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ag-landwirtschaft - Re: [Ag-landwirtschaft] Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln schützen Gewässer nicht ausreichend

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Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft

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Re: [Ag-landwirtschaft] Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln schützen Gewässer nicht ausreichend


Chronologisch Thread 
  • From: Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>
  • To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln schützen Gewässer nicht ausreichend
  • Date: Thu, 9 Aug 2012 16:06:06 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
  • List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>

Ich denke, man sollte in der Tat, wie es der Artikel der TAZ auch anmahnt, erstmal neutral erfasste Werte über den tatsächlichen Verschmutzungsgrad der Gewässer haben. Bevor man zu schnell urteilt.

Dieses "ein bisschen mehr kann dann ja nicht schaden", was die Aufwandmengen angeht, halte ich aber, gelinde gesagt, für Schwachsinn. Natürlich schadet jedes bisschen "mehr" immer auch das, was man eigentlich schützen will. Mit Pflanzenschutzmitteln. 

Ich kenne keinen Landwirt, der die jeweils empfohlenen Aufwandmengen einhält. Es wird in der Praxis deutlich unterdosiert. Wobei ich mir speziell zu Insektiziden kein Urteil anmaße. Derlei Mittel sind auf meinem Betrieb seit mindestens 50 Jahren nicht ein einziges Mal zum Einsatz gekommen. Und auch auf Nachbarbetrieben, die Raps angebaut hatten (Rapsglanzkäfer) wurden immer gewisse Verluste in Kauf genommen, bevor zu Insektiziden gegriffen wurde. Da liegt die Hemmschwelle schon recht hoch.

Andererseits habe ich aus bayerischen Gefilden schon zu Ohren bekommen, dass dort per Zwangsverordnung die Lohnunternehmer herumfahren und entsprechende Mittel z.B. gegen den Maiszünsler rein vorsorglich ausbringen. Dort soll wohl auch mit der "groben Kelle" umgegangen worden sein. Lohnunternehmer stellen natürlich in Rechnung was sie aufwenden und werden nicht wieder beauftragt, wenn kein Erfolg zu sehen ist. Vielleicht keine so gute Konstellation was die Menge der ausgebrachten Mittel angeht.

Recht geben muss ich auch Wolfgang, was Wechselwirkungen einzelner Wirkstoffe angeht. Gut möglich, dass sich Zulassungsverfahren nur auf einzelne Wirkstoffe begründen, in Wechselwirkungen aber vielleicht mit anderen Ergebnissen zu rechnen wäre. Da müsste man sich mal anschauen, wie die Zulassungsverfahren tatsächlich funktionieren. Doch selbst wenn man diese Zulassungsverfahren ändern würde, bisher gilt immer noch, ein Mittel, dass einmal zugelassen wurde, wird so schnell nicht wieder geprüft. Vielleicht auch ein Umstand, den man angehen sollte? Etwa in Richtung Führerschein in einigen Ländern? Also z.B. alle 5 Jahre neue Prüfung nach aktuellen Kriterien?

An Gewässerrändern einen "breiteren Streifen" von der landwirtschaftlichen Nutzung ausnehmen zu wollen halte ich für utopisch. Landwirtschaftliche Nutzfläche ist nicht vermehrbar, an den steigenden Pachtpreisen sieht man bereits jetzt einen ausufernden Wettbewerb
um Flächen, kein Landwirt wird sich freiwillig quasi enteignen lassen und auf entsprechende Nutzung mit verbundenen Gewinnen verzichten. So etwas geht nur mit entsprechend hohen Entschädigungsleistungen seitens des Staates oder der Umweltschutzprogramme. Und selbst dann nicht flächendeckend an allen Gewässerrändern, da z.B. hier im Norden sehr viele Gewässer zwischen einzelnen Parzellen liegen, wodurch je nach Ansatz der Breite solcher geschützten Randstreifen regional nicht ein einziger zur landwirtschaftlichen Nutzung zugelassener Quadratmeter übrig bleiben würde. Nur ganz grob geschätzt könnte bei einer Randstreifenbreite von 15-20m (die mal diskutiert wurden) ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes Schleswig-Holstein wegfallen, je nach dem, was als Gewässer deklariert wird. Solch eine Umsetzung ist schlicht und ergreifend utopisch.

