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bergisches-land - Re: [Bergisches Land] GEZ

bergisches-land@lists.piratenpartei.de

Betreff: Regionalgruppe Bergisches Land (Nordrhein-Westfalen)

Listenarchiv

Re: [Bergisches Land] GEZ


Chronologisch Thread 
  • From: "Arnim v. Herff" <arnimvherff@wuplug.org>
  • To: "Regionalgruppe Bergisches Land \(Nordrhein-Westfalen\)" <bergisches-land@lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Bergisches Land] GEZ
  • Date: Sat, 10 Dec 2011 13:42:23 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/private/bergisches-land>
  • List-id: "Regionalgruppe Bergisches Land \(Nordrhein-Westfalen\)" <bergisches-land.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: WupLUG

Ahoi.

Danke Holger, daß Du dir die Zeit für eine fundierte Antwort abgezwackt hast.
Dort sind ein paar gute Ansätze enthalten, mit deren Hilfe wir zu einem
gemeinsamen Standpunkt kommen sollten. Nur geht es gedanklich ein wenig
durcheinander (so wie bei meiner mail von heute Nacht...). Auch Paranoia hat
einen wichtigen Punkt eingebracht, über den ich mich (wir uns?) noch mal
schlauer machen müssen: Finanzierung und Rechtsrahmen für die BBC.

Bei der GEZ-Problematik geht es um zwei Themenkomplexe, die - wie alles in
der
Welt - zwar eng verknüpft sind, aber dennoch ihre jeweils spezifische
Herangehensweise benötigen. Da ist zum einen die Frage welche Medien(häuser)
wollen wir und zum anderen die Frage nach deren Finanzierung.

Beim ersten Punkt scheint es derzeit einfach zu sein einen Konsens zu finden.
Wir wollen (lese ich zumindest aus Euren mails, wenn nicht, dann setzt
einfach "ich möchte" ein) einen Rundfunk, der unabhängig von staatlicher
Exekutive, Parteien und Kapitalinteressen ist. (Mit anderen Worten, das
bestehende System muß gewaltig umgebaut werden...) Das schließt nicht aus,
daß es weiterhin Bertelsmänner, Partei- und Regierungsfunk geben kann. Aber
der von der Allgemeinheit bezahlte Rundfunk hat wirklich unabhängig zu sein.

Womit wir zum Knackpunkt - der Finanzierung - kommen. Die Systematik unseres
Rechtssystems kennt zwei Arten von Abgaben: Steuern und Gebühren. Steuern
werden auf bestimmte Tatbestände (Einkommen, Saufen, Huren und viele mehr)
erhoben, um die staatlichen Ausgaben zu decken. Steuern sind per definitionem
nicht zweckgebunden (insofern ist die teilweise Zweckbindung der KFZ-Steuern
ein lobbyinduzierter Verstoß gegen die Systematik), sonst wären es Gebühren.
Steuern bieten (im Prinzip) keine Optionen des "Mitmachens" (außer -
aufgepasst - auch hier des opt-out in Form der Vermeidung von
steuerpflichtigen Tatbeständen). Auf welche Tatbestände Steuern fällig
werden, ist eine (im Prinzip) freie Entscheidung des Gesetzgebers und
praktisch das Ergebnis des politischen Prozesses. Gebühren wiederum sind
zweckgebunden, dürfen aber nur in der Höhe erhoben werden, wie Kosten
entstanden sind. Gebühren haben die Eigenschaft des opt-in (kein
Wasseranschluß, ergo keine Wassergebühren*).

Steuern auf Rundfunk? Geht nicht, weil in die Budgethoheit des zuständigen
Parlaments nicht eingegriffen werden darf und dieses die Gelder im nächsten
Jahr z.B. für den Hochschulausbau verwenden könnte. Abgesehen davon,
würden "Rundfunktsteuern" dem Ziel der Staatsferne - nun ja - eher nicht
dienlich sein.

