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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ...

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ...


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ...
  • Date: Wed, 27 Jul 2011 10:16:52 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 26.07.2011 12:10, schrieb syna:
Drehtürmedizin ... was ist das eigentlich?

Jeder bemerkte wahrscheinlich schon, dass der Eingang von großen 
Kliniken
 
(allerdings auch von Einkaufszentren oder Kaufhäusern) durch Drehtüren 
ausgeführt ist. Diese sind die Metapher für die "Drehtürmedizin", die 
ich hier 
 
prägnant (Beispiel Prostatakrebs) beschreiben möchte: 

----------------------------------------------------------------------

Der gesetzlich Versicherte bemerkt Blut im Urin und geht zum Urologen. Es 

 
wird Prostatakrebs festgestellt. Der niedergelassene Urologe überweist 
an 
 
die örtliche Klinik. Der Patient hat keine Ahnung, dass bei einer 
Prostataoperation viel davon abhängt, wie oft die Klinik den Eingriff 
vornimmt und wie stark der Operateur spezialisiert ist. Verschiedene 
Studien zeigen, dass Männer seltener unter Inkontinenz und Impotenz 
leiden und schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden können, wenn 
die Prostata von einem auf diesem Gebiet erfahrenen Urologen entfernt 
wird. Amerikanische Fachgesellschaften empfehlen deshalb 55 Eingriffe pro 

 
Jahr und Krankenhaus – eine Quote, die in Deutschland nur ein Viertel 
der 
 
Kliniken, die Prostataoperationen durchführen, auch erreichen. Vielmehr 
werden in Deutschland die Fälle so gut auf die Krankenhäuser verteilt, 
als 
 
ob die Forschung bewiesen hätte, dass die Ergebnisse der Operation um so 

 
besser wären, je weniger Erfahrung der Chirurg mit dem Eingriff hat. 

Gibt es Komplikationen, beispielsweise unkontrollierten Harnabgang, dann 
geht der Patient zurück zu seinem niedergelassenen Urologen. Dieser 
versucht jetzt, das Problem in den Griff zu kriegen. Er hat die Operation 

 
allerdings nicht durchgeführt, er kennt den Verlauf des Falls nur aus 
der 
 
Akte, die er oft erst mit wochenlanger Verspätung bekommt. Er fühlt 
sich 
 
für die Folgekrankheit vielleicht gar nicht verantwortlich, während der 

 
Operateur den Fall ganz aus den Augen verliert. Die niedergelassenen 
Ärzte, etwa ein Röntgenarzt, der Urologe und ein Spezialist für Innere 

 
Medizin besprechen den Fall niemals gemeinsam, sie tauschen nur Akten 
aus. Richtig zuständig fühlt sich niemand, bestenfalls der Hausarzt, 
der 
 
aber mit solchen Fällen noch die wenigste Erfahrung hat. 

In den USA, den skandinavischen Ländern und den Niederlanden würde der 
Fall anders ablaufen. Die Behandlung würde in der Regel in einem Zentrum 

 
für Prostatakrebs durchgeführt, die Komplikationsrate fiele dort 
wahrscheinlich niedriger aus. Diese Versorgung durch Spezialisten aus 
einer 
 
Hand hat sich nicht nur als besser, sondern auch als kostengünstiger 
erwiesen. 

Sie steht aber in Deutschland ausschließlich dem privat Versicherten zur 

 
Verfügung, weil sie die Ärzte frei auswählen können und die Fachleute 
sie 
 
gerne behandeln. Im Fall von Komplikationen können sie daher auch nach 
dem Eingriff von dem Arzt ambulant weiterbetreut werden, der sie operiert 

 
hat. 

Der gesetzlich Versicherte Patient wird dagegen nach Auftreten einer 
Komplikation „durch das System gereicht“. Dabei gerät er an Ärzte, 
die mit 
 
Fällen wie seinem keine oder wenig Erfahrung haben. Ist seine Behandlung 

 
aufwändig und durch die Budgets des niedergelassenen Arztes nicht 
gedeckt, so überweist man ihn phasenweise in das Krankenhaus zurück. 
Die  *Drehtürmedizin*  beginnt: Anlässlich einer jeden Verschlechterung 
seines 
 
Leidens wechselt er vom niedergelassenen in den stationären Bereich und 
wieder zurück. 

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Ich verstehe wohl, was gemeint ist, aber es trifft nicht nur die gesetzlich Versicherten!

Meine Frau ist das beste Beispiel: Sie wurde vor 18 Monaten mit massivsten Schmerzen von mir ins Krankenhaus gebracht, nachdem der behandelnde Internist bei einer Untersuchung ganz bleich wurde und ihr anriet, sofort eine Klinik aufzusuchen. Ich brachte sie ins hiesige Krankenhaus, wo man sie noch nachts wegen Darmdurchbruch notoperiert hat.
Diese Not-OP ist - wie wir seit ein paar Tagen wissen - gründlich schief gegangen und es läuft in ihrem Fall bis heute wie in Deinem Beispiel mit dem Prostata-Krebs. Die hiesige Klinik-Abteilung hat zwar einen Visceral-Chirurgen als Chefarzt, aber dieser scheint entweder unfähig zu sein oder hat zu wenig Erfahrung.
Meine Frau laboriert bis heute daran herum, wird vom örtlichen Internisten betreut, regelmäßig aber zur Dilatation des Darmes ins Krankenhaus gebracht, zurück zum Internisten usw. Ausgedehnte Thrombosen, eine unzureichende Bauchraumsäuberung nach der Perforation, sowie die Ausführung der (Not-)OP-Narbe machen ihr bis heute Beschwerden. Und keiner kann angeblich was dafür. Sie ist privat versichert!

@Daniel Düngel
Meine Göttergattin ist - wie gesagt - privat versichert. Sowenig wie ihr dieser Umstand etwas bei der chirurgischen Schludrigkeit geholfen hat, hilft ihr das, wenn sie zum Bouchieren ins Krankenhaus geht. Wenn keine Ein- und Zweibettzimmer da sind, muss sie womöglich mit 2 anderen in Zimmern bleiben, in denen nur 2 Kleiderschränke stehen und Fernseher fehlen oder defekt sind. Nicht dass das unter ihrer Würde wäre, aber mit einer Ausnahme gab es ständig Reibereien, was der Genesung auch nicht gerade dienlich sein kann. Und obwohl sie keine Körnchen essen und mit Vitamin K-reicher Nahrung zurückhaltend sein sollte, wird ihr dasselbe vorgesetzt, wie allen anderen auch.
Regelmäßig verliert sie 2-3 kg und kommt mit einem Heißhunger auf Kartoffelpü zurück, wenn sie in der Klinik war, weil man nicht imstande zu sein scheint, ersatzweise wenigstens einen Joghurt zu organisieren.




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