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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Finanzierung des Gesundheitswesens bzw. der Krankenversicherung

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Finanzierung des Gesundheitswesens bzw. der Krankenversicherung


Chronologisch Thread 
  • From: "mb" <michaela_bach AT web.de>
  • To: "'AG Gesundheit'" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Finanzierung des Gesundheitswesens bzw. der Krankenversicherung
  • Date: Sat, 11 Feb 2012 11:13:31 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Es ist wohl ziemlich unstrittig, dass wir auf ein großes demografisches
Problem zusteuern, das auch durch eine höhere Produktivität nicht annähernd
ausgeglichen wird. Wenn wir nicht wollen, dass uns der Laden um die Ohren
fliegt (das wäre der Supergau) müssen wir dringend versuchen, zumindest die
Jüngeren nicht zu sehr zu belasten.


Ich stelle mir eigentlich vor, dass wir auf die vorgeschlagene Kapitaldeckung
in der Krankenversicherung verzichten, dafür jedoch von jüngeren Menschen
einen tieferen Beitrag erheben (entsprechend der geringeren
Krankheitswahrscheinlichkeit). Diese Entlastung könnte dann höhere
Belastungen in anderen Bereichen (z.B. Rentenbeitrag, Sozialversicherung usw)
teilweise ausgleichen.

Ich habe das schon mehrfach geschrieben: warum sollen junge (eher gesunde)
Menschen, ältere (eher kranke) Menschen subventionieren, die teilweise über
recht gute Einkünfte verfügen? Und gerade die geburtenstarken Jahrgänge, die
das ganze in erster Linie treffen würde, sind schließlich maßgebliche
Verursache der Problematik (die Generation hat Unmengen von Schulden
angehäuft, andererseits nicht genügend Kinder in die Welt gesetzt).

Was haltet Ihr von GKV-Beiträgen, die sich (teilweise) am altersbedingten
Krankheitsrisiko orientieren? (selbstverständlich mit Sozialausgleich)

