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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4


Chronologisch Thread 
  • From: kp <info AT pater.net>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4
  • Date: Tue, 10 Apr 2012 13:43:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>



Am 10.04.2012 13:09, schrieb Thomas Luft: Hallo,

diese Problematik habe ich damals schon errechnet und mich gewundert, dass die Krankenkassen das mitmachen. Eines kann ich Dir versichern: der Rechenweg ist korrekt. Allerdings ist der von Dir erwähnte Artikel mit dieser Pharmazentralnummer (PZN) nicht zuzahlungsbefreit, deshalb habe ich mal mit einem anderen Artikel gerechnet, der ebenfalls häufig verordnet wird: Pantoprazol Heumann 20 mg 100 Stück, PZN 5860339. Hier lautet die Rechnung wie folgt:
ja, sorry (falsche Tabellenzeile kopiert :'( ), andere Beispiele sind verfügbar (reichlich), z.B. (hoffentlich jetzt richtig 8-) )

6899214 CAPTOPRIL AL 25 50 11,4 11,88 -0,48
=4%
6883354 CAPTOPRIL 25 HEUMANN 100 12,09 12,9 -0,81
=6,3%
Frage mich nur, weshalb mein erstes Beispiel nicht zuzahlungsfrei ist. Es erfüllt doch ApU(=1,04) < (FB-30%) locker...
OK, Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann...
Aber nach welchen Kriterien? Er muss also nicht, aber wenn, sollte es doch den Vorgaben genügen.


Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmer, ApU (früher Herstellerabgabepreis, HAP): 8,59 Euro
Apothekeneinkaufspreis, AEK: 9,56 Euro
Apothekenverkaufspreis, AVP: 21,36 Euro
Festbetrag: 43,17 Euro

Hier geht die Rechnung also auf, da die Ersparnis bei ca. 50% gerechnet auf den AVP liegt.
Dem Gesetzt nach sollte aber für ALLE Beispiele gelten: Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind.

Ich finde den Satz eigentlich eindeutig: WENN HIERAUS EINSPARUNGEN ZU ERWARTEN SIND.


Die Grenze für die Zuzahlungsbefreiung liegt bei einem AVP von ungefähr 35 Euro. Ab diesem Betrag sind die Pantoprazole wieder zuzahlungspflichtig.

Warum man aber diese umständliche Rechnerei vom ApU macht und nicht vom Endpreis (AVP), habe ich noch nie verstanden.

Sonderfälle was Zuzahlungen angeht sind dann auch noch die Hausarzt-Verträge, bei denen Medikamente teilweise komplett zuzahlungsfrei sein, obwohl sie nicht 30% unter dem Festbetrag liegen.
Ja, dass ist schon klar. Ich wollte aber den Fokus explizit auf eine nachvollziehbare Fehlinterpretation lenken... Es ging mir jetzt nicht um die Leiden der Apotheken, die ich zur Genüge kenne.


Ich wäre froh, wenn wir die ganzen Sonderregelungen was Rabattverträge, Importquote usw. abschaffen und gegen ein sinnvolles System (z.B. nur noch Festbeträge) ersetzen würden.
Keine Einwände. Ganz meine Meinung.

Grüße

Thomas aka Luto


Am 10. April 2012 12:36 schrieb kp <info AT pater.net>:
Moin,

Thema: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4
Ich hoffe, dass das jetzt nicht zu kompliziert wird, aber... einen Versuch ist es wert ;-)

Warum weise ich auf dieses Fragment eines Gesetzes hin? Weil es meiner Meinung nach ein Musterbeispiel für schräge Politik ist.

Also: Diese Regelung wurde seinerzeit mit großem medialen Trara der Öffentlichkeit präsentiert.

Darstellung in den Medien:
Tenor:
"Liegt der Preis eines Medikaments mindestens 30% unter dem Festbetrag, ... wird keine Zuzahlung für den Patienten fällig"

(1) http://www.bundesgesundheitsministerium.de/glossarbegriffe/z/zuzahlungsbefreiungen.html
"Wie Zuzahlungsbefreiungsgrenzen festgelegt werden, ist durch Gesetz vorgegeben. Zuzahlungsbefreiungen sind möglich für Festbetrags-Arzneimittel. Ein Arzneimittel muss mindestens 30 % preisgünstiger als der Festbetrag sein. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Zuzahlungsbefreiung Einsparungen für die Beitragszahler erreicht werden. Der Preisvorteil von zuzahlungsbefreiten Arzneimitteln muss deshalb zumindest so groß sein, wie die Zuzahlungen im Durchschnitt für die verschiedenen Packungsgrößen und Wirkstärken des jeweiligen Wirkstoffs, sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen. "

(2) http://medicalobserver.com/politik/2012012582/aenderungen-bei-arzneimittel-zuzahlungsbefreiung-ab-2012
"In Deutschland ist ein Fünftel der mit einem Festbetrag belegten rund 32.300 Arzneimittel von Zuzahlungen befreit. Das bedeutetet insgesamt mehr als 6.200 zuzahlungsfreie Medikamente. Nur Medikamente, deren Preis 30 Prozent unter dem Festpreis liegt, werden als zuzahlungsfrei eingestuft. "

(3) http://www.focus.de/finanzen/versicherungen/krankenversicherung/kassenpatienten-zuzahlung-bei-medikamenten-wird-immer-teurer_aid_598743.html
"Es gibt aber auch eine lange Liste von Medikamenten, bei denen die Patienten nichts dazu zahlen müssen. Denn der Obolus kann entfallen, wenn der Preis eines Arzneimittels 30 Prozent unter dem Betrag liegt, den die Kassen für das Mittel zahlen."