Bleiben also Gebühren. Die dürfen aber nur dem Nutzer auferlegt werden. Die
bisherige Praxis der nutzungsunabhängigen Erhebung der Rundfunkgebühren hat
ihre Begründung in den technischen Gegebenheiten. Wenn man ein Radio oder TV
besitzt, dann könnte man Dummfunk empfangen, ohne daß es
der 'Leistungs'erbringer kontrollieren und folglich auch keine Rechnung
erstellen kann. Also hat man lebenspraktisch entschieden, die Gebührenpflicht
am Besitz eines "empfangsbereiten Rundfunkempfängers" festzumachen (ich
gestehe gerne zu, daß man die Eigenschaft der Empfangsbereitschaft streichen
könnte, um die Verwaltung zu vereinfachen UND der Schnüffelei der GEZ ein
Ende zu bereiten). Mit den neuen Verbreitungswegen über Kabel und Internet
entfällt die Notwendigkeit, das Prinzip der Nutzungsabhängigkeit von Gebühren
massiv zu verletzen und den Bürger "verdachtsunabhängig" abzukassieren.
Griesu, Dir als Ingenieur und iPad-Nutzer muß ich ja nicht erklären, wie
Gebührenmodelle für Rundfunk in IT-Umgebungen _gerecht_ gestaltet werden
könnten.
Meines Erachtens ist es ganz einfach: Wer ein (unidirektionales)
Empfangsgerät
besitzt, ist (aus technischen Gründen) weiterhin in der Pflicht Gebühren zu
entrichten. Erfolgt der Zugang zu den Inhalten der öffentlich-rechtlichen
Volksverdummung über bidirektionale Kanäle, so ist eine nutzungsabhängige
Gebührenerhebung gar kein Problem. Bei letzerem steht es den Anstalten ja
auch frei, Tarife nach dem flatrate-Modell anzubieten. (Für den politisch
wachen Bürger - also z.b. dem Piraten - hätte das dann noch den Vorteil, daß
er nicht für 1000 Sendungen Mutantenstadl, 500 mal Anne Will und so weiter
zahlen müsste, um dann innerhalb von 5 Jahren einmal eine einzige, gut
recherchierte Reportage sehen zu können. Bei der Reportage könnte er dann ja
per 'flatr-button' noch eine freiwillige Prämie/Spende auf die ohnehin
fälligen, beitragsabhängigen Gebühren drauf legen.)

Ich besitze seit über 25 Jahren keinen Fernseher mehr und das Radio habe ich
in der ersten Hälfte der neunziger Jahre für mich auch ausgeschalten (ein
Gerät besitze ich auch schon lange nicht mehr). Es geht mir hier in der
Debatte nicht nur um mein persönliches Empfinden, daß diese Dauerberieselung
hirnzerfetzend und darum zu vermeiden ist. (Zum "Konsum" von 'Information'
aus push-Medien sage ich als ausgiebiger Nutzer von pull-Quellen mal gar
nichts...)
Viel wichtiger ist der Umstand, daß ich nach vielem Studieren, langer
Beobachtung und eigener Erfahrung zu der Meinung gekommen bin, daß der
real-existierende, öffentlich-rechtliche Rundfunk für unser Gemeinwesen und
seine Verfasstheit eine große Gefahr darstellt (über den
privatwirtschaftlichen Verdummungsfunk brauchen wir hier gar nicht zu
streiten). Der Schaden, der in unserer Demokratie durch die Anstalten
angerichtet wird (vgl. z.B. Wahlergebnisse), ist um ein vielfaches größer,
als der Nutzen von den wenigen, handwerklich sauber gemachten,
journalistischen Leistungen. Ich bin einfach nicht bereit und willens diese
Demontage der Demokratie finanziell zu unterstützen (auch nicht fiktiv, da
bei mir Befreiungsgründe greifen und auch weiterhin greifen würden). Diese,
meine Meinung genießt den Grundrechtsschutz - zumindest in der Theorie. Die
Zwangsabgabe auf Volksverdummung kann das nicht für sich in Anspruch nehmen -
ohne Verfassungsänderung auch zukünftig nicht.

(Aus dieser Grundhaltung heraus kann man dann auch problemlos meine Haltung
zu
einer ÖPNV-Zwangsabgabe ableiten, obwohl diese meinem geliebten
Schienenverkehr sicherlich einen gewaltigen Schub verpassen würde. Und eines
ist ganz anders beim ÖPNV: Die Form der genutzten und finanzierten Mobilität
hat keinen direkt-manipulativen Einfluß auf demokratische und politische
Prozesse...)

Piraten, denkt bitte noch mal darüber nach, was persönliche Freiheit auch in
praktischen Lebenszusammenhängen bedeutet.

Entschuldigt bitte das lange "Wort zum Sonntag".
Gruß Arnim


*In ländlichen Gebieten ist es gar nicht selten, daß man noch "eine Grube"
auf
dem Grundstück hat, statt an die Kanalisation angeschloßen zu sein,
Kanalgebühren werden also nicht fällig. Und ja, die Bau- und Klärwerksmafia
hat es geschafft das systemfremde Instrument des Anschlußzwangs zu
etablieren, um monetäre Zwangsabhängigkeiten zu schaffen, was eine andere
Form der Erlaubnis des Gelddruckens für die Gebühreneinnehmer ist.

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