Nebenbei gibt es ja auch ausführliche Bestimmungen, welche Mittel unter welchen Bedingungen mit welcher Technik bis zu welchem Abstand zu Gewässern angewendet werden dürfen. Deren Einhaltung wird auch sporadisch von amtlicher Stelle überprüft, inclusive angedrohter Strafen, sie so empfindlich sind, dass sich kein normaler Landwirt einen Verstoss gegen diese Anwendungsauflagen leisten könnte.

Ich denke, unsere "Hauptangriffsziele" sollten vorerst entsprechend belastbare Daten zur tatsächlichen Gewässerverunreinigung sowie die Zulassungsverfahren, auch und gerade in Hinblick auf Wechselwirkungen der verwendeten Wirkstoffe, sein. 

Gruß, Detmar


Am 09.08.2012 um 14:40 schrieb Ingo Bläser:

Hallo Wolfgang,

gerne! Stimmt was du sagst, aber anscheinend kommt zur "ganz normalen Trickserei" und möglicher falscher Dosierung noch hinzu, dass man bei der Festlegung dieser Zulassungsverfahren von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht. Offenbar wird immer nur EIN Wirkstoff, nämlich der zu testende, berücksichtigt. Dabei sind Organismen in der Natur mittlerweile einem ganzen Mix von Wirkstoffen ausgesetzt, die miteinander wechselwirken, wodurch der schädliche Einfluss auf das Gewässer (bzw. die darin befindlichen Organismen) nochmals deutlich verstärkt wird. Hinzu kommt, dass im Gewässer nicht immer Eitel-Sonnenschein ist, sondern diese bereits "gestresst" sind, durch Hochwasser, Trockenheit u. Mangel an Knicks (Trittsteinbiotopen), so dass sie längst nicht so belastbar sind wie angenommen.

Ich vermute ja, das dieser Fehler in der Bewertung der Fakten bei den Zulassungsverfahren längst nicht nur auf Pflanzenschutzmittel zutrifft, sondern auf alle möglichen Substanzen die ausgebracht werden.

Abgesehen davon, dass unsere Forderung nach breiteren Biotopstreifen zwischen Feldern u. Gewässern dadurch umso sinnvoller ist (und auch von den Autoren der Studie empfohlen werden), sollten wir die gültigen Berechnungsmodelle für die die Zulassungsverfahren von Insektenschutzmitteln explizit in Frage stellen und darüber hinaus eine Neuberechnung fordern, welche die Wechselwirkungen der Stoffe und die weiteren Umweltfaktoren berücksichtigt. Allerdings wird dies kaum ohne weitere Forschung möglich sein.
Und ansonsten setzen wir uns ja ohnehin für eine Landwirtschaft ein, die mit weniger "Gift" auskommt.

Viele Grüße
Ingo


Wenn ich mich nicht irre hatten wir ja schon mal gefordert an Gewässerrändern einen breiteren Streifen von der landwirtschaftlichen Nutzung auszunehmen.

Da die Chemieindustrie sehr daran interessiert ist ihr Giftzeugs zu verkaufen unterstelle ich mal dass die tatsächlichen Werte von den vorausberechneten deshalb so stark abweichen weil die Industrie bei den Zulassungsverfahren trickst und die Werte künstlich runter rechnet.

Das die Landwirte zu hohe Mengen spritzen mag teilweise der Fall sein. Allein aus Kostengründen gehe ich aber mal davon aus das sich jeder Landwirt schon überlegt welche Menge sinnvoll ist. O. K., ein bisschen mehr kann dann ja nicht schaden. ;-)))

Aber wesentliche Überschreitungen dürften m. A. darauf zurückzuführen sein das die Chemieindustrie die Gefährlichkeit ihrer Mittelchen verschleiert.

 

LG

 

Wolfgang

 


Von: ag-landwirtschaft-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:ag-landwirtschaft-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von Ingo Bläser
Gesendet: Donnerstag, 9. August 2012 13:51
An: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: [Ag-landwirtschaft] Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln schützen Gewässer nicht ausreichend

 

Hallo allerseits,

 

das habe ich heute in der Presse gefunden...

 

 

Viele Grüße

Ingo


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Ag-landwirtschaft mailing list
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https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-landwirtschaft


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