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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheitswesen] Organentnahme/Organ-"Spende" -Abschiednehmen

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheitswesen] Organentnahme/Organ-"Spende" -Abschiednehmen


Chronologisch Thread 
  • From: "Jürgen Junghänel" <junghaenel-hannover AT gmx.de>
  • To: AG Gesundheitswesen <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheitswesen] Organentnahme/Organ-"Spende" -Abschiednehmen
  • Date: Wed, 20 Jan 2010 00:29:10 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheitswesen <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>




> schrieb Jörg H:
>
> > --> Privacy, wie könnte man einen Abschied würdevoll und sauber
> > gestalten ohne auf die Möglichkeit einer Organentnahme zu verzichten.
> > (Aufgrund der Wartezeit.) Hast Du eine Idee (für die Randbedingungen)?
>
> Schwierig - das Abschiednehmen heißt ja auch, dass den Angehörigen die
> Zeit zum Begreifen, dass ein atmender Mensch irreversibel tot ist,
> gegeben werden muss - statt womöglich auch noch moralischen Druck bzgl.
> der Entscheidung einer Organentnahme aufzubauen.
>
> Andrerseits erfordert das Ziel der Organerhaltung massive Eingriffe
> (Kühlung, Kreislaufstabilisierung, Intensivierung der Überwachung), die
> bei einer reinen rücksichtsvollen "Rückzugsmedizin" als nicht dem
> Patienten dienend kontraindiziert sind.
>
> .....
>
> Eine optimistische Phantasie von mir wäre, dass die Forschung in die
> Organanzucht - auch unter Nutzung von embryonalen Stammzellen (!) -
> erfolgreich wird, so dass wir ohne Sterbende auszuschlachten und eine
> irrwitzige Organaspirantenverwaltung zu betreiben, die Technik des
> Organersatzes nutzen können, ohne mit verqueren Argumentationen uns an
> Sterbenden zu vergreifen.
>
> .....
>
> Ursprünglich war das Bemühen um die Definition des Hirntodes eigentlich
> humanitär - um die Problematik eines zum Leben verdammten hirntoten
> Patienten (nicht eines Apallikers) durch eine inhaltliche Definition des
> menschlichen Lebens und Daseins abzumildern.
>
> Dabei sind wir beim Sterbenden recht weit gegangen - wenn das Großhinr
> nicht mehr funktioniert - ist man kein Mensch mehr, also tot. Der
> Augenblick ist im Gegensatz zum letzten spontanen Atemzug irgendo
> willkürlich und hängt daran, wann jemand die Kriterien systematisch
> prüft (was aber die Chance einräumt, auch zu Warten, bis die
> Angehörigen
> Abschied genommen haben, religiösen Bedürfnissen Raum gegeben wurden).
>
> Beim beginnenden Leben andrerseits postulieren wir menschliches Leben,
> wo noch kein Organ, geschweige den Hirn, Bewußtsein, (aktive)
> Interaktion mit der Umwelt denkbar ist - und stellen jedwede
> "Versachlichung" unter Strafe und den Geruch des Mißbrauches.
>
> Um mich nicht misszuverstehen - ich begrüße die Möglichkeit, einen
> Menschen für tot zu erklären, wenn sein Gehirn völlig ausgefallen ist -
> vor allem aus der Sicht als möglicherweise Betroffener Patient oder
> Angehöriger - aber es kommt ein völlig anderer Zungenschlag hinzu wenn
> daraus wird:
>
> Stirb schneller, Genosse, wir brauchen Deine Organe ...
>
> Und der Versuch unternommen wird, Trauer durch Altruismus zu verdrängen.
>
> Gruß
>
> Privacy

Das mit dem Abschied nehmen ist ein verdammt schwierige Sache.

Wir sind gewohnt beim Abschied zweier Menschen die dort stattfindenden
Gefühle als Abschied zu empfinden.

Abschied von einem Sterbenden wird als der Augenblick empfunden, in dem beide
sich noch als gegenwärtig erleben.

Und was ist beim hirntoten Patienten auf der Intenzivstation, der künstlich
beatmet und ernährt wird?

Man kann sich drehen und wenden: da ist ein vergleichbarer Abschied nicht
möglich. Es geht halt nicht. Der richtige Zeitpunkt ist verpasst, weshalb man
sich von seinen Lieben auch immer richtig verabschieden soll.

Ich habe schon vielen Angehörige über den Hirntod eines Patienten aufgeklärt.
Es war immer schlimm. Und das einzige, was die Angehörigen dann wollten war:
macht schnell mit dem Abstellen der Beatmung oder der Explantation.
Irgendwie haben sie das erkannt, dass ein normales Abschiednehmen nicht
möglich war. Wir haben dann in der Regel angeboten, dass der
Krankenhausseelsorger kam, der dann (am besten bei Katholiken mit der
Krankensalbung) noch eine Abschiedsatmospere schaffen konnte.

Mein Beitrag zu einem schwierigen Thema, das im übrigen für einen politschen
piratigen Ansatz völlig ungeeignet erscheint.

Euer Jürgen Ju

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