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Betreff: AG Gesundheit
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- From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
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- Subject: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ...
- Date: Tue, 26 Jul 2011 10:10:55 +0000
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Drehtürmedizin ... was ist das eigentlich?
Jeder bemerkte wahrscheinlich schon, dass der Eingang von großen
Kliniken
(allerdings auch von Einkaufszentren oder Kaufhäusern) durch Drehtüren
ausgeführt ist. Diese sind die Metapher für die "Drehtürmedizin", die
ich hier
prägnant (Beispiel Prostatakrebs) beschreiben möchte:
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Der gesetzlich Versicherte bemerkt Blut im Urin und geht zum Urologen. Es
wird Prostatakrebs festgestellt. Der niedergelassene Urologe überweist
an
die örtliche Klinik. Der Patient hat keine Ahnung, dass bei einer
Prostataoperation viel davon abhängt, wie oft die Klinik den Eingriff
vornimmt und wie stark der Operateur spezialisiert ist. Verschiedene
Studien zeigen, dass Männer seltener unter Inkontinenz und Impotenz
leiden und schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden können, wenn
die Prostata von einem auf diesem Gebiet erfahrenen Urologen entfernt
wird. Amerikanische Fachgesellschaften empfehlen deshalb 55 Eingriffe pro
Jahr und Krankenhaus – eine Quote, die in Deutschland nur ein Viertel
der
Kliniken, die Prostataoperationen durchführen, auch erreichen. Vielmehr
werden in Deutschland die Fälle so gut auf die Krankenhäuser verteilt,
als
ob die Forschung bewiesen hätte, dass die Ergebnisse der Operation um so
besser wären, je weniger Erfahrung der Chirurg mit dem Eingriff hat.
Gibt es Komplikationen, beispielsweise unkontrollierten Harnabgang, dann
geht der Patient zurück zu seinem niedergelassenen Urologen. Dieser
versucht jetzt, das Problem in den Griff zu kriegen. Er hat die Operation
allerdings nicht durchgeführt, er kennt den Verlauf des Falls nur aus
der
Akte, die er oft erst mit wochenlanger Verspätung bekommt. Er fühlt
sich
für die Folgekrankheit vielleicht gar nicht verantwortlich, während der
Operateur den Fall ganz aus den Augen verliert. Die niedergelassenen
Ärzte, etwa ein Röntgenarzt, der Urologe und ein Spezialist für Innere
Medizin besprechen den Fall niemals gemeinsam, sie tauschen nur Akten
aus. Richtig zuständig fühlt sich niemand, bestenfalls der Hausarzt,
der
aber mit solchen Fällen noch die wenigste Erfahrung hat.
In den USA, den skandinavischen Ländern und den Niederlanden würde der
Fall anders ablaufen. Die Behandlung würde in der Regel in einem Zentrum
für Prostatakrebs durchgeführt, die Komplikationsrate fiele dort
wahrscheinlich niedriger aus. Diese Versorgung durch Spezialisten aus
einer
Hand hat sich nicht nur als besser, sondern auch als kostengünstiger
erwiesen.
Sie steht aber in Deutschland ausschließlich dem privat Versicherten zur
Verfügung, weil sie die Ärzte frei auswählen können und die Fachleute
sie
gerne behandeln. Im Fall von Komplikationen können sie daher auch nach
dem Eingriff von dem Arzt ambulant weiterbetreut werden, der sie operiert
hat.
Der gesetzlich Versicherte Patient wird dagegen nach Auftreten einer
Komplikation „durch das System gereicht“. Dabei gerät er an Ärzte,
die mit
Fällen wie seinem keine oder wenig Erfahrung haben. Ist seine Behandlung
aufwändig und durch die Budgets des niedergelassenen Arztes nicht
gedeckt, so überweist man ihn phasenweise in das Krankenhaus zurück.
Die *Drehtürmedizin* beginnt: Anlässlich einer jeden Verschlechterung
seines
Leidens wechselt er vom niedergelassenen in den stationären Bereich und
wieder zurück.
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- [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., syna, 26.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., mb, 26.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., Bernd Brägelmann, 26.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., Daniel Düngel, 26.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., Morgan le Fay, 27.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., mb, 27.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., Morgan le Fay, 27.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., mb, 27.07.2011
- Re: [AG-Gesundheit] Drehtürmedizin ..., mb, 26.07.2011
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