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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Panama-Papers, Ölgeschäfte und das US-Bankensystem

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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Panama-Papers, Ölgeschäfte und das US-Bankensystem


Chronologisch Thread 

gelegentlich wurde ja an den Panama-Papers kritisiert, dass dort keine
Amerikaner auftauchen. Auf Counterpunch erläuterte der Ökonom Michael
Hudson dieser Tage in einem Interview die Zusammenhänge. Hudson ist
Professor an der University of Missouri und war auch zuständig für
Zahlungsbilanzen an der Chase Manhattan Bank.

Eine kommentierte Zusammenfassung von Hudson, Michael (2016): Panama and
the Criminalization of the Global Finance System.
Online unter:
<http://www.counterpunch.org/2016/04/18/panama-and-the-criminalization-of-the-global-finance-system/>.

Gängige Folklore besagt ja, dass Panama ursprünglich von Kolumbien
abgetrennt wurde, um den Panamakanal zu bauen, soweit oK. Panama ist
aber kein Land in dem Sinne, dass es eine eigene Währung und eigenes
Steuersystem hat. Es ist, wie Liberia, in dieser Hinsicht ein 'Vasall'
der USA.

Aus den bisher bekannt gewordenen Veröffentlichungen sieht es ja so aus,
als ob da irgendwelche Kriminelle Geld waschen. Panama wurde aber
konstruiert um Einkommen zu waschen, vornehmlich für die
US-Rohstoffindustrie und hier vor allem Erdöl und -gas.

Hudson hat sich mal mit einem Buchhalter von Standard Oil unterhalten
und nachgefragt, wo sie eigentlich ihre Gewinne machen bei der Förderung
oder Raffination. Antwort: weder noch, sondern in der Buchhaltung. Das
Erdöl, das im Nahen Osten eingekauft wird, wird zu Schleuderpreisen an
die Billigreedereien in Panama, Liberia etc. verhökert. Am
Bestimmungshafen übernehmen dann andere Tochterfirmen des Konzern, die
etwa das Rohöl raffinerieren, wieder das Öl gegen entsprechenden
Aufpreis; für einen angemessenen Gewinn bei diesen und nachfolgenden
Produktionsprozessen bleibt dann nicht mehr viel Luft.

Zusammengefasst: Auf Konzernebene konsolidiert, findet buchhalterisch
praktisch die gesamte Wertschöpfung (von der Förderung an der Quelle in
Arabien bis das Benzin an der Tankstelle aus der Zapfsäule kommt) statt,
während der Öltanker vom Persischen Golf nach Rotterdam (oder New York)
schippert! Der Fiskus (weder in den USA noch in Europa) sieht davon
keinen einzigen Cent! Wenn die Zahlung für den Transport beim
panamaischen Reeder angekommen ist, der sein Konto bei einer
Niederlassung einer US-Bank in Panama unterhält, dann ist auch das
Geschäft für den Ölkonzern gelaufen: die Knete ist heim bei Papi.

Auf die Nachfrage von Hudson, wo diese Überweisungen verbucht werden,
nachdem er weder bei der FED noch im in den Berichten des US-Schatzamtes
irgendwelche Hinweise gefunden hätte, klärte der Buchhalter auf: Es gebe
da eine Sonderkategorie “International”. Dies sei eine spezielle
Kategorie für solche Bestandteile, die zwar zu den USA gehören aber im
Ausland sind. Konkret die Offshore Bankenplätze in Panama, Liberia und
anderen Ländern ohne eigene Währung, die in US-$ fakturieren.

Dieses Spielchen funktioniert seit den 1920er Jahren, also bald nachdem
in USA eine Einkommenssteuer eingeführt wurde (1913/14?).

Hudson hat aber noch was auf Lager: Die USA haben in der Nachkriegszeit
ihre Exportüberschüsse im 'Kampf gegen das Böse' durch Rüstungsausgaben
im Ausland (vor allem Vietnam) im wahrsten Sinne des Wortes verballert.
Bekannterweise hat Nixon 1971 die Reissleine gezogen, indem er das fixe
Wechselkursregime des Bretton-Woods-Systems durch die freie
Konvertierbarkeit in US$ aufkündigte. [Kontext]: Eben diese Ereignis
macht auch Varoufakis in 'The Global Minotaur' als zentrales Ereignis
für die heutige Malaise aus, welche den globalen
Überschussumwälzmechanismus zum Erliegen brachte, der in den Ländern des
Nordens für den breiten Massenwohlstand in der Nachkriegszeit sorgte.

