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ag-gesundheitswesen - [AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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[AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4


Chronologisch Thread 
  • From: kp <info AT pater.net>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-Gesundheit] Könnte geändert werden: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4
  • Date: Tue, 10 Apr 2012 12:36:42 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Moin,

Thema: SGB V § 31 Abs. 3 Satz 4
Ich hoffe, dass das jetzt nicht zu kompliziert wird, aber... einen Versuch ist es wert ;-)

Warum weise ich auf dieses Fragment eines Gesetzes hin? Weil es meiner Meinung nach ein Musterbeispiel für schräge Politik ist.

Also: Diese Regelung wurde seinerzeit mit großem medialen Trara der Öffentlichkeit präsentiert.

Darstellung in den Medien:
Tenor:
"Liegt der Preis eines Medikaments mindestens 30% unter dem Festbetrag, ... wird keine Zuzahlung für den Patienten fällig"

(1) http://www.bundesgesundheitsministerium.de/glossarbegriffe/z/zuzahlungsbefreiungen.html
"Wie Zuzahlungsbefreiungsgrenzen festgelegt werden, ist durch Gesetz vorgegeben. Zuzahlungsbefreiungen sind möglich für Festbetrags-Arzneimittel. Ein Arzneimittel muss mindestens 30 % preisgünstiger als der Festbetrag sein. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Zuzahlungsbefreiung Einsparungen für die Beitragszahler erreicht werden. Der Preisvorteil von zuzahlungsbefreiten Arzneimitteln muss deshalb zumindest so groß sein, wie die Zuzahlungen im Durchschnitt für die verschiedenen Packungsgrößen und Wirkstärken des jeweiligen Wirkstoffs, sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen. "

(2) http://medicalobserver.com/politik/2012012582/aenderungen-bei-arzneimittel-zuzahlungsbefreiung-ab-2012
"In Deutschland ist ein Fünftel der mit einem Festbetrag belegten rund 32.300 Arzneimittel von Zuzahlungen befreit. Das bedeutetet insgesamt mehr als 6.200 zuzahlungsfreie Medikamente. Nur Medikamente, deren Preis 30 Prozent unter dem Festpreis liegt, werden als zuzahlungsfrei eingestuft. "

(3) http://www.focus.de/finanzen/versicherungen/krankenversicherung/kassenpatienten-zuzahlung-bei-medikamenten-wird-immer-teurer_aid_598743.html
"Es gibt aber auch eine lange Liste von Medikamenten, bei denen die Patienten nichts dazu zahlen müssen. Denn der Obolus kann entfallen, wenn der Preis eines Arzneimittels 30 Prozent unter dem Betrag liegt, den die Kassen für das Mittel zahlen."

(4) http://www.stern.de/gesundheit/zuzahlungen-fuer-medikamente-viele-arzneien-werden-teurer-1599379.html
"Zuzahlungsbefreit sind Arzneimittel immer dann, wenn sie besonders günstig sind. Dafür müssen sie 30 Prozent unter dem sogenannten Festbetrag liegen, also dem Betrag, den die Kassen maximal für ein Medikament zahlen."

http://www.mycare.de/pages/cmsPopupPage.jsf?cmsid=zuzahlungsfrei
http://www.curado.de/krebs-allgemein/Zuzahlungsfreie-Medikamente-2647/

... und ich habe bis heute noch keine Darstellung gefunden, die korrekt wiedergibt, was eigentlich wirklich passiert.

Zugrunde liegende, ursprüngliche Version des Gesetzestexts:
http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/31.html
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann durch Beschluss nach § 213 Abs. 2 Arzneimittel, deren Apothekeneinkaufspreis einschließlich Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind."

Aktuelle Version des Gesetzestexts:
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__31.html
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind."

Die ursprüngliche Version war schon richtig schlecht.
Zur neuen Variante gibt es vermutlich auch eine lustige Geschichte.

Ausschlaggebend ist hier die Begriffsverwirrung um die "Preis"-Begriffe.