Michaela




>
>
> Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
> > Es gibt keine sicheren Kapitalanlagen, und es hat sie auch noch nie
> > gegeben.
>
> Da setze ich jetzt mal ein DICKES: !
>
> > Die Bildung von Alterungsrückstellungen, also von Rückstellungen, die
> > dazu dienen, die mit zunehmendem Alter steigenden Krankheitskosten zu
> > finanzieren, funktioniert.
>
> Das klingt auch unheimlich logisch. Marktgesetzeskonform.
>
> Ich zweifle trotzdem. Ist die PKV vielleicht das grösste
> Schneeballsystem von allen ? (Unterstützt durch den durch das
> Wirtschaftwunder verstärkten Aufsättigungseffekt: am Anfang waren es
> wenige Mitglieder und geringe Kosten. Dann waren es viele Mitglieder und
> geringe Kosten.
> Heute sind es viele Mitglieder und hohe Kosten.) Die PKV kommt an Ihre
> Grenzen. Viele Mitglieder können die immer teureren Tarife nicht mehr
> bezahlen.
>
> > und des medizinischen Fortschritts - bei vertraglich garantierten
> > Leistungen, die nicht durch Gesetz jederzeit und einseitig gekürzt
> > oder gestrichen werden können.
>
> Stimmt so nicht. Die Leistungen der PKV sind kodifiziert in der GOÄ
> (Gebührenordnung für Ärzte). Verkürzt gesagt: Durch die PKV
> erstattungsfähig ist nur diejenige Leistung, die in der GOÄ ausgewiesen
> ist. Die GOÄ ist (nicht durch die ärztliche Selbstverwaltung bestimmt,
> sondern) ein Gesetz, das durch den Bundesrat beschlossen wird. Die
> letzte inhaltliche Änderung der GOÄ datiert auf das Jahr 1996. Das
> relativiert gleich beide Deine Aussagen:
> 1. Fortschritt: Der Fortschritt hat seit 1996 in der GOÄ keinen
> Niederschlag gefunden. Neuartige Leistungen erhielten also keine
> Abrechnungsziffer. Diese Leistungen müssen durch teilweise abstruse,
> sog.
> Analog-Ziffern abgerechnet werden. Ob diese Analog-Leistungen im
> Einzelfall erstattet werden, unterliegt einem undurchsichtigen
> Gemauschel der einzelnen Kasse, das Faktoren wie Charisma, Bekanntheit,
> Institution unterliegt. Nach GOÄ hat ein medizinischer Fortschritt nicht
> stattgefunden.
> 2. "Vertraglich garantierte Leistungen, die nicht durch Gesetz...": s.o.
> Die GOÄ ist ein Gesetz ! Warum? Und: Warum wurde die GOÄ seit 1995 nicht
> geändert ? Weil der Staat der grösste Empfänger=Zahler von GOÄ-
> Leistungen ist ! Alle seine Beamten erhalten vom Arzt eine
> Privatrechnung nach GOÄ. Eine Anpassung der GOÄ an die allgemeine
> Preissteigerung hätte zum ultimativen Kollaps der Staatsfinanzen
> geführt.
> Streng genommen, wurde die Vergütung für keine einzige privatärztiche
> Leistung an die Inflation / Anstieg der Lebenshaltungskosten angepasst.
> Privatärzte haben seit 1995 keine Lohnanpassung erhalten. (2001 wurde
> lediglich irgendwas für de Podologen=Fusspfleger und die EURO-Umrechnung
> (auf 5-Stellen hinter dem Komma) eingefügt). Die goldenen Zeiten für
> Ärzte sind also auch im KV Bereich vorbei. Trotzdem ist die GOÄ-
> Liquidation auch heute noch der Bringer für jede Arztpraxis. Die GKV-
> Scheine erwirtschaften lediglich die Kosten...
>
> Mehr zur GOÄ hier:
> http://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%BChrenordnung_f%C3%BCr_%C3%84rzte
> (Lesenswert !)
>
> > Das Umlageverfahren aus den 1880er Jahren fährt mit künftigen
> > Verhältnissen von einem Erwerbstätigen zu einem Rentner und dann sogar
> > von nur noch zwei Erwerbstätigen auf drei Rentner vor die Wand. Das
> > ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
>
> Das sehe ich nicht so skeptisch. Die Produktivität ist seit den 30er
> Jahren enorm gestiegen. Gleichzeitig haben sich die Lebens-Arbeitszeiten
> deutlich reduziert. (Frankreich hat -noch- die 35-Std-Woche).
> Offensichtlich können heute weniger Leute (jaja, ich weiss: Die CDU
> sagt:
> "Wir hatten noch nie so viele Erwerbstätige") in kürzerer Zeit einen
> höheren Wohlstand erzeugen. Wenn jetzt die Arbeit noch besser auf mehr
> Köpfe verteilt wird.. Und im Sozial-Bereich soviele Jobs entstehen, wie
> dort wirklich gebraucht werden... Und mehr für qualifizierte soziale
> Arbeit bezahlt wird... Dann stimmen Deine Zahlenverhältnisse garnicht...
>
> Ausserdem: Der Staat übernimmt soviel Daseinsvorsorge, dass wir heute in
> weiten Bereichen von einer Vollversorgung ohne existentielle Risiken
> sprechen können. (Ich weiss, jetzt kriege ich Dresche !)
>
> Sorry, Ironie: Hier kommt Hoffnung ins Spiel:
> > Das Kapitaldeckungsverfahren in Kombination mit dem Sozialausgleich
> > über das Steuersystem (und nur dort spielt das Einkommen eine Rolle)
> > kann die Situation nur verbessern. Es mag zwar sein, dass es keine
> > Nettoverzinsung von 9 und mehr Prozent mehr gibt, aber dass gar keine
> > Zinsen irgendwo auf der Welt mehr zu erwirtschaften sind, halte ich
> > für äußerst unwahrscheinlich.
> >
> > Es kann also nur besser werden.
>
> Ja, diese hohe Verzinsung erhältst Du derzeit beim Kauf von
> Staatsanleihen aus den PIG-Staaten. Sonst gibt es bei seriösen
> Geschäften wohl niemals solch hohe Zinsen. (Ausser man heisst:
> Zuckerberg, Page, Gates, Jobs o.ä.)
>
> > an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen.
>
> Bitte erkläre mir das einmal genauer. Welches Grundrecht wird da
> verletzt ?
>
> Vorab: Ich habe mehrfach reiche (privatversicherte) Menschen
> kennengelernt, die entsetzt waren über die Arbeitsbedingungen im
> Gesundheitswesen und die gerne viel Geld bezahlt hätten, wenn sie im
> Krankheitsfall (von Angehörigen) auf glückliche, enspannte, kompetente
> zeithabende Ärzte oder Pfleger gestossen wären.
>
> Wir wollen doch ein gerechtes System. Gerecht ist nicht, wenn jeder
> nominell den gleichen Betrag bezahlt. Gerecht ist, wenn der Betrag den
> jeder bezahlt, jedem "gleich weh" tut.
>
> Piratig-solidarische Grüße und ein schönes Wochenende
>
> Der Alex
> --
> AG-Gesundheitswesen mailing list
> AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen





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