> Strecken, die erfahrungsgemäß etwa zur illegalen Einreise nach
> >> Deutschland genutzt würden, dürften Beamte die zu kontrollierenden
> >> Menschen nach dem Aussehen auswählen. Damit scheiterte die Klage eines
> >> Mannes, der sich gegen eine solche Kontrolle im Zug gewehrt hatte.
> >>
> >> Bei dem Kläger handelt es sich nach Angaben des Gerichts um einen
> >> dunkelhäutigen Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit. Dieser sei auf
> >> einer der betroffenen Strecken, die das Gericht nicht nennen wollte,
> >> von zwei Bundespolizisten aufgefordert worden, seinen Ausweis zu
> >> zeigen. Als er sich weigerte, kam es zum Streit, die Beamten
> >> durchsuchten seinen Rucksack. Nachdem sie nichts fanden, brachten sie
> >> den Mann in eine Dienststelle und entdeckten dann einen Führerschein.
> >>
> >> In einem anschließenden Strafverfahren wegen Beleidigung gegen den
> >> Mann erklärte ein Beamter, er spreche bei Kontrollen Reisende an, die
> >> ihm als Ausländer erschienen. Ein Kriterium bei der Auswahl sei die
> >> Hautfarbe. Gegen dieses Vorgehen klagte der Mann und scheiterte nun.
> >>
> >> Nach Überzeugung der Koblenzer Richter müssen Beamte bei Kontrollen
> >> «grenzpolizeiliche Erfahrungen» zugrunde legen. Ein willkürliches
> >> Vorgehen sei daher ausgeschlossen. In dem konkreten Fall sei der
> >> Kläger auf einer Strecke kontrolliert worden, die für unerlaubte
> >> Einreisen und Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz genutzt werde. Da
> >> zudem nur Stichproben-Kontrollen möglich seien, dürften Beamte die
> >> Menschen auch nach deren Aussehen auswählen.
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