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ag-meinungsfindungstool - Re: [Ag Meinungsfindungstool] 11.06.2012 Mumble Treffen Kernfunktionen Anforderungsanalyse

ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

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Re: [Ag Meinungsfindungstool] 11.06.2012 Mumble Treffen Kernfunktionen Anforderungsanalyse


Chronologisch Thread 
  • From: Slash <pirate_slash AT yahoo.com>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag Meinungsfindungstool] 11.06.2012 Mumble Treffen Kernfunktionen Anforderungsanalyse
  • Date: Sat, 16 Jun 2012 18:46:47 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Ich möcht' mal meine kritischen Gedanken zum besagten Treffen kund tun:

*1. Ich sehe relativ wenig Nutzen im sehr aufwändig gestalteten Prozess für das Definieren von Begriffen.*

Das liegt hauptsächlich daran, weil die Maßgabe für Begriffe nicht von uns
ausgeht, wie wir es uns schön zurecht legen, sondern vom Benutzer, der
die Begriffe so auffasst, wie er sie kennt.
Kein Nutzer studiert erst mal, was unter "Diskurs" und "Diskussion" zu
verstehen ist; er verwendet sie einfach so, wie er sie aus dem Alltag kennt
(bzw. nicht kennt).
Wenn der Begriffe-foo für den Entwicklungsprozess notwendig ist, bitte;
dann machen wir's halt so; dann ist das wirklich okay so.
Wir sollten uns allerdings von der Vorstellung verabschieden, dass jene
Begriffsdefinitionen im praktischen Gebrauch des Endprodukts fortbestehen
werden oder Nutzer gar dazu genötigt werden können.

*2. Der Kern der Sache wird nicht ausführlich genug gehandhabt.*

Absurderweise ließen wir bei der Frage nach den harten Funktionen -
also dem Gag an der Sache; dem unique selling point; dem, was das
Endprodukt von LQFB unterscheidet - die Gründlichkeit vermissen, die
wir bei dem Begriffe-foo zu Tage blicken ließen.
Vielleicht lag' das daran, dass dieses Thema im Rahmen der Iteration noch
nicht dran ist, aber wenn ich mir so den Titel des Treffen anschau...
"Kernfunktionen..." dann kann's das eigentlich nicht sein; dann müsste
genau jetzt der Zeitpunkt sein, um sich ausführlich über harte Funktionen
auszulassen...
aber alles was da kam, waren flapsig-lapidare Einwürfe, à la
"bla bla bla... das kann man ja mit 'nem Bewertungssystem für Beiträge
machen... bla bla bla", obwohl man alleine über den Gesichtspunkt
"Bewertungssystem für Beiträge" schon einen ganzen Abend lang
diskutieren kann.
Was soll bewertet werden ?
Thematische Relevanz ?
Zustimmung bzw. Ablehnung ?
Gewichtigkeit ?
Korrektheit ?
Nur mal um ein paar Denkanstöße zu geben...
Nicht nur die Tiefe, sondern auch die Bandbreite an Diskurs-optimierenden
Funktionen, die zur Sprache kam, war recht dürftig... ein Bewertungssystem
für Beiträge ist bei Weitem nicht alles, was man tun kann, um Diskurse zu
optimieren... (wär' ja traurig, wenn's so wär' ...)
*
3. Diskussions-Aufsplittungen muss fundamental entgegen gewirkt werden.
*
Wo kommt die bessere Verfassung bei raus:
Wenn 600 Abgeordnete sich zusammen setzen, um eine Verfassung
auszuarbeiten, oder wenn 82.000.000 Menschen dies tun ?
Die Antwort dürfte klar sein. Deshalb ist das Aufsplitten einer Diskussion
aus Sicht von Schwarmintelligenz als herber Verlust einzustufen, der
unbedingt vermieden werden sollte.
Bei Kampfabstimmungen bleibt immer mindestens eine Interessensgruppe
auf der Strecke, und das ist nichts, was man in Kauf nehmen sollte, wenn
man versucht, einen Diskurs zu optimieren.
Auch an der Stelle wäre ausgiebigere Diskussion bei besagtem Treffen
wünschenswert gewesen, weil das doch eine sehr wichtige Grundsatz-
Entscheidung für das Tool ist.
Warum kommt es innerhalb einer Diskussions-Gruppe zu einer Spaltung ?
Aus einer unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheit; beim Treffen
hieß es, dass man schnell an einen Punkt gerät, an dem Positionierung
zur Glaubensfrage wird.
Aber verhält es sich nicht ganz anders ? Verhält es sich nicht eher so,
dass Meinungsverschiedenheiten aus unterschiedlichen Informationslagen
entstehen ? Ich denke schon.

