[Ag Meinungsfindungstool] Deutsch reden - Meinungen strukturieren

[WSchallehn <WSchallehn AT news.piratenpartei.de>]

Hallo Toolsucher,
zweifellos ist eine gemeinsame Sprache wichtig, wenn man ein gemeinsames 
Ziel hat. Es tut schon weh, wieviel Energie hier kontraproduktiv verloren 
wird. Deshalb nun ein Versuch, der hoffentlich mehr hilft als stört...

Manchmal braucht man Fachbegriffe und Übersetzer.
Aber Urbegriffe sollten keinesfalls umgedeutet werden.
Das betrifft hier exemplarisch "finden - bilden - entscheiden".

*"finden" bedeutet, dass man etwas hat, was man vorher nicht hatte.*
Man kann das Gefundene gesucht haben (Pilze) oder auch nicht (fremde 
Brieftasche) - es war jedenfalls schon vorhanden.
Auf keinen Fall sagt "finden" etwas über das verändern oder verwenden 
des Gefundenen!
Umfragen sind ein Beispiel für das "finden" von Meinungen.
Denn Umfragen verändern für sich gesehen nichts.

"bilden" ist nur deshalb problematisch, weil mit Bildung und Bild 
unterschiedlich verknüpft. Und "Bildung" ist mal der Prozess, mal das 
Ergebnis... jedoch:
*"bilden" bedeutet immer, dass man etwas schafft, was so nicht vorhanden 
war.*
Das heißt wohl immer, dass "bilden" das verändern eines Objektes mit 
Richtung auf einen gewissen Zielzustand meint. (Gibt es etwa ein 
"zielloses bilden"??)
"Meinungsbildung" ist so gesehen ein Prozess, in welchem Meinungen 
"gebildet" werden, die zuvor so nicht vorhanden waren.
*
"entscheiden" bedeutet immer, das man eine willentliche Auswahl trifft.*
Diese Auswahl kann Personen, Tools, Standpunkte ... betreffen.
Die zur Entscheidung stehenden Alternativen werden normalerweise irgendwie 
"gebildet", sie können aber auch "gefunden" werden (z.B. Kandidaten für 
eine Wahl).

Für das Zusammenspiel von finden+bilden+entscheiden können (müssen?!) 
in jeder konkreten Situation "Spielregeln" vereinbart werden,z.B.:

* Wird vor einer Personenwahl vereinbart, dass das Ergebnis der Umfrage(!) 
unmittelbar gültig sein soll, so haben wir den Spezialfall "Findung = 
Entscheidung".

* Ist vereinbart, dass ein Parteiprogramm zunächst ausgearbeitet und 
sodann auf dem Parteitag beschlossen werden soll, so haben wir eine klare 
Trennung von "Bildung" und "Entscheidung".

Komplexere Situationen erfordern komplexere Spielregeln. Für Ingenieure 
alle Fachgebiete ist selbstverständlich, dass man einigermaßen relevante 
Objekte nur "bilden" kann, indem in Zyklen das "bilden"(von Entwürfen) 
und "entscheiden" (z.B. go - nogo) mehrfach durchlaufen wird. Und auch das 
"finden" von Teillösungen kann vorkommen...

Zu "Tools betreffs Meinungen" kann man
* als Vorbild geeignete Tools "finden",

* einen Kriterienkatalog für die Auswahl der näher zu analysierenden 
Tools "bilden",

* einen Katalog der vom Produkt geforderten Funktionalitäten "bilden",

* für jede Funktionalität entscheiden, ob sie "gefunden" werden kann 
oder "gebildet" werden muss,

* einen Plan für die Realisierung des Produktes "bilden" ... und so 
weiter.

Damit sind aber noch viele Fragen offen. Mehrfach wurde vorgeschlagen, 
viele verschiedene Tools einzusetzen oder auch zu entwickeln. Ich kann da 
nur an die Office- und die Projektmanagement-Software erinnern. Auf beiden 
Gebieten gibt es hunderte Realisierungen, die in allen 
Grundfunktionalitäten völlig übereinstimmen. Mittlerweile gibt es auf 
beiden Gebieten kompatibilitätssichernde Metadaten-Standards.

Das ist freilich erst Ergebnis eines jahrzehntelangen 
Entwicklungsprozesses. Dessen Wesen bestand darin, dass im Laufe der Zeit 
immer neue Grundfunktionalitäten hinzu kamen. Daraus folgte die 
Entwicklung stark strukturierter Datenmodelle - auch und gerade für die 
"Metadaten". Naturgemäß(!) ist heute das Hauptproblem zu antizipieren, 
ob denn die heute "findbaren" Funktionalitäten schon für die künftigen 
Anforderungen ausreichen.

Dazu nun meine, leider noch nicht verifizierbare Meinung. Wie schon 
mehrfach dargestellt, halte ich eine starke Strukturierung der Meinungen 
für unverzichtbar:
* herausstellen der Kernaussagen,

* den Kernaussagen zugeordnete, aber klar abgesetzte Kontexte,

* Bewertung jeder Kernaussage durch alle Teilnehmer, vorzugsweise auf 
5-wertiger Likertskala,

* Diskussionsthread zu jeder einzelnen Kernaussage,

* transparente Moderation der Kernaussagen, usw.

Mit einem solchen flexiblen Modell können unterschiedliche Aufgaben 
(finden - bilden - entscheiden) für unterschiedliche Größenordnungen 
(z.B. Projektteam - Parteitag - Wählerschaft) durch Setzen weniger 
Optionen bewältigt werden.

Dabei spielt die prägnante Formulierung der Kernaussagen eine 
entscheidende Rolle. Selbstverständlich müssen die Kernaussagen für 
große Teinehmerkreise allgemeinverständlich sein. Bei Projektteams 
werden sie nicht ohne Fachbegriffe auskommen. Ein hilfreiches Glossar ist 
immer gut.