Das Ganze ist es jetzt etwas kompliziert, die Grundrechenarten reichen aber zur Lösung des Problems aus. Probleme entstehen im Wesentlichen durch die verwendete Terminologie. Darum kurz vorab:

Preisbildung, allgemein, ohne Sonderfälle:
-> Hersteller-Abgabepreis = Großhandelseinkaufspreis
     -> (+AMPreisV §2) ... Großhandels-Abgabepreis = Apothekeneinkaufspreis
           -> (+AMPreisV §3) ... Apotheken-Abgabepreis = Endverbraucherpreis

Hersteller-Abgabepreis = Großhandels-Einkaufspreis
Großhandels-Abgabepreis = Apotheken-Einkaufspreis
Apotheken-Abgabepreis = Endkunden-Einkaufspreis

Nun ein konkretes Beispiel:
PZN Arzneimittelname Packungs
größe Preis Festbetrag 6899237 CAPTOPRIL AL 50 30 11,8 11,9
Wie kommt dieses Präparat dazu, zuzahlungsfrei zu sein??
Der Preis variiert doch nicht mal 1% zum Festbetrag?

Festbetrag           11,90 € Preis           11,80 € Differenz             0,10 € in Prozent 0,84%
Vergleicht man mit: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/glossarbegriffe/z/zuzahlungsbefreiungen.html
"Ein Arzneimittel muss mindestens 30 % preisgünstiger als der Festbetrag sein. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Zuzahlungsbefreiung Einsparungen für die Beitragszahler erreicht werden. Der Preisvorteil von zuzahlungsbefreiten Arzneimitteln muss deshalb zumindest so groß sein, wie die Zuzahlungen im Durchschnitt für die verschiedenen Packungsgrößen und Wirkstärken des jeweiligen Wirkstoffs, sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen. "

Was ist jetzt das Problem?
- die GKV müsste maximal den Festbetrag erstatten, also 11,90€
- der Patient müsste normal 5,00€ Eigenanteil tragen
- Brutto wäre der Aufwand der GKV also 11,90€-5,00€=6,90€
- die "Einsparung" zum Festbetrag beträgt 0,10€ = 0,84%
- die "Mehrkosten" aber 5,00€ (durch Verzicht der Zuzahlung)
- Nachteil der GKV: 4,90€ Verlust!!

Soviel zur Prämisse: sodass den Beitragszahlern keine Mehrkosten entstehen :: PASST NICHT

Der "Preis" liegt doch gar nicht 30% unter dem Festbetrag, huu, was ist los hier?
==> Begriffsverwirrung! Apothekeneinkaufspreis # Preis (Abgabepreis, Endkundenpreis)

Der Gesetzgeber hat wohl irrtümlich(?) den Begriff Apothekeneinkaufspreis mit Endkundenpreis verwechselt. Und weil er sich vielleicht nicht sicher war, den Zusatz: wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind angefügt, vermutlich damit eben die aktuelle Praxis nicht vorkommen sollte.

Hersteller-Abgabepreis ohne MwSt.
            1,04 €

 = Großhandels-Einkaufspreis

            1,04 €
 AMPreisV §2  +3,15%
            0,03 €

+ Fixum = 0,70€
            0,70 €
Großhandels-Abgabepreis ohne MwSt

            1,77 €
 = Apotheken-Einkaufspreis


            1,77 €  AMPreisV §3 +3%

            0,05 €
+ Fixum = 8,10€

            8,10 €
Zwischensumme

            9,92 €
+ MwSt = 19%

            1,88 € Apotheken-Abgabepreis, Preis



          11,80 €

Ist das irgendwie nachvollziehbar, was ich hier schreibe? :-[

Schätze mal, dass knapp 40% der zuzahlungsbefreiten AM hierdurch Mehrkosten produzieren, was ja ausdrücklich nicht sein sollte.

Weitere Quellen:
https://www.gkv-spitzenverband.de/Befreiungsliste_Arzneimittel_Versicherte.gkvnet
http://www.gesetze-im-internet.de/ampreisv/

Gruß
KPa



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