Ein Beispiel:
Häufig kommt es bei Urheberrechts-Diskussionen vor, dass Urheber Piraten
als Feinde wahrnehmen. Wenn sie allerdings die Fülle an freizügigen
Geschäftsmodellen aufgezeigt bekommen, die aufzeigen, dass die
Diskussion mehr eines Vermarktungs- als Rechtsfrage ist, dann sagen
sie verdutzt "oh" und sehen die Sache auf einmal ganz anders.

Stellt euch vor, statt des ausgiebigeren Austausches an Informationen
hätte es einen Aufbruch in 2 Lager gegeben, die von diesem Zeitpunkt an
allein ihr Süppchen brühen; dann hätte die eine Gruppe niemals ihre
Informationsgrundlage korrigiert bekommen - das wär' doch schrecklich !

Auch Funktional ist dies kritisch zu sehen:
Ich hab' im Entwuf multifunktionaler Architektur die Erfahrung gemacht,
dass am Ende nichts Halbes und nichts Ganzes bei rauskommt, wenn
man versucht, in einem Produkt 2 widersprüchliche Funktionen zu
vereinen; und genau das liegt ja hier auch vor, wenn man Aufspalt-Optionen
bei einem Meinungsbildungs-Tool einrichtet.
Insofern geh' ich davon aus, das bei so einer Vereinigung dann weder
das gemeinsame Diskustieren, noch das getrennte Arbeiten unter
Gleichgesinnten im Rahmen des Tools sondernderlich toll funktionieren würde...

Außerdem geht mit dem Umschwenk in den Kampfabstimmungs-Modus
noch etwas einen Irrweg:

Sobald nicht mehr alle bemüht sind, an einem Strang zu ziehen, sondern
2 Lager sich bekämpfen, geht's nicht mehr um die Suche nach Wahrheit,
sondern darum, zu gewinnen !
Die Auseinandersetzung wird irrational; man dichtet sich die Welt rund,
und genau das ist es doch, wogegen sich ein diskurs-optimierendes
Tool entgegenstellt !

Bevor man sich aufsplittet, sollte man also sicher stellen, dass beide
sich abzeichnenden Seiten bei ihrer Meinungsbildung von exakt
dem gleichen Informations- bzw. Erfahrungshorizont ausgehen,
und Meinungsverschiedenheiten eher als Anlass zu nehmen,
die Informationsgrundlage gründlicher auszudiskutieren, anstatt
sich freimütig zu trennen, als sei die andere Seite schlicht zu doof
eine "vernünftige" Meinung aus der Informationslage zu bilden.

Eine Diskussion hat einen Sinn:
Die Informationslage in Gemeinschaft kritisch zu reflektieren - welches
Argument macht Sinn ? Welches nicht ? Was ist das gewichtigste Argument ? Etc.
Wenn dieser Prozess perfekt durchgeführt ist, dann gibt es nur eine Meinung. *provozier*

*4. Keine Angst vor formalen Eingriffen in den Diskurs !*

Ich hatte den Eindruck, dass eine Scheu vorlag, den Diskurs formal
zu gestalten - da war dann häufig von "Korsett" die Rede -, aber
Leute: Wenn jemandem das Tool nicht passt, dann soll er's halt nicht
verwenden.
Man kann's nicht allen Recht machen und das Tool fährt erst dann seine
Stärken aus, wenn die formalen Regeln in's Spiel kommen, die beispielsweise
Trollerei unterbinden oder den Einstieg in's Thema erleichtern, oder
die Wertung der Informationslage harmonisiert und erleichtert, oder
die Diskussion on-topic hält, etc. und deshalb muss man auch genau auf
genau diese Karte setzen.
'ne Konsens-Box über der Diskussion, oder eine Zeichenbeschränkung
für Beiträge macht das System nicht so abgedreht komplex, dass die
Einstiegshürde jeden Laien überfordert.

*5. Ich hab' die Sorge, dass das Endprodukt fürchterlich kompliziert sein wird.
*
Niederschwelligkeit muss ein zentrales Anliegen in der Entwicklung sein,
wenn das Endprodukt mit einer Fülle an unendlichen Möglichkeiten und
Ausgestaltungs-Optionen aufwartet, die aber nur 3 % der User blicken,
dann ist damit niemandem geholfen.

Insgesamt empfand' ich das Treffen aber als sehr angenehm; menschlich
sowieso.

Viele Grüße,
/ aka Oliver




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