Das ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Das State Department
fragte bei der Chase Manhattan nach, wie man das Militärdefizit
ausgleichen könnte. Kern der Überlegungen war, wie man das Schwarzgeld,
das damals üblicherweise noch in die Schweiz floss, in die US-Banken
umlenken könnte. Hudson, er war damals bei der Chase, wurde damit
beauftragt, eine Abschätzung zu liefern, wie hoch dieses kriminelle
Vermögen von Drogendealern, Waffenschmugglern, korrupten Diktatoren etc.
weltweit war. Der Clou war, dass daraufhin die US-Regierung reihenweise
US-Banken anwies - mit Hinweis auf ihr staatsbürgerliches Ethos -
Dependencen in formal unabhängigen Ländern der Karibik (Cayman, British
Westinden…) zu gründen, wo sie faktisch unter US-Kontrolle stehen.

Bilanztechnisch sind das formal Verbindlichkeiten der USA an Panama,
oder einer anderen Finanzkolonie. Da aber die Vermögenswerte vorrangig
in den dortigen Dependancen der US-Banken gehalten werden, und dort auch
in $ fakturiert wird, haben sie faktisch das US-Bankensystem und damit
den $-Währungsraum nicht verlassen!

Im US Kongress ging es auch darum, ob US-Schatzanweisungen im Besitz von
Ausländern mit 15% besteuert werden sollten. Dies wurde aber verworfen,
weil das die Attraktivität des Geschäftsmodells, Freihafen für die
Schwarzgelder dieser Welt zu sein, massiv beeinträchtigt hätte. [kleiner
Einschub] Angesichts dessen sollte auch klar sein, warum 'Investoren'
selbst negative Zinsen relativ gelassen hinnehmen!

Als Kollateralschaden wurde hingenommen, dass auf diese Weise die
Schwarzgelder aus Waffen- und Drogengeschäften, als auch das Vermögen
der Despoten dieser Welt einen sicheren Hafen im US-Bankensystem fanden.

Andersrum ausgedrückt: Um ihren gigantischen Militärhaushalt zu
finanzieren, bietet das US-Bankensystem einen sicheren Freihafen für das
Schwarzgeld dieser Welt. Schöner Nebeneffekt für US-Konzerne: auch sie
profitieren von derart legitimierten Steuervermeidungstricks.
Oder noch anders ausgedrückt: Wir haben es mit einer besonders zynischen
Form eines Überschussrecycling Mechanismus zu tun. Das US-Militär mischt
sich in alle möglichen Regionen, um 'westliche Werte' zu verteidigen,
die sie womöglich gar nicht verteidigen müssten, wenn sie erstmal ihr
Finanzsystem in Ordnung bringen würden, das vor allem denjenigen Zupass
kommt, die sich einen Dreck um eine rechtsstaatliche Ordnung scheren.
Die Kollateralschäden, wie z.B. die Flüchtlingsströme aus den
Krisengebieten, werden nach Europa abgeschoben.

Als Lösung schlägt Hudson vor, Konzerne nach ihren weltweiten Einnahmen
zentral zu besteuern um gleich darauf zu sagen, dass dies keine Lösung
sein kann. Ein Politiker, der so etwas ernsthaft fordert, würde sich zum
Einen mit ureigensten amerikanischen Interessen anlegen (Öl,
Technologiemonopole) und hätte wahrscheinlich große Schwierigkeiten
seinen Wahlkampf zu finanzieren.

Die Lösung für dieses Problem wäre im Grunde recht einfach und stand
schon 1944 auf der Bretton-Woods-Konferenz zur Debatte: Die Verrechnung
internationaler Zahlungen über eine supranationale Bank, sozusagen als
Zentralbank aller Zentralbanken. Eine derartige Regelung hätte
gesamtwirtschaftlich durchaus wünschenswerte Effekte:
* Abhängigkeit der Weltwirtschaft von einer Währung wird vermieden.
* Internationale Zahlungen sind jederzeit nachverfolgbar
* Bilanzklarheit

Auf globaler Ebene ein solches Verrechnungssystem einzuführen dürfte
derzeit noch visionär sein. Innerhalb der Eurozone sind aber die
institutionellen Voraussetzungen gegeben, mit wenigen Änderungen
(Verrechnung der Target-Salden zentral bei der EZB statt dezentral bei
den nationalen Notenbanken; die bürokratische Monströsität ESM wird
überflüssig und kann mit der EZB konsolidiert werden) auf regionaler
Ebene einen Stabilitätsanker zu etablieren, der auch weltwirtschaftlich
einiges an Gewicht hat.
Leider werden da nicht nicht alle Regierungen mitspielen wollen, da sie
es sich im derzeitigen Settlement recht komfortabel eingerichtet und
dabei zum Teil Foul gespielt haben (Irland->Steuerdumping;
Deutschland->Lohndumping). Der Druck kann daher nur von der Strasse und
damit der breiten Bevölkerung kommen.

gerhard




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