(4) http://www.stern.de/gesundheit/zuzahlungen-fuer-medikamente-viele-arzneien-werden-teurer-1599379.html
"Zuzahlungsbefreit sind Arzneimittel immer dann, wenn sie besonders günstig sind. Dafür müssen sie 30 Prozent unter dem sogenannten Festbetrag liegen, also dem Betrag, den die Kassen maximal für ein Medikament zahlen."

http://www.mycare.de/pages/cmsPopupPage.jsf?cmsid=zuzahlungsfrei
http://www.curado.de/krebs-allgemein/Zuzahlungsfreie-Medikamente-2647/

... und ich habe bis heute noch keine Darstellung gefunden, die korrekt wiedergibt, was eigentlich wirklich passiert.

Zugrunde liegende, ursprüngliche Version des Gesetzestexts:
http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/31.html
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann durch Beschluss nach § 213 Abs. 2 Arzneimittel, deren Apothekeneinkaufspreis einschließlich Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind."

Aktuelle Version des Gesetzestexts:
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__31.html
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind."

Die ursprüngliche Version war schon richtig schlecht.
Zur neuen Variante gibt es vermutlich auch eine lustige Geschichte.

Ausschlaggebend ist hier die Begriffsverwirrung um die "Preis"-Begriffe.

Das Ganze ist es jetzt etwas kompliziert, die Grundrechenarten reichen aber zur Lösung des Problems aus. Probleme entstehen im Wesentlichen durch die verwendete Terminologie. Darum kurz vorab:

Preisbildung, allgemein, ohne Sonderfälle:
-> Hersteller-Abgabepreis = Großhandelseinkaufspreis
     -> (+AMPreisV §2) ... Großhandels-Abgabepreis = Apothekeneinkaufspreis
           -> (+AMPreisV §3) ... Apotheken-Abgabepreis = Endverbraucherpreis

Hersteller-Abgabepreis = Großhandels-Einkaufspreis
Großhandels-Abgabepreis = Apotheken-Einkaufspreis
Apotheken-Abgabepreis = Endkunden-Einkaufspreis

Nun ein konkretes Beispiel:
PZN Arzneimittelname Packungs
größe Preis Festbetrag 6899237 CAPTOPRIL AL 50 30 11,8 11,9
Wie kommt dieses Präparat dazu, zuzahlungsfrei zu sein??
Der Preis variiert doch nicht mal 1% zum Festbetrag?

Festbetrag           11,90 € Preis           11,80 € Differenz             0,10 € in Prozent 0,84%
Vergleicht man mit: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/glossarbegriffe/z/zuzahlungsbefreiungen.html
"Ein Arzneimittel muss mindestens 30 % preisgünstiger als der Festbetrag sein. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Zuzahlungsbefreiung Einsparungen für die Beitragszahler erreicht werden. Der Preisvorteil von zuzahlungsbefreiten Arzneimitteln muss deshalb zumindest so groß sein, wie die Zuzahlungen im Durchschnitt für die verschiedenen Packungsgrößen und Wirkstärken des jeweiligen Wirkstoffs, sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen. "

Was ist jetzt das Problem?
- die GKV müsste maximal den Festbetrag erstatten, also 11,90€
- der Patient müsste normal 5,00€ Eigenanteil tragen
- Brutto wäre der Aufwand der GKV also 11,90€-5,00€=6,90€
- die "Einsparung" zum Festbetrag beträgt 0,10€ = 0,84%
- die "Mehrkosten" aber 5,00€ (durch Verzicht der Zuzahlung)
- Nachteil der GKV: 4,90€ Verlust!!

Soviel zur Prämisse: sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen :: PASST NICHT

Der "Preis" liegt doch gar nicht 30% unter dem Festbetrag, huu, was ist los hier?
==> Begriffsverwirrung! Apothekeneinkaufspreis # Preis (Abgabepreis, Endkundenpreis)

Der Gesetzgeber hat wohl irrtümlich(?) den Begriff Apothekeneinkaufspreis mit Endkundenpreis verwechselt. Und weil er sich vielleicht nicht sicher war, den Zusatz: wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind angefügt, vermutlich damit eben die aktuelle Praxis nicht vorkommen sollte.

Hersteller-Abgabepreis ohne MwSt.
            1,04 €

 = Großhandels-Einkaufspreis

            1,04 €
 AMPreisV §2  +3,15%
            0,03 €

+ Fixum = 0,70€
            0,70 €
Großhandels-Abgabepreis ohne MwSt

            1,77 €
 = Apotheken-Einkaufspreis


            1,77 €  AMPreisV §3 +3%

            0,05 €
+ Fixum = 8,10€

            8,10 €
Zwischensumme

            9,92 €
+ MwSt = 19%

            1,88 € Apotheken-Abgabepreis, Preis



          11,80 €

Ist das irgendwie nachvollziehbar, was ich hier schreibe? :-[

Schätze mal, dass knapp 40% der zuzahlungsbefreiten AM hierdurch Mehrkosten produzieren, was ja ausdrücklich nicht sein sollte.

Weitere Quellen:
https://www.gkv-spitzenverband.de/Befreiungsliste_Arzneimittel_Versicherte.gkvnet
http://www.gesetze-im-internet.de/ampreisv/

Gruß
KPa

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